Hans seit einem Jahr im Amt Wie sich der junge Landesvater bisher schlägt

Saarbrücken · Ministerpräsident Tobias Hans ist heute ein Jahr im Amt. Er hatte einen reibungslosen Start, die Koalition läuft gut. Doch das Regieren im Saarland wird schwieriger werden.

Tobias Hans ist seit einem Jahr Ministerpräsident des Saarlandes
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Foto: BeckerBredel

Viel Zeit zum Eingewöhnen blieb dem Neuen nicht. Kaum war Tobias Hans heute vor einem Jahr als Ministerpräsident gewählt und vereidigt, musste der CDU-Mann das Saarland im Bundesrat in Berlin vertreten, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Antrittsbesuch empfangen und die Konferenz der Ministerpräsidenten leiten. Regieren lernen per Crash-Kurs.

Inzwischen ist etwas Routine eingekehrt, und selbst politische Gegner bescheinigen Hans, dass er in seinem Amt angekommen ist und sich bei öffentlichen Auftritten sicher bewegt. In der Staatskanzlei ist derweil ein neuer (Kommunikations-)Stil eingekehrt: Hans, mit 41 Jahren jüngster Ministerpräsident der Republik, ist die meiste Zeit online erreichbar. Hunderte Nachrichten verschicke er pro Tag an Minister und Mitarbeiter, schätzt er. „Man kann ein Land mit dem Smartphone regieren.“

Die Anekdote steht sinnbildlich für Hans’ Idee von der Zukunft des Landes. Wenn Hans etwas von seiner Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer unterscheidet, dann ist es der Ehrgeiz, das Saarland zum „digitalsten Bundesland“ zu machen. Hans sieht darin „die zentrale Zukunftschance für das Saarland“. Ein Satz wie von Kramp-Karrenbauer, dass ein selbstfahrendes Auto sie „nicht vom Hocker reißt“, würde Hans nie über die Lippen kommen, auch wenn er ihre Politik ansonsten ohne große Brüche fortsetzt.

Das erste Jahr hat der Ministerpräsident intensiv genutzt, um sich bei Hunderten Terminen bekannt zu machen. In seiner Partei ist er inzwischen unangefochten, das zeigt nicht nur sein Ergebnis von 95,5 Prozent bei der Wahl zum CDU-Landesvorsitzenden im Oktober. Der Rückgang der Mitgliederzahlen bei der Saar-CDU ist vorerst gestoppt (aktuell 16 259), unter Hans’ Führung konnte der Landesverband sogar wieder ganz leicht zulegen.

Auch die Zusammenarbeit in der großen Koalition hat sich nach anfänglichen Reibereien eingespielt. „Wir arbeiten gut zusammen und verstehen uns auch persönlich bestens“, sagt seine Stellvertreterin und mutmaßliche Herausforderin bei der Wahl 2022, Anke Rehlinger (SPD). Hans besitze zudem „die angenehme Art, sich im Zweifelsfall auch von besseren Argumenten überzeugen zu lassen“.

Das bislang größte Projekt der Koalition unter Hans ist der „Saarland-Pakt“. Mit der Idee, Städte und Gemeinden von einem Teil ihrer Kassenkredite zu befreien, war Hans im Frühjahr vorgeprescht. Die SPD setzte in den Verhandlungen durch, dass das Land nicht nur kommunale Schulden tilgt, sondern auch Investitionshilfen zahlt. „Ein bahnbrechender Erfolg“, sagt Hans. Auch das Verhältnis zur SPD-regierten Landeshauptstadt hat sich entspannt.

Mit der Entwicklung eines über die Grenzen des Saarlandes hinaus erkennbaren politischen Markenkerns tut sich Hans indes noch etwas schwer. Er selbst will „Politik ohne ideologische Scheuklappen“ betreiben. Wenn er über Tierschutz, sauberes Wasser, gute Luft oder den öffentlichen Personennahverkehr spricht, klingt er manchmal wie ein Grüner. Kommt er auf die Industrie zu sprechen, hört er sich eher nach IG Metall an, wenn er sagt, Umwelt- und Klimaschutz seien das eine, Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft aber das andere und nicht weniger wichtig.

Nach seinem reibungslosen Start warten allerhand Bewährungsproben auf den jungen Landesvater. Die Automobilindustrie, an der im Saarland 44 000 Jobs hängen, steckt in der Krise. Für die große Koalition sieht Hans daher weiterhin eine Existenzberechtigung, auch wenn sich das Bündnis ursprünglich als Projekt zur finanziellen Sanierung des Landes verstand. „Ich habe den Eindruck, dass das Schwierigste noch vor uns liegt“, sagt Hans mit Verweis auf den wirtschaftlichen Strukturwandel.

Um den Verlust von Jobs in der Industrie zu kompensieren, setzt der Regierungschef voll auf Digitalisierung. Das Saarland soll zum internationalen „Hotspot“ für IT-Gründer werden, wie er immer und immer wieder betont. Impulse, wie das künftig besser gelingen kann als bisher, erhofft sich Hans auch von Ammar Alkassar: Den ehemaligen Geschäftsführer des mit über 600 Mitarbeitern größten deutschen Cybersicherheits-Unternehmens Rohde & Schwarz Cybersecurity hat sich Hans 2018 als Innovationsbevollmächtigten in die Staatskanzlei geholt – ein Überraschungs-Coup.

Auch bei einem zentralen Projekt der Landesregierung, dem Stellenabbau im öffentlichen Dienst, droht dem Ministerpräsidenten Ungemach. Die Geduld der Gewerkschaften ist arg strapaziert. Der Vorsitzende des Beamtenbundes, Ewald Linn, hat Hans bereits damit gedroht, aus den gemeinsamen Gesprächen auszusteigen, wenn das Land die Beamten bei den Gehältern nicht besser behandelt und den Stellenabbau im nächsten Jahr nicht stoppt.

Eine Bewährungsprobe wird schließlich auch sein, die Bundesregierung davon zu überzeugen, dem Saarland dabei zu helfen, den Anschluss an andere Regionen zu finden. Wenn das Bundeskabinett im Frühjahr über Strukturhilfen für die Kohle-Regionen entscheidet, wird sich zeigen, wie groß sein Einfluss in Berlin ist. Gleiches gilt für die Beschlüsse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“.

Mit Tobias Hans hat ein neuer Stil in der Staatskanzlei Einzug gehalten. Kommuniziert wird vorrangig über das Smartphone.

Mit Tobias Hans hat ein neuer Stil in der Staatskanzlei Einzug gehalten. Kommuniziert wird vorrangig über das Smartphone.

Foto: imago/photothek/imago stock

Hans ist im Schnitt fast jede Woche einmal in Berlin, er sagt, man dürfe nicht unterschätzen, wie wichtig das sei, um die Interessen des Landes zu vertreten. Aber zu jeder nächtlichen Krisensitzung mit Horst Seehofer nach Berlin zu eilen und dafür Termine im Saarland abzusagen, „das würde ich nicht mehr machen“, sagt Hans. Als Vater von fünf Monate alten Zwillingen sind die Nächte zu Hause schließlich aufregend genug.

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