"Mittlerweile an jeder Ecke" Spielertreffs von morgen sollen in Gewerbegebiete

Saarbrücken. Wo früher Schaufenster waren, dort prallen die Blicke heute gegen zugeklebte Scheiben. Auf den ersten 100 Metern der Eisenbahnstraße hinter der Luisenbrücke ballen sich in Alt-Saarbrücken zwei Spielhallen und das "Glückspilz"-Casino der Saarland Spielbanken. Und das ist nicht die einzige Geldspiel-Meile in der Stadt

Saarbrücken. Wo früher Schaufenster waren, dort prallen die Blicke heute gegen zugeklebte Scheiben. Auf den ersten 100 Metern der Eisenbahnstraße hinter der Luisenbrücke ballen sich in Alt-Saarbrücken zwei Spielhallen und das "Glückspilz"-Casino der Saarland Spielbanken. Und das ist nicht die einzige Geldspiel-Meile in der Stadt. In der Brebacher Landstraße, der Vorstadtstraße und der Kaiserstraße reiht sich ebenfalls Halle an Halle.Eine bedenkliche Entwicklung, wie Lothar Leismann (55) aus Saarbrücken findet.

Er denkt bei Spielhallen vor allem an die Gefahren für junge Besucher. "Diese Hallen fördern ungemein die Spielsucht. Es ist nicht gut, dass man sie mittlerweile an jeder Ecke findet. Es zieht die jungen Leute dorthin, und teilweise kommen sie leider nicht mehr vom Spielen los", sagt der Maschinenschlosser besorgt.

Ähnlich sieht es der Verwaltungsangestellte Arno Marx. "Viele der Jugendlichen können nicht mit Geld umgehen und verfallen der Spielsucht", sagt der 51-jährige Saarbrücker. Die jungen Leute bräuchten doch ihr Geld dringender, um damit ihre Ausbildung oder ihr Studium zu finanzieren.

"Welcher Arbeitnehmer will sein Geld schon in Spielhallen verprassen?", fragt sich der Dudweiler Schüler Dennis Bystrik (18). "Vor allem wenn man über das Risiko nachdenkt, viel Geld zu verlieren, muss einem doch klar sein, dass das Spielen nichts bringt." Am Ende gewinne nur der Betreiber.

Gastronom David Makary kennt sich in Spielhallen aus. "Ich muss zugeben, dass ich ab und an spielen gehe. Daher sehe ich besonders am Monatsanfang, wenn es Geld gegeben hat, viele Leute ihren gesamten Lohn verzocken. Da sieht man doch, dass diese Hallen nicht gut sind und dass man was gegen die Häufung tun sollte", sagt der 35-Jährige.

Olivier Neuhauss sieht die Vermehrung von Spielhallen ebenso kritisch. Er vermutet, dass die Stadt selbst über die Ansiedlung solcher Hallen entscheidet. Was allerdings nicht zutrifft. Dafür liegt er bei den Einnahmen richtig, die die Hallen der Kommune bringen. "Die Stadt verdient durch Gewerbe- und Vergnügungssteuer daran", sagt der 52-jährige Saarbrücker. Der Stadt sei es deshalb wohl gar nicht so unrecht, wenn irgendwo weitere Casinos aufmachen.

Natürlich gibt es auch Leute, die sich nicht an den Spielhallen stören. Saarbrücken-Besucherin Ursula Hornig aus Niederwürzbach zum Beispiel. "Ehrlich gesagt habe ich grundsätzlich nichts gegen diese Casinos. Allerdings komme ich vom Land und habe nicht viel mit der Stadt zu tun. Daher ist mir die Anhäufung noch gar nicht aufgefallen", gibt die Erzieherin zu.

Doch die Saarländer, ob vom Land oder Städter, sind auch gar nicht die Zielgruppe der Glücksspielbranche: "Werbung machen wir in Saarbrücken nicht. Die Gäste kommen sowieso zu 90 Prozent aus Frankreich", sagt einer der Hallenbetreiber in der Eisenbahnstraße. Und über die dortige Häufung macht sich auch der Hallen-Chef gegenüber keine großen Gedanken: "Konkurrenz belebt das Geschäft, und jeder bekommt sein Stück vom Kuchen. Und wenn ein Gast nebenan 10 000 Euro verzockt hat, dann kommt er halt beim nächsten Mal zu mir." Saarbrücken. Saarbrücken ist Landesspielhallenhauptstadt. Jede dritte Konzession gilt für einen Saarbrücker Betrieb. "Die Spieler aus Frankreich und Luxemburg dürften 80 Prozent des Publikums ausmachen. Dies liegt an strengen Restriktionen der Herkunftsländer", teilt der Rechtsdezernent Jürgen Wohlfarth mit. Für 39 Standorte seien 57 Konzessionen erteilt. "Die meisten Hallen gibt es in der Brebacher Landstraße, der Vorstadtstraße, der Kaiserstraße und der Eisenbahnstraße. Im unverplanten Innenbereich ist die Umgebung eines Vorhabens von Belang. Deshalb lockt jede Spielhalle eine weitere an. So kommt es zu städtebaulich unerwünschten Häufungen."

Verhindern lasse sich die Ansiedlung nur schwer. "Spielhallen sind überwiegend in so genannten Kerngebieten zulässig. Ohne rechtliche Gegengründe haben die Antragsteller einen Anspruch auf Baugenehmigung oder eine Nutzungsänderungsgenehmigung."

Wobei ein juristisches Werkzeug durchaus funktioniere. "Zwei Drittel der Anträge oder Interessenbekundungen verhindern wir durch den geforderten Stellplatznachweis nach der Landesbauordnung."

Weitere Gegenmaßnahmen des Landes seien nicht zu erkennen, obwohl seit 2006 die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liege. Wohlfarth ergänzt: "Auf Anfrage teilt mir der Saarländische Städte- und Gemeindetag mit, dass auch dort nichts bekannt sei. Es gibt eine Initiative der Linken im Landtag, die aber überwiegend Appellcharakter hat." Wohlfarth macht in einer Arbeitsgruppe für eine "Vergnügungsstättensatzung" mit, um City und Vorstädte überwiegend von neuen Hallen freizuhalten.

Durch Bebauungsplan könnten hochwertige Spielhallen in Gewerbegebieten zugelassen werden. Wohlfarth: "Die Errichtung solcher Freizeitzentren macht den Betrieb kleinerer Hallen in den Innenstädten nicht mehr profitabel, so dass diese schließen. Eine solche Marktbereinigung muss im Blickfeld bleiben." Das planungsrechtliche Detailkonzept werde erst erarbeitet. Dann habe der Stadtrat das letzte Wort.

Wobei Wohlfarth keineswegs verschweigt, dass die Spieler-Treffs Geld in die Stadtkasse spülen. "Die Vergnügungssteuer für Spielhallen bringt jährlich circa 800 000 Euro." ole

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