Serie Mit dem Winzer durch das Jahr Winzer faulenzen im Winter nicht

Perl · Im Tank arbeitet die Hefe auf Hochtouren am Most, den die Winzer im Herbst produziert haben.

 Im Winter werden einige Rebstöcke gerodet.

Im Winter werden einige Rebstöcke gerodet.

Foto: Nina Drokur

Auxerrois, Grauburgunder, Elbling – Weine, die unsere Region auszeichnen. Aber wie wird aus der Traube am Rebstock an der Obermosel der feine Tropfen, von dem der durchschnittliche Deutsche 20 Liter im Jahr genießt? Und was arbeitet ein Winzer eigentlich, während der Most im Tank gärt oder der Wein im Fass reift? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, begleitet die SZ den stellvertretenden Winzerpräsidenten des Saarlandes, Peter Petgen, durch alle vier Jahreszeiten. Der zweite Teil der Serie führt zum Weinberg und in den Weinkeller des Weinguts Karl Petgen in Nennig.

 Dario Thiel und Leszek Pikula reißen mithilfe eines Traktors Pfähle und alte Rebstöcke aus dem Boden.

Dario Thiel und Leszek Pikula reißen mithilfe eines Traktors Pfähle und alte Rebstöcke aus dem Boden.

Foto: Nina Drokur

Frostige zwei Grad und eisiger Wind lassen den Herbst aber schon vergessen. Leszek Pikula hat die Kapuze seiner beigen Arbeitsjacke tief ins Gesicht gezogen. Kollege Dario Thiel sitzt etwas windgeschützter im Traktor. Am Löffel des Treckers ist eine massive rote Zange befestigt. Pikula greift mit ihren spitzen Zähnen um einen alten Rebstock. Mit einem kräftigen Ruck ziehen Traktor und Mensch die Wurzel aus dem Boden. Alle etwa 30 bis 40 Jahre müssen alte Rebstöcke durch neue ersetzt werden, erklärt Peter Petgen. In diesem Fall aber handelt es sich um eine Parzelle, die Petgen erst kürzlich erworben hat und bald neu bepflanzen möchte.

 Anschließend schneiden die beiden Mitarbeiter Dario Thiel und Leszek Pikula die Triebe mit elektrischen Scheren.

Anschließend schneiden die beiden Mitarbeiter Dario Thiel und Leszek Pikula die Triebe mit elektrischen Scheren.

Foto: Nina Drokur

Einen halben Tag waren die Winzer schon mit dem Schneiden der dünneren Äste und dem Entfernen der Drahtzäune beschäftigt. Einen halben Tag reißen sie bereits Pfähle und Wurzeln aus dem Boden. Das Areal sieht ziemlich trist aus. Die dicken grauen Wolken, die über dem Weinberg an der Mosel hängen, machen das Bild auch nicht fröhlicher. Das wird sich im Frühjahr wieder ändern, verspricht der Winzer. Vor dem ersten Frost wollen sie den Boden noch pflügen, wenn es dann wieder wärmer wird, werden die neuen Pflanzen gesät.

 Stephan Zilliken nimmt eine Probe aus einem Tank.

Stephan Zilliken nimmt eine Probe aus einem Tank.

Foto: Nina Drokur

Später kümmern sich Pikula und Thiel noch um den Rebschnitt. Mit einer elektrischen Schere kürzen sie jeden Stock auf zwei Triebe. „Eine Knopse bedeutet ein Trieb“, sagt Thiel und zeigt auf einen Ausläufer mit sieben Knospen. „Würde man den Stock so wachsen lassen, hätte man im ersten Jahr wohl einen Mordsertrag“, sagt der 23-Jährige, „aber die Qualität wäre entsprechend schlecht, und nach ein paar Jahren ist der Stock verholzt und gibt keine Trauben mehr.“ Deshalb lassen die Winzer nur ein bis zwei „Fruchtruten“, wie sie es nennen, stehen. Mit schlammigen Schuhen und von der Kälte roten Nasen machen sich die beiden im Akkord über die restlichen Triebe her. Ein leises mechanisches Surren begleitet sie. Die Schnitte werden gehäckselt und bleiben als Dünger an Ort und Stelle. 40 Prozent der Rebschnittarbeit liegt bereits hinter ihnen.

 Der Weinbautechniker misst den Grad Oechsle dieser Weinprobe.

Der Weinbautechniker misst den Grad Oechsle dieser Weinprobe.

Foto: Nina Drokur

Mitte Januar sind sie schätzungsweise fertig. „Schneiden ist gute Arbeit, nicht wahr, Leszek?“, sagt Thiel, sein Kollege nickt. Trotz der eisigen Temperaturen. „Man versucht, sich das schon einzuteilen“, sagt der Winzergeselle. Die Tage mit strömendem Regen oder Schnee versuchen sie nach Möglichkeit mit Arbeiten im geschützten Keller zu füllen. Bis zum Frühjahr werden sie noch die Drähte, an denen die Rebstöcke entlang gepflanzt sind, nachspannen und einige marode Holzpfähle durch Edelstahlpfähle ersetzen.

 Filtration des Weins: rechts der trübe ungefilterte Wein und links das klare, fast fertige Produkt.

Filtration des Weins: rechts der trübe ungefilterte Wein und links das klare, fast fertige Produkt.

Foto: Nina Drokur

Für Peter Petgen geht es zurück ins Weingut. Dort gibt es immer etwas zu tun. Und wenn nicht, brummt zumindest die Etikettier-Maschine im Erdgeschoss des Weinguts. Flasche um Flasche läuft über das Band und findet am anderen Ende ihren Weg in die schwarze Box mit dem goldenen Logo des Weinguts.

 Die Hefe bleibt im Tank zurück. Aus ihr wird später Schnaps gebrannt.

Die Hefe bleibt im Tank zurück. Aus ihr wird später Schnaps gebrannt.

Foto: Nina Drokur

Im gefliesten Keller des Hauses in der Moselstraße regiert hingegen die Stille. Nur hier und da blubbert es. Kohlensäure, die aus den glänzenden Edelstahltanks entweicht, wo die Trauben, die das Team im Oktober geerntet hat, gären. Und ab und an pfeift Stephan Zilliken ein Liedchen. Seit sieben Jahren ist er die rechte Hand von Peter Petgen, wie er sagt. In einigen Tanks hat die Hefe ihren Dienst schon geleistet. Peter Petgen hat sie mit einem X aus Kreide markiert. An anderen prangt ein S. „Das steht für süß“.

Vom Weingut Karl Petgen wünschen sich die Kunden trockene Weine. Das sind, so erklärt es Zilliken, alle Weine zwischen null und neun Grad Oechsle, also Restzucker von bis etwa neun Gramm pro Liter. Weinbautechniker und Kellermeister Stephan Zilliken überprüft die Tanks fast jeden Tag.

Bei der alkoholischen Gärung wird Zucker in Alkohol und Kohlensäure umgewandelt. Zu viel Kohlensäure kann die Gärung aber blockieren. Wo die Gärung ins Stocken geraten ist, hilft der Kellermeister nach. Etwa mit einem Heizgerät, um die Temperatur etwas zu erhöhen. Oder er rührt mit einem speziellen Gerät die Kohlensäure raus.

Im späteren Wein wird es dennoch leicht prickeln, denn bei der weiteren Gärung entsteht wieder neue Kohlensäure, erläutert der 39-Jährige. Die entweicht durch ein durchsichtiges Röhrchen, das mit Wasser gefüllt ist, das sogenannte Gärröhrchen. „Die Kohlensäure kann raus, aber die Mücken nicht herein“, sagt Zilliken. Um zu testen, wie weit die Gärung vorangeschritten ist, muss der Winzer jeden oder wenigsten jeden zweiten Tag eine Probe nehmen. Zilliken nimmt sich dazu einen langen schmalen Messbecher zur Hand. Dreht den Hahn eines Tanks mit Grauburgunder auf und fängt die trübe Flüssigkeit mit dem Becher auf. Stephan Zilliken, steigt die Leiter zum Tank hinauf.

Als er das Gärröhrchen zieht, ploppt es laut. „Da merkt man schon, dass die Hefe im Tank noch arbeitet“, sagt Zilliken und schüttet den abgezapften Saft wieder zurück. Wegen der Rückstände im Zapfhahn misst er erst die zweite Probe. Also geht es für den 39-jährigen erneut die Leiter hinunter, erneut zapft er einen Messbecher voll. Stellt ihn auf einem metallenen Tisch ab. Dann kommt das spezielle Messgerät zum Einsatz – es sieht einem Thermometer etwas ähnlich.

Drei Tage zuvor hat er 20 Grad Oechsle gemessen. Er rührt schnell ein paar Mal um, damit noch etwas Kohlensäure weicht und das Messgerät versinkt. Stephan Zilliken schaut über die Ränder seiner Brille und stellt fest: 17 Grad Oechsle. Er überprüft die Temperatur: „Es sind 19 Grad Celsius. Bei 20 Grad würde es exakt stimmen, wir müssen also nicht viel abziehen“. Er notiert die Zahl in seinem Notizbuch und mit Kreide auf dem Tank. Drei Grad Oechsle in drei Tagen scheinen ihn zufrieden zu stimmen. So überprüft er vom Chardonnay über den Auxerrois bis hin zum Weißburgunder, Leiter auf, Leiter ab, jeden Behälter. In einigen Tanks ist die Gärung bereits abgeschlossen. Beim Elbing zum Beispiel.

Durch Schläuche wird die erste Fuhre Elbling bereits in die Füllhalle gepumpt. Ein Tank hat zwei Abläufe. Einen Klar- und einen Restablauf zeigt Zilliken. Die Pumpe bedient er ganz lässig mit einer Fernbedienung. „Praktisch, wenn man gerade auf der Leiter steht“, sagt er. Als die Pumpe abschaltet, öffnet er den Tank. Am Boden hat sich die beige Hefe abgesetzt, durch ein bisschen Restwein erstrahlt sie in leuchtendem Gelb. Durch den Restablauf findet auch noch der letzte Tropfen seinen Weg in die Füllhalle. Die Hefe kommt bald in die Brennerei und wird zu Hefeschnaps verarbeitet.

Der Elbling hat sich indes seinen Weg durch die dicken Schläuche ein Stockwerk höher gebahnt. Dort wartet Lohnarbeiter Günther Gindorf mit seiner Filtrationsmaschine. Der Fachmann sagt dazu „cross-flow-filter“. Seit drei Jahren wird diese Technik im Weingut Karl Petgen genutzt. In vier langen Glasröhren sind ockerfarbene Membrane aus Kunststoff gespannt. Wie Spagetthi sehen sie aus. Dort läuft der Wein hindurch. Alles, was später nicht in die Flasche gehört, etwa Resthefe oder gar Bakterien, bleibt in der Membran hängen. 2000 Liter Wein können so pro Stunde gefiltert werden. Zeigt das Gerät an, dass es weniger wird, hat sich bereits einiges in der Membran angesammelt und Gindorf muss kurz durchspülen, um sie wieder freizumachen.

Früher musste der Wein drei Mal gefiltert werden, insgesamt fünf Mal bewegt. Heute nur noch zwei Mal. „Jede Bewegung bedeutet Alkohol- und damit Aromaverlust“, erklärt Petgen. 16 000 Liter Elbing laufen gerade durch die Maschine.

Was es bei der Abfüllung zu beachten gilt, erklärt Peter Petgen im nächsten Teil.

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