Kirill Serebrennikow Moskaus Meister des Tiefschürfenden wird 50

Moskau · Ganz frei ist Kirill Serebrennikow noch immer nicht. Schon seit zwei Jahren zieht sich das Verfahren gegen den Filme- und Theatermacher wegen angeblicher Veruntreuung staatlicher Fördergelder hin. Der Prozess gegen den Regisseur gilt als Farce.

 Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow.   Foto: Pavel Golovkin/AP/dpa

Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow. Foto: Pavel Golovkin/AP/dpa

Foto: dpa/Pavel Golovkin

Kulturschaffende sehen darin das Ziel, den mit vielen Preisen für seine tiefschürfenden Gesellschaftsporträts überhäuften Meister mundtot zu machen. Doch Serebrennikow („Der die Zeichen liest“), der an diesem Samstag 50 Jahre alt wird, ist nicht zu stoppen.

In seinem Theater, dem Gogol Zentrum in Moskau, geht es nächste Woche irgendwie auch um seine eigenen bitteren Erfahrungen mit der Justiz. Dann feiert „Palatschi“ (Henker) nach dem Stück des britischen Dramatikers Martin McDonagh („Hangmen“) Premiere. Serebrennikow verlegt die Handlung um einen Henker, der nach Abschaffung der Todesstrafe eine Bar aufmacht, in einen Moskauer Vorort. Zuschauer, die sich Tickets von bis zu einigen Hundert Euro leisten können, erwartet ein Theaterabend um die Werte des Lebens. Es geht um Rechtsstaatlichkeit und Freiheit.

Serebrennikow ist zwar nach anderthalb Jahren im Hausarrest seit April wieder auf freiem Fuß. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich bei Kremlchef Wladimir Putin um den für seine doppelbödige Kunst bekannten Star bemüht. Reisen ins Ausland sind ihm aber verboten.

Die Opern in Stuttgart, Hamburg und Zürich etwa, aber auch das Theaterfestival in Avignon brachten seine Stücke deshalb zuletzt ohne ihn auf die Bühne. Serebrennikows Assistenten, die streng nach seinen Anweisungen arbeiten, erledigen diese Einsätze im Ausland. Doch die Hoffnung etwa auch an der Komischen Oper in Berlin, wo er 2020 inszenieren soll, ist groß, dass das Strafverfahren bald beendet ist.

Der Druck auf den russischen Justizapparat ist immens. Zehntausende unterschrieben eine Petition, darunter Schauspieler wie Cate Blanchett und Lars Eidinger, gegen die Verfolgung eines der „berühmtesten Gegenwartskünstler“. Besonders auch die Oper und die Landesregierung in Stuttgart setzten sich für ihn ein.

Ende März erhielt Serebrennikow den renommierten russischen Filmpreis „Nika“ – für die beste Regie. Sein 2018 auch in Deutschland gezeigter Film „Leto“ (Sommer) ist eine Hommage an Viktor Zoi, den sowjetischen Rockstar. Das russische Staatsfernsehen meinte einmal, dass der studierte Physiker für jemanden ohne echte Regieausbildung sehr gut im Geschäft stehe.

Zumindest legt nun eine kürzlich präsentierte Expertise für das Moskauer Gericht nahe, dass Serebrennikows Team die Fördergelder wohl doch ordentlich ausgegeben hat. Die Richterin meinte sogar, es sei ein Kulturereignis entstanden. Das überraschte, denn lange hielt sich der leicht widerlegbare Vorwurf, es habe keine Aufführungen gegeben.

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