Moderne Version des Orakels

Die Antwort, mein Freund, weiß ganz allein der Wind. Der Wahl-O-Mat weiß es besser. Ich hab' mir mal diesen Test im Internet angeschaut: Wa-uuuu. Mir scheint, das ist die moderne Version vom Orakel von Delphi. Der Wahl-O-Mat konfrontiert dich mit 38 politischen Aussagen, bei denen du "Ja", "Nein" oder "Ist mir völlig egal" ankreuzen kannst

Die Antwort, mein Freund, weiß ganz allein der Wind. Der Wahl-O-Mat weiß es besser. Ich hab' mir mal diesen Test im Internet angeschaut: Wa-uuuu. Mir scheint, das ist die moderne Version vom Orakel von Delphi. Der Wahl-O-Mat konfrontiert dich mit 38 politischen Aussagen, bei denen du "Ja", "Nein" oder "Ist mir völlig egal" ankreuzen kannst. Hast du alles ausgefüllt, spuckt diese Internet-Pythia dir aus, welche Partei du wahrscheinlich wählen wirst. Wie die Dame in dem legendären Apollo-Tempel. Die griff in einen Behälter mit weißen und schwarzen Bohnen und nahm eine von ihnen heraus: Weiß bedeutete Ja, Schwarz Nein. Statt Hülsenfrüchten erscheinen im Internet Linien, welche Partei dein Favorit ist. Das gleiche Kaffeesatzlesen wie im alten Griechenland, getreu dem Motto: Bei zunehmender Dämmerung ist mit mehr Dunkelheit zu rechnen. Denn verbrieft ist, dass das Orakel sich oft verorakelt hat: So ehelichte Ödipus, der mit dem Komplex, seine Mutter, und Staatsmann Krösus richtete sein eigenes Reich zugrunde. Letzteres schaffen unsere Politiker ganz aus sich heraus - ohne Pythia und berauschende Dämpfe.Auf den Hund gekommen sind die Entwickler der Wahl-O-Mat-Fragen nicht. Kein Schwein interessiert sich für uns, keine Sau wahl-o-matet uns an. Dabei sind wir doch auch Steuerzahler und sollten deshalb auch gefragt werden. Statt plakativer Aussagen zur Frauenquote, Alkoholkonsum, Parteispenden oder anderem Zeug sollten die doch lieber mal ein paar Vorschläge machen, an welchen Baum wir am liebsten das Bein heben würden - Esche, Linde oder Eiche - oder was wir zum Entenjagen meinen. Gerade kurz vor Ostern wäre es auch für Herrchen und Frauchen interessant zu wissen, ob wir lieber Hirschragout mit Preiselbeeren oder frisches Lamm zu den Festtagen im Napf haben wollen. Und auch die Frage nach dem Hundeschokoladenosterhasen bleibt ungeklärt: lieber in Goldpapier oder doch besser in knisternder Folie?

Ich jedenfalls werde mich künftig an einen Druiden halten, einen netten wie Miraculix aus dem gallischen Dorf. Der orakelt nicht in der Gegend rum, sondern braut einen irrsinnig guten Zaubertrank - der verleiht Riesenkräfte. Damit ist Chandler bestens gewappnet gegen falsche Demoskopie und Wahllosigkeit.

Chandler Bing, als Podenco gebürtiger Spanier, dessen Geburtsname der Legende nach eigentlich El gatero guapo listo de la raza hambrienta de los Podencos Galicias lautet, geht als SZ-Redaktionshund die wirklich wichtigen Themen in der Region erschnüffeln und meldet sich montags zu Wort.

Facebook/Bing Chandler

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