Mit 62 Jahren das Abi bestanden

Im Herbst treffen sie sich wieder an der Uni beim Latein-Kurs: Ursula Bügler (62), Ellen Cyranski (52) und Eva Gross (50) haben am Abendgymnasium das Abitur gemacht.

Saarbrücken/Beckingen. Sophie (9) hat ihrer Oma schon gratuliert. Das Mädchen findet es "ganz toll", dass Ursula Bügler im Alter von 62 Jahren am Saarbrücker Abendgymnasium nach fünf Schuljahren - eine Klasse wiederholte sie wegen einer längeren Krankheit - das Abitur bestanden hat. "Sie ist die älteste Abiturientin, die ich je hatte", sagt der stellvertretende Schulleiter Wolfgang Rekrut über seine Schülerin.

Die Einzelhandels- und Bürokauffrau, die in Homburg- Limbach aufgewachsen ist und später in Saarbrücken eine Imbissbude betrieb, erfüllte sich, wie sie erzählt, einen Kindheitstraum. "In jungen Jahren wollte ich immer aufs Gymnasium. Aus finanziellen Gründen war dies damals aber nicht möglich." Als 2004 ein Kunde vom Abendgymnasium erzählte, war ihr Entschluss spontan gefasst. Deutsch und Biologie wählte Ursula Bügler als Leistungsfächer, Französisch als Fremdsprache, Geschichte und Erdkunde als Wahl- und Pflichtfächer. Chemie bereitete die meisten Probleme. Im Rückblick auf ihre späten Schuljahre sagt die Jung-Abiturientin: "Es war schlimmer als ich gedacht habe, aber das Ergebnis war besser als ich erwartet habe." Offen berichtet die Saarbrückerin, die jetzt Latein lernen will und eine Ausbildung zur Heilpraktikerin anstrebt, dass sie nach "persönlichen Niederlagen", sprich: schlechten Noten, aufgeben wollte. "Seelsorger" Rekrut hat sie wieder motivieren können.

Von solchen Phasen der Resignation erzählt auch Ellen Cyranski, gelernte Sekretärin. Die 52-Jährige lebt mit ihrer Familie in Dudweiler. Sie hat die allgemeine Hochschulreife nach vier Jahren mit einem Notendurchschnitt von 2,6 absolviert. Den Anstoß, nach Jahrzehnten wieder an vier Tagen die Woche von 17.15 Uhr bis 21.35 Uhr die Schulbank zu drücken und in der Freizeit Formeln und Vokabeln zu büffeln, gab ihr Ehemann. Cyranski: "Ohne ihn hätte ich es nie geschafft." Auch Tochter Carolin hat die Mama beim Pauken unterstützt. Das Arbeitspensum war enorm: "Ich bin mehrmals über meine Grenzen gegangen", erzählt die Frau, die wiederholt das Handtuch werfen wollte, letztlich aber durchhielt. Mit dem Abi-Zeugnis in der Tasche will die stellvertretende Schulsprecherin Latein lernen und Germanistik und Geschichte studieren.

Einen Latein-Kurs will auch Abiturientin Eva Gross (50) an der Uni belegen und später dann Altgriechisch. Die Fremdsprachenkorrespondentin, die in Beckingen-Düppenweiler mit ihrem Mann lebt und halbtags in der Verwaltung einer Gesellschaft des Landkreises Merzig-Wadern arbeitet, hat nach drei Jahren gemeinsam mit einer Mitschülerin das beste Abitur (Durchschnitt 1,4) abgelegt. Obwohl sie "höhere Mathematik als das Trauma" ihres Lebens bezeichnet. Sie räumt offen ein, dass sie ohne Nachhilfe durch die Tochter ihrer besten Freundin dieses Fach nie gemeistert hätte.

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