Weiskirchen Flugblätter der Weißen Rose rieseln herab

Weiskirchen · Bei der Gedenkfeier zum Volkstrauertag in Weiskirchen erinnern Mitglieder der Jugendkirche MIA an die NS-Opfer.

 Weiße Rosen zum Gedenken: Jörg Mang (rechts) liest dazu die Seligpreisungen vor.

Weiße Rosen zum Gedenken: Jörg Mang (rechts) liest dazu die Seligpreisungen vor.

Foto: Dieter Ackermann

Des eisigen Winters unter strahlender Wintersonne hätte es gar nicht bedurft, für Gänsehaut sorgte bei der Gedenkfeier am Sonntag anlässlich des Volkstrauertages auf dem Weiskircher Ehrenfriedhof schon die beeindruckende Gestaltung dieser Feierstunde unter dem Mahnmal für die Gefallenen der Kriege. Jörg Mang, Gemeindereferent der Pfarreiengemeinschaft Weiskirchen, hatte sich mit jungen Leuten aus dem MIA-Team, Alena Becker, Lea Thewes, Emily Vontz und Marcel Josten, einiges einfallen lassen, um die Feierstunde am Sonntag zu etwas Besonderem werden zu lassen: „Wir wollen an diesem Sonntag das Erinnern – Mahnen – Widerstehen in den Fokus rücken.“

Begrüßung und Schlusswort übernahm vor vielen Besuchern Bürgermeister Werner Hero. Für die musikalische Begleitung sorgten der Männergesangsverein Weiskirchen sowie der Musikverein „Harmonie“ Rappweiler-Zwalbach. Weitere „symbolische Hauptdarsteller“ waren die jungen Studenten, die sich in der Nazizeit zur Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ zusammengeschlossen hatten.

Diese Gruppe verbreitete im Sommer 1942 und zu Beginn des Jahres 1943 Flugblätter gegen Hitler und das nationalsozialistische Regime. Die fünf Münchner Studierenden und ihr Professor bezahlten dieses Engagement letztlich mit ihrem Leben. Sie wurden 1943 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Einen Teil ihrer 800 bis 1200 Flugblätter gegen die Naziherrschaft verschickten sie Mitte Februar 1943 noch per Post. Den Rest transportierten Sophie und Hans Scholl in einem Koffer und in einer Aktentasche am 18. Februar in die Universität, wo sie die Blätter vor den Hörsälen auslegten. Als Sophie Scholl einen Stapel ihres schriftlichen Protestes vom zweiten Stock in den Lichthof hinabstieß, wurden sie entdeckt und verhaftet.

Genau diese Szene spielte gestern in der etwas anderen Gedenkfeier eine zentrale Rolle. Mang und sein Team hatten nämlich Flugblätter der „Weißen Rose“ nachgedruckt. Diese wurden von der Wand des Ehrenmals herabgeworfen, und der stramme Wind sorgte dafür, dass sie ebenso spektakulär wie mahnend vor den Teilnehmern der Feier herabrieselten. Mancher Besucher, der sich danach bückte, wird sich beim Lesen spontan bewusst geworden sein, dass diese Aktion 1943 für die jungen Menschen der „Weißen Rose“ den sicheren Tod bedeutete. Aber das war nur einer der „Gänsehaut-Momente“.

Nicht weniger beeindruckend folgte die nächste Aktion der Jugendkirche MIA: Dazu stellten sie weiße Rosen in eine Vase direkt vor dem Mahnmal. An diese Blumen hatten sie vorher kleine Schilder mit den Seligpreisungen angeheftet. Gemeindereferent Jörg Mang trug dazu die Seligpreisungen der Bergpredigt vor. Dies alles entsprach eindringlich der Zielsetzung, diesen Feiertag seiner Zweckbestimmung wirklich gerecht werden zu lassen: „Wir wollen heute an diesem Sonntag das Erinnern – Mahnen – Widerstehen in den Fokus rücken.“

Das alles spielte sich vor dem Bild des Studenten Willi Graf unmittelbar vor dem Mahnmal ab – des Mitglieds der „Weißen Rose“, das in diesem Jahr sein hundertstes Lebensjahr vollendet hätte. Am 1. Februar des Jahres 1942 schrieb er von der Front nach Hause: „Ich wünschte, ich hätte das nicht sehen müssen, was sich in meiner Umgebung zugetragen hat.“ Am 12. Oktober 1943 wurde er von den Erfüllungsgehilfen des Naziregimes hingerichtet.

So gaben die Verbindung von Gottesdienst und Aufarbeitung von Geschichte der Gestaltung der Feierstunde zum Volkstrauertag einen ebenso besonderen wie zum Nachdenken anregenden Charakter. Für diese Gestaltung unter dem Motto „erinnern – mahnen – widerstehen“ bedankte sich Bürgermeister Werner Hero zum Abschluss ausdrücklich bei Mang und der Jugendkirche MIA.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort