Mit sechs Punkten lesen lernen

Quierschied/Heusweiler. Die sensiblen Fingerkuppen von Dieter Petsch tasten über den "Stern" und die "Zeit". Für sehende Menschen grenzt es fast an ein Wunder, dass jemand aus der Kombination von nur sechs Punkten Buchstaben zu Wörtern fügen kann, und Wörter zu Sätzen

Quierschied/Heusweiler. Die sensiblen Fingerkuppen von Dieter Petsch tasten über den "Stern" und die "Zeit". Für sehende Menschen grenzt es fast an ein Wunder, dass jemand aus der Kombination von nur sechs Punkten Buchstaben zu Wörtern fügen kann, und Wörter zu Sätzen. Vor 200 Jahren wurde Louis Braille geboren, der Erfinder der nach ihm benannten Braille-Schrift, die Dieter Petsch da erfasst. Mit den "lesenden Händen" war es fortan blinden Menschen möglich, Zugang zu Informationen und Literatur zu erhalten und somit besser und weitgehend selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Seit 1879 ist die Blindenschrift von Louis Braille auch in Deutschland eingeführt.

Das Braille-Jahr zum Jubiläum neigt sich dem Ende zu, Grund genug, zusammen mit dem Heusweiler Dieter Petsch eine Bilanz zu ziehen. Dieter Petsch engagiert sich seit vielen Jahren im Blinden- und Sehbehindertenverein für das Saarland, hat unter anderem 15 Jahre verantwortlich "Das Saar-Echo" (eine Tonkassetten-Zeitung für Sehgeschädigte) gestaltet. Vor wenigen Tagen hat er aus familiären Gründen und aus Altersgründen ("ich werde nächstes Jahr 65, also trete ich ins Rentenalter ein"), sein Amt als Seniorenbeauftragter im Verein niedergelegt.

Mit fast 300 Veranstaltungen in ganz Deutschland hat man im Braille-Jahr an den genialen Menschen Louis Braille erinnert, und den "Gutenberg für Blinde" geehrt, wie Petsch es ausdrückte. Auch im Saarland fanden drei Veranstaltungen statt: in Quierschied, in St. Wendel und in Lebach. Herbert Reck, der Landesvorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Saarland, erläuterte im September in der Quierschieder Gemeindebücherei die Geschichte der Punktschrift. Es gab eine Blindenschrift-Lesung, und Hilfsmittel zum Druck der Blindenschrift wurden präsentiert.

"Man kann die Leistungen von Braille gar nicht genug würdigen", sagt Petsch. Er ist in früher Jugend erblindet und hat das Beste aus seiner Behinderung gemacht. Nicht nur, dass er ein gern konsultierter Gesprächspartner ist, er half vielen verzweifelten Menschen, die wegen ihrer Erblindung in psychische Schwierigkeiten geraten waren. Petsch selbst hat sich gut arrangiert. So lässt er sich zum Beispiel vom Küster der evangelischen Kirchengemeinde Heusweiler, Hartmut Feld, vor jedem Gottesdienst die Liednummern durchgeben. Ingeborg Petsch diktiert ihrem Gatten die Liedtexte, er überträgt sie in Braille-Schrift, so dass er im Gottesdienst, wie alle anderen Gläubigen auch, mitsingen kann. Fußballfan Petsch bekommt auch Spielpläne der 1. und 2. Bundesliga in Braille-Schrift, zusammengestellt von der Blindenstudienanstalt in Marburg, zudem einen Taschenkalender von der Deutschen Zentralbücherei für Blinde in Leipzig.

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