Mit Mut ans Tabuthema

Merzig. Die Freude steht der Buchhändlerin Ingrid Röder ins Gesicht geschrieben. Obwohl sie noch müde ist von der Reise zur Leipziger Buchmesse, wo die Buchhandlung Rote Zora am Donnerstag als "kreativste Kinderbuchhandlung 2012" ausgezeichnet wurde

 Anne Lehnert (l.), Ingrid Röder mit der Urkunde und Kinderbüchern zum Thema Trauer. Foto: Wimmer

Anne Lehnert (l.), Ingrid Röder mit der Urkunde und Kinderbüchern zum Thema Trauer. Foto: Wimmer

Merzig. Die Freude steht der Buchhändlerin Ingrid Röder ins Gesicht geschrieben. Obwohl sie noch müde ist von der Reise zur Leipziger Buchmesse, wo die Buchhandlung Rote Zora am Donnerstag als "kreativste Kinderbuchhandlung 2012" ausgezeichnet wurde. Zum ersten Mal hat damit eine saarländische Buchhandlung den Preis, den die Arbeitsgemeinschaft der Jugendbuchverlage (AVJ) seit 2004 vergibt, bekommen. Schon 2009 war die Buchhandlung von der Fachzeitschrift Buchmarkt auf der Frankfurter Buchmesse zur "Buchhandlung des Jahres" gekürt worden. "Das ist eine Belohnung für jahrelange Arbeit und beweist, dass diese etwas wert ist. Der Aufwand geht ja doch über den normalen Buchverkauf hinaus", sagt Ingrid Röder.Dabei war es eher ein tristes Thema, dem sich die Buchhandlung unter dem Titel "Schaut Oma uns vom Himmel aus zu?" angenommen hatte. Wie Kinder mit Abschied, Tod und Trauer umgehen und wie Bilderbücher dieses Thema aufgreifen - diese Frage sollten eine Wanderausstellung mit rund 40 Kinderbüchern in Kindergärten und Schulen und ein Vortrag mit dem Pastoralreferenten und Trauerbegleiter Jürgen Burkhardt beantworten, zu dem im November über 50 Zuhörer kamen - darunter Eltern, aber auch Lehrer und ältere Menschen. Die Rote Zora habe sich "mit großem Einfühlungsvermögen einem sensiblen und schweren Thema genähert" und "viel Kompetenz bewiesen", lobte die Jury der AVJ. Zudem sei die Aktion ausgesprochen gut vorbereitet gewesen.

Die Idee sei aufgrund der Nachfrage entstanden, sagt Röder. "Oft kamen Menschen nach einem Trauerfall und fragten nach Büchern. Am Anfang gab es da, auch bei der Beratung, viel Unsicherheit." Dabei hat Röder oft erlebt, dass das Sterben nach wie vor tabuisiert wird. "Der Tod ist ein Thema, das einem die Sprache verschlägt, über das man nicht gerne redet. Bilderbücher können Kindern helfen, ihre Empfindungen auszudrücken, die sie noch nicht artikulieren können." Den Erwachsenen helfen die Bücher, Kindern den Tod zu vermitteln. Denn Kinder, so Röder, gehen mit Trauer anders um. "Erwachsene tabuisieren den Tod oft, weil sie ihre Kinder nicht belasten wollen. Kinder sind vorbehaltloser und fragen nach: Ist Opa nun im Himmel oder im Sarg? Hat er einen Anzug an? Wie passt er in die Urne?", sagt Röder. Gerade das Thema Urnen-Verbrennung werde zwar immer aktueller, komme in Kinderbüchern jedoch selten vor. "Sich vorzustellen, dass ein Mensch verbrannt wird und nur noch Asche übrig bleibt, ist schon für Erwachsene schwierig. Für Kinder ist es noch schwieriger, zu verstehen, dass die körperliche Hülle plötzlich weg ist."

Oft gehen Kinderbücher über Tiergeschichten ans Thema Trauer heran - wie der Klassiker aus den 80er Jahren "Leb wohl lieber Dachs" von Susan Varley. "Mit Tieren können sich Kinder gut identifizieren, dennoch ist ein gewisser Abstand gegeben, weil der Trauerfall nicht eins zu eins wiedergegeben ist." Die Wanderausstellung kann ausgeliehen werden. Anfragen an die Rote Zora unter Telefon (0 68 61) 755 99.

rotezora.de

"Die Rote Zora hat sich mit Einfühlungs-

vermögen einem sensiblen, schweren Thema genähert"

 Ingrid Röder und ihre Mitarbeiterin Anne Lehnert (v. l.) bei der Preisverleihung am Donnerstag in Leipzig. Foto: Stadt Merzig

Ingrid Röder und ihre Mitarbeiterin Anne Lehnert (v. l.) bei der Preisverleihung am Donnerstag in Leipzig. Foto: Stadt Merzig

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