Mit der Perspektivlosigkeit kommt die WutVom Quartier für Bergleute zum Brennpunkt

Forbach. Ait Sama würde wohl nie ein Auto anzünden, obwohl er sehr verzweifelt ist. Seit sieben Jahren sucht der 29-Jährige Arbeit. Zwei Mal hatte er befristete Jobs. Der Forbacher aus dem Problem-Viertel Wiesberg lebt von Sozialhilfe, kann sich kein Auto leisten und wohnt immer noch bei den Eltern

 Tristesse in Pastelltönen: Insgesamt 15 halbkreisförmige Wohntürme prägen das Problemviertel Wiesberg in Forbach. Mittendrin das Sozialzentrum. Foto: Maria Wimmer

Tristesse in Pastelltönen: Insgesamt 15 halbkreisförmige Wohntürme prägen das Problemviertel Wiesberg in Forbach. Mittendrin das Sozialzentrum. Foto: Maria Wimmer

Forbach. Ait Sama würde wohl nie ein Auto anzünden, obwohl er sehr verzweifelt ist. Seit sieben Jahren sucht der 29-Jährige Arbeit. Zwei Mal hatte er befristete Jobs. Der Forbacher aus dem Problem-Viertel Wiesberg lebt von Sozialhilfe, kann sich kein Auto leisten und wohnt immer noch bei den Eltern. Wie viele Bewerbungen er geschrieben hat, weiß er nicht mehr - und dennoch ist es das einzige, was er tagsüber tun kann. In den Zeitarbeits-Firmen kennen sie ihn schon, die Antwort ist immer die gleiche: "Es ist sehr ruhig, wir haben nichts." "Ich kann nichts machen, ich dreh mich im Kreis, es macht einen verrückt!", sagt Sama. Dass eine 30-köpfige Gruppe Jugendlicher Ende Januar 17 Autos angezündet und mehrere Stromkästen zerstört hat, so dass die öffentliche Beleuchtung im Viertel ausfiel, findet er zwar nicht gut, aber er kann es verstehen. "Wir haben es satt. Man kann sich sonst kein Gehör verschaffen.""Die Jugendlichen wissen nicht, was sie machen sollen, also irren sie draußen herum oder kommen hierher", sagt Samira Tabet vom Sozialzentrum, das mitten im Viertel liegt. Gemeint sind die 18- bis etwa 25-Jährigen, die nicht mehr zur Schule gehen und keinen Job finden. Das Forbacher Viertel Wiesberg ist ein sehr junges Viertel, jeder Dritte ist unter 20 Jahre alt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 40 Prozent. "Es gibt keine Arbeit, das ist eine Katastrophe", sagt Tabet.

Die Angebote des Sozialzentrums richten sich an Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Die Älteren werden von einer Betreuerin bei der Berufsberatung in Sachen Bewerbungsschreiben und Lebenslauf unterstützt. Weil es jüngst so kalt war, wollten die Jugendlichen auch tagsüber im Zentrum bleiben, das für sie erst abends geöffnet wird - wegen mangelnder personeller Ressourcen, wie es heißt. Ihre Forderungen nach längeren Öffnungszeiten versuchte eine Gruppe Jugendlicher in der ersten Februarwoche mit Gewalt durchzusetzen. So wurde die Leiterin des Zentrums nach Informationen der Zeitung Républicain Lorrain (RL) in ihrem Büro festgehalten, so dass die Polizei eingeschaltet werden musste. Einen Tag später postierten sich Jugendliche zwischen 16 und 34 Jahren vor dem Rathaus, um außerdem mehr Angebote - vor allem beim Berufseinstieg - zu fordern, so der RL. Der Bürgermeister Laurent Kalinowski hörte sie an.

Dass Gewalt nicht geduldet wird, machte vor wenigen Tagen der Direktor der Vereinigung für Soziales und Sport im lothringischen Kohlebecken ASBH, die für das Sozialzentrum zuständig ist, Républicain Lorrain klar. "Regeln müssen respektiert werden", sagte Jean-Marie Hugelé. "Da versucht eine Minderheit, das Sozialzentrum zu vereinnahmen, die glaubt, dass es ihr gehört und die niemandem vertraut, der nicht aus dem Viertel kommt." Zudem wies er darauf hin, dass von 211 ASBH-Beschäftigten rund 30 in Forbach lebten - fünf davon in Wiesberg. Zudem würden elf Wiesberger in Eingliederungsmaßnahmen beschäftigt. Dass die Lage ernst ist, machen Personalvertreter im RL klar. "Was passiert ist und was noch passiert, ist unannehmbar", sagte Anne Danel. "Der Druck auf die Angestellten ist inakzeptabel. Es ist für sie sehr schwer, unter diesen Bedingungen zu arbeiten." Die Einrichtungen zu schließen, lehnt sie ab - dadurch würden Gruppen und Vereine bestraft. Foto: M. Wimmer

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