Mettlach zeigt: Waschen will gelernt sein

Mettlach. Mutti Fuchs steht am Zuber, Sohnemann hat sich ein Stühlchen herangerückt, um seine Waschschüssel zu erreichen. Ein liebevoll-humoristisch gezeichnetes, ins Tierleben entrücktes Familien-Idyll der 1920er Jahre, eigens für Kinder erfunden. Es könnte wohl heute noch in einem Bilderbuch auftauchen. Hier wurde es auf Keramik gedruckt

Mettlach. Mutti Fuchs steht am Zuber, Sohnemann hat sich ein Stühlchen herangerückt, um seine Waschschüssel zu erreichen. Ein liebevoll-humoristisch gezeichnetes, ins Tierleben entrücktes Familien-Idyll der 1920er Jahre, eigens für Kinder erfunden. Es könnte wohl heute noch in einem Bilderbuch auftauchen. Hier wurde es auf Keramik gedruckt. Die Vorlage, der Künstler? Unbekannt, sagt Ester Schneider, Leiterin des Keramikmuseum des Mettlacher Traditions-Unternehmens V & B. Was heute Sammlerstück ist, war damals Massenware. Denn mit der Großbürger-Kultur und deren Eigen-Stolz erlebte ab der Gründerzeit nicht nur die Pädagogik ihren Aufschwung, man ließ sie sich auch richtig was kosten. Kinder hatten nicht nur ihr eigenes Waschgeschirr, sondern zusätzlich auch eine Miniatur-Ausführung für Puppen, später kamen sogar Spielzeug-Badestuben hinzu. Zwei dieser nur selten erhaltenen Stücke sind in Mettlach ausgestellt, gemeinsam mit x-anderen Waschgeschirren im Kleinformat, die mehrheitlich aus einer lothringischen Privatsammlung stammen. Eine sensationelle Präsentation, erlaubt sie uns doch den Blick auf ein sehr spezielles und eher unbekanntes Stück Alltagsgeschichte.

Angesichts von Becherchen und Schälchen samt zentimetergroßen Zahn- und Haar-Bürsten und pralinengroßen Schwämmen taucht man ab in eine "Schneewittchen"-Zwergenwelt. Ob des kitschigen oder karikierenden Strichs bei wanderndem Jungvolk und angelnden Igeln fühlt man sich wie bei Zille oder Busch. Klapp-Tafeln erläutern den Fortschritt der Hygiene-Entwicklung, zeigen Kurioses wie Leibstühle oder transportable Kopfduschen. Nachzulesen ist der Weg vom ausgefeilten römischen Abwasser-Kanalsystem über die mittelalterlichen Burgen-"Abtritte" bis hin zur Rokoko-"Toilettenkultur". Man wechselte die Unterwäsche statt zu baden, das Parfüm erschlug den Gestank, Puder ließ man an die Haut, nicht aber Wasser. Jedes Haus war ohne Bad und WC, keines ohne "Toilettentisch". Zwar hatte 1775 Alexander Cummings das erste Wasserklosett erfunden, doch dessen Siegeszug brauchte 175 Jahre. Erst in den 1950er Jahren wurden Zimmer-Waschplätze beziehungsweise "Nasszellen" zur Norm. Sanitärproduktion, das wird deutlich, ist von Sozialgeschichte nicht zu trennen. Wie viel gäbe es zu erzählen. Doch dafür ist in Mettlach zu wenig Platz. Nur fünf Vitrinen hat Esther Schneider zur Verfügung, keine einzige Inszenierungs-Fläche. Sie muss ihre Sonderschau in die Ständige Sammlung hineinmontieren, letztere ebenfalls jeden Blickes wert. Wie viele ungehobenen Schätze warten auf Aufbereitung, wie könnte alles funkeln.

Bis 29. August; Keramikmuseum in der Alten Abtei, Saaruferstraße, Mettlach; Montag bis Freitag neun bis 18 Uhr; Sa./So 9.30 bis 18 Uhr.

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 Kinder-Waschgeschirr, ein Ausstellungsstück der Mettlacher Schau. Foto: V& B

Kinder-Waschgeschirr, ein Ausstellungsstück der Mettlacher Schau. Foto: V& B

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