Mit dem "tram-train" quer durchs Rosseltal"Hochspannende" Ideen bei den Nachbarn

Forbach. Fürs Finale war nicht einmal eine Stunde nötig. Einstimmig, wie bereits berichtet, haben die Delegierten des lothringischen Zweckverbandes ein Dokument verabschiedet, das die Zukunft ihrer 47 Kommunen bis 2025 prägen wird: den "Scot" (siehe "Hintergrund") fürs Rosseltal, den ersten interkommunalen Entwicklungsplan im Département Moselle

Forbach. Fürs Finale war nicht einmal eine Stunde nötig. Einstimmig, wie bereits berichtet, haben die Delegierten des lothringischen Zweckverbandes ein Dokument verabschiedet, das die Zukunft ihrer 47 Kommunen bis 2025 prägen wird: den "Scot" (siehe "Hintergrund") fürs Rosseltal, den ersten interkommunalen Entwicklungsplan im Département Moselle. Der Weg dahin war freilich lang: Kommunalvertreter, Bürger und Planer haben seit 2006 diskutiert. Und er war langwierig: "Natürlich hat jede Kommune ihren Kirchturm verteidigt", sagt Paul Fellinger, Präsident des Scot-Zweckverbandes. Doch mit der Zeit sei klar geworden, dass die im Scot verabredete interkommunale Zusammenarbeit allen Partnern nütze. Auch wenn so nicht jeder Kommune jede Entwicklungsmöglichkeit offenstehe.Denn der Scot bedeutet auch eine Arbeits- und Chancenteilung: Was bereits da ist, wird ausgebaut. Und nicht nebenan neu geschaffen. Beispiele? Verkehrszentrum fürs Rosseltal, ganz klar, wird Forbach - ist die Stadt doch Haltepunkt für die schnellen TGV-Züge zwischen Paris und Saarbrücken. Regionaler Schwerpunkt-Ort für Krankenhäuser und dergleichen hingegen wird St. Avold, dort gibt es bereits spezielle medizinische Einrichtungen. Auch die Ansiedlung von Gewerbe und Freizeitanlagen ist geregelt, um Nachbarschaftskonkurrenz zu mindern.

Vier großen Themen haben sich die Scot-Kommunen verpflichtet. Das erste heißt "Parc du Warndt": Es geht um die In-Wert-Setzung der Wald- und Naturlandschaft, um grüne Räume für die Naherholung, um Landwirtschafts-Vielfalt, um die Reinhaltung von Luft und Wasser. Und, im Zusammenhang damit, um die Renaturierung von Industriebrachen und die Pflege des industriekulturellen Erbes. Kein Zufall daher, dass das Konzept dem Bergbaumuseum in Petite Rosselle und dem fesselnden alten Steinbruch in Freyming-Merlebach besondere Rollen zuweist: Leitprojekte, Zukunftsorte.

Zweites Thema ist der Verkehr: Eine Bahn, "tram-train" genannt, soll die Region künftig vernetzen. Bestehende Gleistrassen sollen wiederbelebt, neue hinzugefügt werden. Und zwar so, dass der "tram-train" den gesamten Raum erschließt; die Strecken liegen im Groben schon fest. Entlang der Bahn soll dann - Thema drei - die Wohnbebauung verdichtet, die Wohnqualität verbessert werden. Thema Nummer vier ist die Ökonomie. Neues Gewerbe, so sieht es das Konzept vor, soll vorwiegend auf Bergbaubrachen oder direkt nebenan entstehen, behutsam ergänzt durch neue Areale. Wiederum Vorfahrt für Bergbaumuseum und Steinbruch - auch die Lothringer setzen für den Strukturwandel nach dem Bergbau auf Naherholung und Tourismus.

Bei der Umsetzung des Ganzen werde die Bahn am Anfang stehen, sagt Fellinger. Zuerst mit einer Verbindung von Forbach nach Saarbrücken - "und das wird nicht lange dauern".Regionalverband. "Sehr spannend" sei sie, die lothringische Bahn-Idee, sagt Regionalverbandspräsident Peter Gillo (SPD). Das Konzept des "tram-train", Kernpunkt im Scot fürs französische Rosseltal, greife einen alten Gedanken neu auf: eine Verlängerung der Saarbahnlinie bis nach Forbach. Aber: "Es ist unklar, wer mitmacht bei der Finanzierung." Vor der Verwirklichung müsse wohl erstmal eine Machbarkeitsstudie her.

"Hochspannend" sei auch das lothringische Ziel, einen Regionalpark Warndt einzurichten, es korrespondiere mit Überlegungen auf deutscher Seite. "Wir haben den Sprung über die Grenze ja schon vollzogen", sagt Gillo: Die Warndt-Studie des Regionalverbandes beziehe auch den Steinbruch Freyming-Merlebach ein. Mit dem Scot sei jetzt "eine gute kulturelle Basis geschaffen für die weitere Entwicklung" im Warndt. Doch um die fruchtbar zu machen, müsse ein Zweckverband auf deutscher Seite her. Und da gebe es "widerstreitende Signale". Gemeint sind Saarforst-Landesbetrieb und Landesregierung: Ohne ihre Beteiligung, sagt Gillo, wäre es schwierig, das Regionalverbandskonzept von einem Landschaftskulturzentrum Warndt im Jagdschloss Karlsbrunn zu verwirklichen. Die französischen Warndtpark-Ideen geben dem Karlsbrunn-Vorhaben zusätzliches Gewicht: Denn so könnte ein Warndt-Zentrum grenzüberschreitend arbeiten und ausstrahlen.

Der Blick über die Grenze ist auch sonst längst selbstverständlich. Regionalverbandsvertreter waren dabei, als das Scot-Konzept erarbeitet wurde. Das Scot-Vorwort verweist ausdrücklich auf das deutsche "Regionalpark Saar"-Modell und den Eurodistrikt Saar-Moselle. "Projektbezogen" schaue auch der Regionalverband zu den Nachbarn, sagt Sven Uhrhan, Leiter der Regionalentwicklung. So überlege man gerade, einen neuen Wanderweg zum Steinbruch Freyming-Merlebach zu führen, auch in die bislang unerreichbare Tiefe. Systematische Zusammenarbeit werde leichter, wenn das französische Rosseltal - wie jetzt schon der deutsche Warndt - Leader-Förderregion der Europäischen Union werde, "darauf setzen wir".

Für handfeste Gemeinsamkeit sei es noch zu früh, fasst Gillo zusammen. Der lothringische Scot sei "ein gutes Konzept, das aber noch nicht finanziell hinterlegt ist". dd

Meinung

Die Bürger mitnehmen

Von SZ-RedakteurinDoris Döpke

Es ist schon erstaunlich. Der Warndt ist bekanntlich eine grenzüberschreitende Region, verbunden durch gemeinsame Geographie und Geschichte. Raumplaner schauen über die Grenze, wenn sie neue Konzepte erarbeiten - unerlässlich, denn lothringische und saarländische Zukunftskonzepte wirken sich auch auf der jeweils anderen Seite aus. Doch was später den Bürger-Alltag direkt berühren wird, geht - zumindest in den Anfängen - oft an den Bürgern vorbei: Über grenzüberschreitende Arbeit informieren Politik und Verwaltungen nur in Grenzen.

Der Scot fürs Rosseltal ist ein aktuelles Beispiel dafür. Alle wichtigen Dokumente kann man im Internet nachlesen - aber nur eins davon auf Deutsch. Der Regionalverband hat die französischen Konzept-Diskussionen mitverfolgt - aber davon kaum berichtet. Schade. Gerade bei Projekten im Grenzland sollten die Macher die Bürger mitnehmen, hüben wie drüben. Die Grenze mag nicht zählen; aber die Sprachbarriere ist hoch.

Hintergrund

Die Abkürzung Scot steht für "Schéma de cohérence territoriale", auf Deutsch "Plan des räumlichen Zusammenhangs". Er gibt Ziele und Leitlinien vor für die langfristige Entwicklung einer Region, über kommunale Grenzen hinweg. Die beteiligten Kommunen planen selbst. Scot-Vorgaben sind verbindlich; die Kommunen müssen lokale Pläne anpassen. Für Scot-Projekte gibt es staatliche Förderung.

Beim Scot Rosseltal haben sich vier Kommunalverbände mit insgesamt 47 Kommunen zusammengeschlossen. Scot-Entscheidungsorgan ist ein Syndicat mixte, ein Zweckverband, in den die Kommunalverbände Vertreter entsenden. Derzeit bereitet auch die Region Sarreguemines einen Scot vor. dd

scot-rosselle.com

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