Mit welcher Taktik die Ticktack zum Ticken kommt

Köllerbach. "Es geht darum, die Zeit in Stücke zu schneiden", erklärt Ferdinand Mesarosch, erster Vorsitzender des Freundeskreises alter Uhrmacherkunst in Püttlingen, "das ist es, was eine Uhr leistet". Am vergangenen Sonntag öffnete das Saarländische Uhrenmuseum in Köllerbach kostenlos seine Pforten

 Der Mathematiker und Astronom Galileo Galilei (1564 - 1642) in einer kolorierten Zeichnung von Ottavio Leoni. Foto: SZ

Der Mathematiker und Astronom Galileo Galilei (1564 - 1642) in einer kolorierten Zeichnung von Ottavio Leoni. Foto: SZ

Köllerbach. "Es geht darum, die Zeit in Stücke zu schneiden", erklärt Ferdinand Mesarosch, erster Vorsitzender des Freundeskreises alter Uhrmacherkunst in Püttlingen, "das ist es, was eine Uhr leistet". Am vergangenen Sonntag öffnete das Saarländische Uhrenmuseum in Köllerbach kostenlos seine Pforten. Neben dem gewohnten Museumsbetrieb lockte die Einrichtung zum bundesweiten "Tag des Museums" mit Gratis-Führungen, einem Vortrag über Uhrmacher aus der Region und die bekannte Uhrmacher-Familie Frantz und einem Fachvortrag über die technische Entwicklung des Pendels, dessen Erfindung auf den italienischen Physiker und Erfinder Galileo Galilei (1564 - 1642) zurückgeht. Physikalische Formeln und mathematische Berechnungen, die den Weg bis hin zu solch ausgefallenen Spielarten wie dem Kuhschwanz-, Birnen-, Falt- oder Knickpendel säumten, ließen die Komplexität des Uhrmacherhandwerks in Ansätzen erahnen.

In Uhrmachers Haus, wie das Saarländische Uhrenmuseum liebevoll genannt wird, seit die Uhrmacherfamilie Frantz dort ihre Werkstatt hatte, findet sich ein Sammelsurium von rund 650 Ausstellungsstücken: Standuhren, Wanduhren, Taschenuhren, Wecker und Armbanduhren - eine Zeitreise vom 17. bis ins 20. Jahrhundert, eine Entwicklung von klobigen Versatzstücken hin zu filigranen Präzisionsteilen. Die Uhr, ehemals als Luxusgut nur im Besitz reicher Adels- und Bürgerfamilien, mauserte sich im Laufe der Jahrhunderte, insbesondere angesichts getakteter Akkordarbeit im Industriezeitalter, zum weit verbreiteten Gebrauchsgegenstand. Nicht mehr der Sonnenuntergang läutete auf natürliche Weise den Feierabend ein, sondern die Stechuhr. Die Exponate stammen in erster Linie aus dem Besitz der Vereinsmitglieder selbst. Über 15 Jahre hinweg wurden die edlen Chronografen und Chronometer, die sich preislich nicht selten in der Dimension eines gebrauchten Kleinwagens bewegen, zusammengetragen, archiviert und letztlich der Öffentlichkeit gezeigt. "Wir haben alle mal klein angefangen", sagt Wilhelm Weller, Gründungsmitglied des Freundeskreises alter Uhrmacherkunst, "das erste Stück, das jemand dem Museum zur Verfügung stellte, war oftmals der Wecker des eigenen Großvaters." Aber auch Leihgaben von Privatpersonen zieren die Vitrinen. So spendete der persönliche Fahrer des ersten saarländischen Ministerpräsidenten Johannes "Joho" Hoffmann einige wertvolle Stiluhren, die er auf den Flohmärkten von Paris ergattern konnte. Besonders stolz ist das Museum auf seine vollständige Sammlung so genannten Comtoise-Uhren, Wanduhren aus dem benachbarten Frankreich, die in der Regel im Besitz wohlhabender, bäuerlicher Familien waren.

Uhrmachers Haus ist alles andere als ein lebloses Museum. Das urige Bauernhaus mit dem gusseisernen Küchenherd und der Wasserpumpe aus dem 19. Jahrhundert erzählt eine Geschichte, die Geschichte der Familie Frantz, die von 1814 bis 1985 über Generationen hinweg das Uhrmacherhandwerk im Köllertal ausübte. "Früher gab es im Dorf höchstens zehn Uhren, die hin und wieder repariert werden mussten", schildert Ferdinand Mesarosch, "deswegen war man als Uhrmacher immer auf ein zweites Standbein, zum Beispiel in der Landwirtschaft, angewiesen. Vom Uhrmacherhandwerk allein konnte niemand leben."

Hintergrund

 Ein Birnen-Pendel, entnommen aus einer französischen Comtoise-Uhr. Foto: SZ/oldclockshop

Ein Birnen-Pendel, entnommen aus einer französischen Comtoise-Uhr. Foto: SZ/oldclockshop

Das Pendel oder auch Perpendikel sorgt bei einer mechanischen Uhr für das Weiterrücken des Zeigers im festgelegten Takt. Die Pendeluhr wurde um 1640 von Galileo Galilei erdacht, soll aber erst von seinem Sohn Vincenzo zum ersten Mal tatsächlich gebaut worden sein. Die eigentliche technische Umsetzung geht auf den niederländischen Astronom, Mathematiker und Physiker Christiaan Huygens (1629 - 1695) zurück. Das Prinzip der Pendeluhr beruht darauf, dass ein schwingendes oder rotierendes Pendel bei jedem Durchgang an einem bestimmten Punkt seines Wegs eine Aktion im Uhrwerk auslöst, in dem dann die Zeitanzeige um einen vorgegebenen Betrag, zum Beispiel eine Sekunde, weitergeschaltet wird. Das Pendel wiederum erhält vom Uhrwerk oder einem anderen Antrieb einen Impuls, um weiterzuschwingen. red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort