Modellathlet gegen Sport-Tourist

Dillingen. Sonntagmorgen um halb zehn ist es noch still rund ums Dillinger Parkstadion. Es herrscht eine verschlafene Stimmung, wie es sie so nur an einem Sonntagmorgen geben kann. Nur von der Laufbahn ist Geklapper zu hören. Die Hürden werden aufgestellt, dann testet jemand die Startpistole. Ein lauter Knall, das Gerät funktioniert. Jetzt sind alle wach

 Der Merziger Patrick Wegener beim Stabhochsprung. Dahinter: Europameister Stephan Mathieu. Foto: rup

Der Merziger Patrick Wegener beim Stabhochsprung. Dahinter: Europameister Stephan Mathieu. Foto: rup

Dillingen. Sonntagmorgen um halb zehn ist es noch still rund ums Dillinger Parkstadion. Es herrscht eine verschlafene Stimmung, wie es sie so nur an einem Sonntagmorgen geben kann. Nur von der Laufbahn ist Geklapper zu hören. Die Hürden werden aufgestellt, dann testet jemand die Startpistole. Ein lauter Knall, das Gerät funktioniert. Jetzt sind alle wach.

Es beginnt der zweite Tag des 16. Zehnkampfes des TV Dillingen. Der Wettbewerb ist eine Kombination aus einem Wettkampf für Jedermann und einem offiziellen Zehnkampf. Jedermann-Zehnkämpfe sind in Deutschland beliebt, in Hamburg waren mehr als 300 Teilnehmer dabei. Und in Dillingen? Der Blick über Tribüne und Laufbahn bleibt trostlos. Kaum jemand ist da, die offizielle Liste sagt 23 Teilnehmer, davon 16 beim offiziellen Zehnkampf. Bleiben sieben, die die Königsdisziplin der Leichtathletik als Amateure durchstehen wollen, zwei Männer und fünf Frauen. "Es sind Sommerferien und der Termin ist früher als sonst. Letztes Jahr hatten wir 30 Jedermänner", erklärt Veranstalter Peter Fischer.

Sieben Stunden Anreise

Einer der Jedermänner, Sven Goos, ist extra aus Thüringen angereist. Sieben Stunden auf der Autobahn und zwei Übernachtungen inklusive. "Ich mache jedes Jahr einen Zehnkampf, dieses Jahr sind wir eben nach Dillingen gefahren." Sein einziger Konkurrent, Patrick Wegener, ist aus Merzig und tritt zusammen mit seiner Tochter Lee an, genau wie Yvonne Sogorski. Sie ist mit ihrem Sohn Tobias am Start. "Das ist auch das Schöne an dieser Veranstaltung. Man kann mit der ganzen Familie teilnehmen", sagt sie und läuft zum Hochsprung an. Zehnkampf als Familienausflug.

Auf der anderen Seite des Stadions bietet sich währenddessen das komplette Kontrastprogramm. An der Stabhochsprunganlage machen sich die Mehrkämpfer bereit. Unter ihnen ist Julius Ladleif. Er ist zwei Meter groß, startet für den USC Mainz, studiert Medizin und geht zum Aufwärmen im Handstand über den Rasen. Warum ist er hier? "Ich will mich für die deutschen Meisterschaften qualifizieren." Und wie läuft es bisher? "Nicht gut, ich habe keinen passenden Stab zum Stabhochsprung. Der einzig passende ist beim Aufwärmen gebrochen." Während er das erzählt, springt Martin Wiench aus Altenkessel über 2,30 Meter. Wiench ist 72 Jahre alt und freut sich über die übersprungenen Höhe, als hätte er Sergej Bubka persönlich geschlagen. Der Modellathlet aus Mainz steht daneben und murmelt "unglaublich". Plötzlich sind 2,30 Meter im Stabhochsprung beeindruckender als seine eigenen 3,80 Meter, die er auch mit falschem Stab noch überspringt. Leistung ist eben auch in der Leichtathletik relativ.

Europameister als "Trainer"

Zwei Stunden später stehen alle am Start des 1500 Meter Laufs. Ob austrainierter Halb-Profi, 72-jähriger Stabartist oder weitangereister Hobby-Athlet, die 1500 Meter sind bei allen gleich unbeliebt. "Wenn du unter 5:45 Minuten bleibst, hast du die 5200 Punkte sicher", ruft Stephan Mathieu einem Athleten zu. Kann er das direkt umrechnen? "Ja, die Tabelle hat man irgendwann im Kopf", sagt Mathieu, der schon den ganzen Tag den Athleten wertvolle Tipps gibt. "Der ist ja auch Europameister in seiner Altersklasse", petzt seine Tochter. Irgendwann wundert einen nichts mehr bei dieser Veranstaltung.

Dreidreiviertel-Runden später: Fast alle Teilnehmer liegen auf dem Boden und sind völlig platt. Martin Wiench ist unter sieben Minuten geblieben und hat mit 5251 Punkten eine neue persönliche Bestleistung geschafft. "Das war mein zwölfter Zehnkampf und mit 72 Jahren mein bisher bestes Ergebnis", strahlt er. Er hat alle zehn Disziplinen absolviert und überall Punkte erreicht. Warum macht er das? "Ich hab mir das vorgenommen also zieh ich es auch durch. Viele dachten, ich kann das nicht mehr, aber denen hab' ich's gezeigt", sagt er lachend.

Es ist mittlerweile Mittag, es ist wieder lauter rund ums Parkstadion und der Zehnkampf ist vorbei. Viele persönliche Bestleistungen waren dabei, keiner hat sich schwerer verletzt. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass man keine Hunderte von Teilnehmern braucht, um einen interessanten Wettkampf zu erleben. Manchmal faszinieren auch die Duelle Modellathlet gegen Alterskämpfer und Freizeitsportler gegen Zehnkampf-Tourist.

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