Vom Kirchturm ins Haus des Gastes Küster erledigte das Aufziehen

Weiskirchen. Bei dem historischen Schlagwerk der Turmuhr der Weiskircher Kirche befinden sich in einem Grundrahmen aus Gusseisen drei Seiltrommeln, an denen schwere Zuggewichte hängen, die dem Antrieb der Uhr und des Schlagwerkes dienen.So regelt der mittlere Antrieb die Bewegung der Uhr

Weiskirchen. Bei dem historischen Schlagwerk der Turmuhr der Weiskircher Kirche befinden sich in einem Grundrahmen aus Gusseisen drei Seiltrommeln, an denen schwere Zuggewichte hängen, die dem Antrieb der Uhr und des Schlagwerkes dienen.So regelt der mittlere Antrieb die Bewegung der Uhr. Die linke Seiltrommel ist für den Antrieb der Glockenschläge für die vollen Stunden verantwortlich, der rechte Antrieb für die Viertelstundenschläge.

Im rein mechanischen Betrieb mussten die Gewichte, die an Stahlseilen hingen, zirka alle zwei Tage mit einer Handkurbel wieder aufgezogen werden.

Um die Laufzeiten der Uhr zu verlängern, wurden die Seile über Umlenkrollen geführt, die an der Decke befestigt waren.

Das Aufziehen war eine mühevolle Arbeit und musste in der Regel vom Küster bewerkstelligt werden. Außerdem war die Ganggenauigkeit von mechanischen Uhrwerken nicht besonders hoch, so dass alle paar Tage eine Nachjustierung der Uhrzeit notwendig wurde.

Gäste klagten

Aufgrund dieser bauartbedingten Nachteile erhielt das Schlagwerk der Weiskircher Turmuhr später einen elektrischen Antrieb. Ein kleiner Elektromotor übernahm das Aufziehen der Seilgewichte. Diese Maßnahme verbesserte auch die Ganggenauigkeit.

Da Weiskirchen sich seit Mitte der 60er Jahre verstärkt dem Tourismus widmete, richteten immer wieder Beherbergungsbetriebe Klagen an die Gemeinde, dass sich Gäste während der Nachtstunden durch die Glockenschläge der Turmuhr belästigt fühlen würden.

Daraufhin beschloss der Gemeinderat am 25. Januar 1972, "dass die Uhr so zu modifizieren ist, dass in der Zeit von 22 Uhr bis sechs Uhr das Schlagwerk abgestellt werden kann".

Im Jahre 1993 wurde eine elektronische Hauptuhr eingebaut. Ende des Jahres 1995 wurde das alte mechanische Schlagwerk außer Betrieb gesetzt. esWeiskirchen. Auch wenn sie sich mit altem Eisen wochenlang beschäftigten, gehören sie selbst noch lange nicht zum Selbigen - drei Kameraden der Altersabteilung der Feuerwehr der Gemeinde Weiskirchen. Mit Elan, aber gleichzeitig mit Akribie, gingen die Hauptlöschmeister a. D. Matthias Reinert und Franz Josef Ott sowie der Gemeindewehrführer a. D. Karl Josef Kasch zu Werke, als sie das alte Schlagwerk der Weiskircher Turmuhr wieder auf Vordermann brachten: Ein Schmuckstück ist entstanden.

Als im Herbst des vergangenen Jahres der Glockenstuhl der Weiskircher Pfarrkirche St. Jakobus der Ältere erneuert werden musste, entdeckte man im Turm ein Relikt, das jahrzehntelang im 15-Minuten-Takt den Weiskirchern die Stunde geschlagen hatte. Ein Stockwerk unterhalb des Glockenstuhles fristete das Schlagwerk ein trauriges Dasein, denn seit der Umstellung der Uhr auf elektrischen Antrieb und elektronische Zeitkontrolle hatte das mechanische Schlagwerk ausgedient.

1952 hatte es der damalige Gemeinderat auf Antrag von Pastor Fritz Stabler angeschafft. Bis 1995 war es in Betrieb. Der Beschaffungspreis, so ist aus alten Unterlagen ersichtlich, belief sich damals auf 350 000 französische Franken.

Was mit diesem raffinierten Werk der Mechanik tun? Für den Schrotthändler war es einfach zu schade. Bürgermeister Werner Hero hatte die rettende Idee: "Wir haben doch unser Mädchen für alles, unsere Feuerwehr." Da Hero selbst einst aktiver Feuerwehrmann im Löschbezirk Weiskirchen war und heute der Altersabteilung angehört, bat er er um Unterstützung.

Spontan erklärten sich Matthias Reinert, Franz Josef Ott und Karl Josef Kasch bereit, ihrem ehemaligen Kameraden und heutigen Chef der Wehr unter die Arme zu greifen.

"Zunächst, so war die Aufgabenstellung, sollte das Schlagwerk nur demontiert, aus dem Kirchtum herabgelassen und wieder zusammengesetzt werden", erzählt Kasch.

Doch schon bei der ersten Besichtigung war für die jung gebliebenen Wehrleute der Altersabteilung klar: "Da machen wir was draus. Das gute alte Stück in die Ecke stellen, dafür ist es doch wirklich zu schade."

Zuerst galt es, das Schlagwerk in einzelne Baugruppen zu zerlegen und mit Seilen aus dem Kirchturm herabzulassen.

Danach brachte man die Teile in die Werkstatt des Feuerwehrgerätehauses, um es dann komplett zu zerlegen - bis auf die letzte Schraube. Von Staub, Rost und Fett zu befreien. "Mit Schmirgelpapier, Drahtbürste, aber zuweilen auch mit dem Dampfstrahler gingen wir zu Werke", schildert der ehemalige Gemeindewehrführer das Prozedere.

"Spontan haben auch einheimische Handwerker angeboten, ihre Einrichtungen und Maschinen zu benutzen, wann immer es erforderlich ist", lobt Kasch die Hilfsbereitschaft.

Mittlerweile hatte man sich in Internetforen und auch beim Hersteller des Schlagwerkes, der Firma Paul Vortmann in Recklinghausen, kundig gemacht und Einzelheiten erfragt.

Auch hatte man einen Platz gefunden, wo das gute alte Stück seinen neuen Platz finden sollte. Michael Diversy, Leiter der Kurverwaltung, bot als Standort für das "Schätzchen", wie er das "raffinierte Räderwerk" nannte, den Eingangsbereich im Haus des Gastes an. Dem schicken Ambiente musste sich selbstverständlich das Outfit der Maschinerie anpassen. Alle Teile wurden lackiert, natürlich in Originalfarben, und nach dem Trocknen wieder zusammengesetzt.

"Lediglich die drei Zuggewichte, die verantwortlich waren für den Antrieb der Uhr sowie für die Viertel- und vollen Stundenschläge, mussten durch Nachbildungen ersetzt werden", verrät Kasch.

Kurz vor Weihnachten war's dann vollbracht: Die Arbeit war beendet, und sie hat sich gelohnt. Unweit seiner alten Wirkungsstätte steht das eiserne Stück jetzt im Haus des Gastes und ist zu einem Blickfang geworden. "Das Interesse der Besucher ist riesig", freut sich Kurdirektor Diversy. Dieser Tage übergaben die Feuerwehrkameraden die Kurbel, mit der das Werk aufgezogen wurde, an Bürgermeister Werner Hero.

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