Ministerium will aus Finanzamt-Fehler Konsequenzen ziehen

Saarbrücken. Er ist schon jetzt einer der Glückspilze des Jahres: der Saarländer, der eine zu hohe Steuererrückzahlung von 85 000 anstatt 400 Euro behalten darf, weil das Finanzamt seinen Fehler zu spät bemerkte. Frist verstrichen, sagte der Bundesfinanzhof (BFH) in München. Im Internet wurde darüber rege diskutiert

 Hier geschah der Tipp-Fehler: Das Saarbrücker Finanzamt Am Stadtgraben. Foto: Iris Maurer

Hier geschah der Tipp-Fehler: Das Saarbrücker Finanzamt Am Stadtgraben. Foto: Iris Maurer

Saarbrücken. Er ist schon jetzt einer der Glückspilze des Jahres: der Saarländer, der eine zu hohe Steuererrückzahlung von 85 000 anstatt 400 Euro behalten darf, weil das Finanzamt seinen Fehler zu spät bemerkte. Frist verstrichen, sagte der Bundesfinanzhof (BFH) in München. Im Internet wurde darüber rege diskutiert. "Mensch, wenn mir das doch auch mal passieren würde!", wünschten sich viele. Eher unwahrscheinlich, sagt das saarländische Finanzministerium. Denn der Fehler entstand, weil ein Mitarbeiter im Finanzamt Am Stadtgraben in Saarbrücken eine Zahl falsch in den Computer tippte. Inzwischen würden die Daten aber nicht mehr per Hand eingegeben, sondern vom Arbeitgeber elektronisch an die Finanzämter übertragen. Außerdem überprüfe ein Computerprogramm für jeden Bescheid, ob die Berechnungen plausibel sind, und schlägt bei Auffälligkeiten Alarm.Was genau war eigentlich geschehen? Zunächst nahm alles seinen gewohnten Lauf. Für das Jahr 1997 reichte der Saarbrücker seine Steuererklärung ein und erhielt laut Bescheid eine Rückzahlung von rund 3600 DM. 1999 änderte das Finanzamt den Bescheid zum ersten Mal, zu Ungunsten des Steuerzahlers, der nun etwa 660 DM nachzahlen musste. Dagegen legte er Einspruch ein, dem das Finanzamt zustimmte. Erneut wurde der Bescheid geändert - und dabei unterlief der entscheidende Fehler. Beim Übertrag der gezahlten Lohnsteuer geriet eine Null zu viel in den Betrag und so hatte der Saarbrücker plötzlich rund 150 000 anstatt 15 000 DM Lohnsteuer gezahlt. Dementsprechend fiel auch die Erstattung mitsamt angefallenen Zinsen um ein Vielfaches höher aus. Im Juli 2002 schüttete das Finanzamt den Geldsegen von rund 85 000 Euro aus und schloss den Fall ab. Wäre alles korrekt gelaufen, hätte der Saarbrücker etwa 400 Euro bekommen.

Der Glückliche übte sich im Genießen und Schweigen. Sechs Jahre lang, dann fiel der Fehler bei einer internen Prüfung hoher Steuerrückzahlungen auf. Das Finanzamt forderte das Geld zurück, doch der Steuerzahler zog dagegen vor Gericht. Das Finanzgericht Saarbrücken entschied zugunsten der Behörde (Az: 2 K 1207/10), aber vor dem BFH erhielt der Kläger Recht (VII R 55/10). Er darf das Geld behalten.

BFH-Sprecher Eckart Ratschow sieht darin eine richtungweisende Entscheidung. "Der Fall ist nicht nur wegen der skurrilen Geschichte interessant, sondern auch wegen des juristischen Gewichts", sagt er. Es liegen zwei verschiedene Bewertungsgrundlagen vor. Das Saarbrücker Gericht entschied, dass die Verjährungsfrist erst dann beginnt, wenn das Finanzamt von seinem Fehler Kenntnis nimmt. Nach Ansicht des BFH läuft die Uhr ab der Ausstellung des Steuerbescheides. Das Geld darf nicht mehr zurückgefordert werden, wenn mehr als fünf Jahre verstrichen sind. "Der BFH würde in ähnlichen Fällen wieder so entscheiden und die Finanzgerichte schließen sich oft dem Urteil des BFH an", sagt Ratschow.

Für die Finanzämter heißt es jetzt: Immer genau nachrechnen. Das Saar-Finanzministerium hat aus dem Fall Konsequenzen gezogen und bessere Maßnahmen zur Verfahrensabsicherung ausarbeiten lassen. Die Kontrollen wurden ausgeweitet.

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