Miss Marple im Altenheim

Saarbrücken. Die alte Dame lächelt. Kurz nur, aber sie lächelt. "Die Musik ist schön, nicht?", fragt eine junge Frau im Dienstmädchenkostüm. Die alte Dame reagiert nicht. Sie scheint weit weg zu sein. Weit weg von den als Dienstmädchen verkleideten Mitarbeiterinnen des Seniorenheims am Schlossberg

 Die pensionierte Schauspielerin Ilse Christine Weber las im Altenheim-Nachtcafé einen Kurzkrimi vor. Foto: Martin Rolshausen

Die pensionierte Schauspielerin Ilse Christine Weber las im Altenheim-Nachtcafé einen Kurzkrimi vor. Foto: Martin Rolshausen

Saarbrücken. Die alte Dame lächelt. Kurz nur, aber sie lächelt. "Die Musik ist schön, nicht?", fragt eine junge Frau im Dienstmädchenkostüm. Die alte Dame reagiert nicht. Sie scheint weit weg zu sein. Weit weg von den als Dienstmädchen verkleideten Mitarbeiterinnen des Seniorenheims am Schlossberg. Weit weg von Ilse Christine Weber, die die gerade einen Miss-Marple-Kurzkrimi vorgelesen hat. Und weit weg von Armin Scherer, der auf seinem Keyboard die Dritte-Mann-Filmmusik spielt.

Armin Scherer, Ilse Christine Weber, die Dienstmädchen - sie alle sind Teil einer Inszenierung, die Elvira Grundhöfer "Nachtcafé Spezial" nennt. Grundhöfer ist Leiterin einer Gruppe, die sich als A-Team bezeichnet. Das A steht für Aktivierung. Die Aufgabe der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen: Die Bewohnerinnen und Bewohner der 62 Einzel- und 30 Doppelzimmer in Bewegung zu halten - geistig und körperlich.

Das ist besonders schwierig, wenn es Nacht wird im Altenheim. Und Nacht wird es in deutschen Altenheimen um kurz nach fünf am Nachmittag. Um 17 Uhr gibt es Abendessen, und danach ist der Tag zu Ende. "Es entsteht eine Zeitspanne vor dem Schlafen, in der die meisten älteren Menschen vor dem Fernseher sitzen. Für die einen ist das eine gute Beschäftigung, für andere allerdings nicht", sagt Irmtraut Müller-Hippchen vom Saarbrücker Winterberg-Klinikum, dem das Altenheim an der Schlossmauer gehört. So sei die Idee entstanden, ein Nachtcafé einzurichten.

Im November vergangenen Jahres begann der Test. Von 18 bis 23 Uhr wurde die Heim-Cafeteria geöffnet. "Das Ganze war zuerst gedacht für Demente, die sowieso wieder aufstehen und dann im Nachthemd rumrennen", erklärt Elvira Grundhöfer. Schnell habe sich gezeigt, dass es reicht, die Cafeteria bis 21 Uhr aufzulassen und während dieser Zeit Personal abzustellen, dass die alten Leute mit Getränken und Häppchen versorgt.

An einigen Abenden organisiert das A-Team dazu etwas Besonderes. Den Krimi-Abend etwa, zu dem sich die pensionierte Schauspielerin Ilse Christine Weber als Vorleserin eingefunden hat. Zu dem sich Heim-Mitarbeiterinnen im Stil der alten Agatha-Christie-Geschichten als Dienstmädchen verkleidet und das Café mit Fotos aus alten Schwarz-weiß-Krimis dekoriert haben.

Diese Liebe zum Detail sei "ein Ausdruck von Wertschätzung", sagt Grundhöfer. Und vielleicht rufen die alten Fotos, die Musik, Erinnerungen wach - "an früher, als sie abends Krimis geguckt haben und sich gegruselt haben", spekuliert die A-Team-Leiterin. Ob alle dem, was da liebevoll inszeniert wird, folgen können? "Das ist nicht so wichtig", sagt Grundhöfer. Die alten Leute können vielleicht der Geschichte, die vorgelesen wird, nicht folgen. Aber sie hören eine menschliche Stimme - und lächeln.

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