Experte rät Weiskircher Rat, Personal einzusparen

Weiskirchen · Was die Erkenntnisse des Junkernheinrich-Gutachtens zu den kommunalen Strukturen im Saarland für die Gemeinde Weiskirchen konkret bedeuten, darüber wird sich der Gemeinderat der Kurgemeinde in seiner Sitzung an diesem Donnerstag unterhalten.

 Hinter den Gardinen des Weiskircher Rathauses wird derzeit nach Lösungen für die Schuldenkrise gesucht. Foto: Ruppenthal

Hinter den Gardinen des Weiskircher Rathauses wird derzeit nach Lösungen für die Schuldenkrise gesucht. Foto: Ruppenthal

Foto: Ruppenthal

"Sparen, sparen, sparen", lautet die Marschrichtung, die Martin Junkernheinrich den Weiskirchern ins Stammbuch schreibt. Für die Ratssitzung hatte der Wirtschaftsprofessor aus Kaiserslautern das Gutachten, das er fürs Land erstellt hat, für die Gemeinde im Hochwald heruntergebrochen und vorgestellt.

Statt, wie von Grün-Alternativer Liste, Linkspartei und Piraten gefordert, das Thema in einer Bürgerversammlung zu diskutieren, hatten die Verantwortlichen aus dem Rathaus zunächst eine Sondersitzung vorgezogen. Eine Bürger-Info, darin waren sich SPD-Fraktionschef Christof Adams und sein CDU-Kollege Wolfgang Sauer einig, soll es in ein paar Wochen geben. Zunächst sollte sich der Rat mit dieser Expertise befassen. Für Junkernheinrich steht fest: Es bedarf einer schweren Kraftanstrengung, um sich aus den dunkelroten Zahlen zu befreien. Nach seinen Worten hat die Gemeinde die höchsten Kredite aufgehäuft, jedoch die niedrigsten Steuerhebesätze und Gebühren. Die Schulden zur Deckung eines Bedarfs seien seit 1995 eklatant in die Höhe geschnellt und lägen nach seinen Berechnungen im Jahr 2013 bei knapp 3500 Euro pro Einwohner - die höchste Verschuldung der Gemeinden unter 10 000 Einwohnern im Saarland. Die Liquiditätskredite nannte er dramatisch. Dabei seien diese Kassenkredite nur gedacht, um kurzfristige Lücken zu stopfen. Im Saarland allerdings sei das in vielen Kommunen zur Regel geworden, kritisierte Junkernheinrich diese Gepflogenheit.

Den Finanzbedarf hat er für Weiskirchen auf rund zwei Millionen pro Jahr berechnet. "Für die kleine Gemeinde eine enorme Summe." Die Personalkosten schlagen mit 85,7 Prozent zu Buche - "zu hoch". Der Einwand von Bürgermeister Werner Hero ließ nicht lange auf sich warten: "Auch wenn wir das komplette Personal entlassen würden, würde es nicht reichen, um die finanzielle Lücke komplett zu schließen." Für die Kreisstadt Merzig hat Junkernheinrich 34 Prozent an Personalkosten errechnet, für die Stadt Wadern zwölf Prozent und für die Gemeinde Losheim am See sogar 2,8 Prozent. 23 Prozent betragen nach Worten des Wirtschaftsprofessors die Einnahmen im Verwaltungshaushalt von Losheim. Die Gemeinde macht laut Junkernheinreich ein Plus von 156 000 Euro, die Zinsauszahlungen für die Liquiditätskredite schlagen mit 114 000 Euro zu Buche, der Finanzbedarf insgesamt wird auf 185 000 Euro beziffert.

Sein Rat an die Weiskircher, aus dem Dilemma zu kommen: Personaleinsparungen und die Grundsteuern erhöhen. Er fordert auch, dass die Bürger von ihrem Anspruchsdenken runter kommen müssten. Für Junkernheinrich steht fest: "Eine Gebietsreform ist kein Allheilmittel. Sie zieht sich endlos hin", sagte er auf die Frage von Henry Selzer von der Grün-Alternativen Liste. Als Beispiel nannte er die Fusion von Bad Kreuznach und Bad Münster am Stein Ebernburg, für die das Land Rheinland-Pfalz insgesamt mehr als 20 Millionen gezahlt habe. Dazu ist nach seiner Ansicht das hoch verschuldete Saarland nicht in der Lage. Für Werner Hero steht fest: "Wir müssen uns die Belehrungen hinter die Ohren schreiben."

SPD-Fraktionschef Adams: "Wir haben bei den Gebühren schon kräftig zugeschlagen, etwa bei den Friedhofsgebühren." Er wies darauf hin, dass es einige Betriebe in der Gemeinde gebe, die keine Gewerbesteuer zahlten. Kurz vor der Ratssitzung am heutigen Donnerstag hat die CDU-Fraktion Stellung zu dem Gutachten bezogen. Die Christdemokraten sind der Überzeugung, dass die Hochwald-Gemeinde in den vergangenen Jahren schon umfassende Sparanstrengungen unternommen hat, etwa durch die Reduzierung von freiwilligen Leistungen und den Abbau von Personal. Auch seien Steuern, Gebühren und Abgaben erhöht worden, um die Einnahmesituation der Gemeinde zu verbessern. Doch das alles habe nicht gereicht, um die finanzielle Schieflage zu korrigieren.

Die Schlussfolgerung der CDU : "Die Gemeinde Weiskirchen allein wird eine Haushaltskonsolidierung und einen Schuldenabbau nicht bewältigen können." Der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Sauer erläutert dazu, dass die zuvor genannten Maßnahmen in den letzten zehn Jahren Steuermehreinnahmen von 74 Prozent erbracht hätten. Im gleichen Zeitraum sei indes die Kreisumlage um 64 Prozent gestiegen, so dass rein rechnerisch gerade mal zehn Prozent übrig geblieben seien. Das grundsätzliche Problem sei jedoch die Struktur der Gemeinde und deren Belastung durch landespolitische Aufgaben, findet Sauer: "Nach meiner Kenntnis hat die Gemeinde seit ihrem Bestehen noch nie Überschüsse erwirtschaftet, nur drei oder vier Mal ausgeglichene Jahresabschlüsse erzielt." Ansonsten habe der Haushalt immer ein Defizit ausgewiesen.

Mitte September hat Junkernheinrich seine Untersuchungen, hier speziell auf Weiskirchen heruntergebrochen, im Gemeinderat vorgestellt. "Auf Kommunalebene wird gerade auch für Weiskirchen ein erheblicher Nachholbedarf bei der Grundsteuer B, den Gebührenhaushalten und beim Personalabbau gesehen. Eine Auflösung und Zusammenlegung von Kommunen ist keine Forderung des Gutachtens", hält die CDU fest. Daher ist für den CDU Gemeindeverbandsvorsitzenden Thorsten Willems das vorrangige Ziel, "den Erhalt und den Bestand der Gemeinde Weiskirchen in Zukunft und auf Dauer zu sichern." Das habe oberste Priorität und sei die vorrangige Verantwortung der kommunalen Gremien.

Während etwa die Bunte Fraktion im Gemeinderat (Grün-Alternative Liste, Linke und Piraten) die Bürger bei den notwendigen Sanierungsschritten über Bürgerversammlungen über Bürgerentscheide mit einbinden möchte, sieht die CDU dies nicht als den richtigen Weg. "Eine offene, ehrliche Diskussion bringt uns alle weiter und letztlich auch an das Ziel", heißt es von den Christdemokraten.

Um den Erhalt und Bestand der Gemeinde Weiskirchen zu erreichen, "müssen wir Steuern und Gebühren erhöhen, einschließlich einer deutlichen Erhöhung der Grundsteuer B, Nutzungsentgelte für öffentliche Einrichtungen erhöhen, Standards an öffentlichen Einrichtungen (zum Beispiel Kurpark, Friedhöfe,Wildpark) reduzieren, die interkommunale Zusammenarbeit vertiefen, auch und gerade im Bereich des Tourismus, und eine adäquate, zukunftsorientierte Personalwirtschaft betreiben", stellen die CDU-Vertreter klar. Und machen gleichzeitig deutlich: "Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Auch das wird nicht reichen, das wird die Gemeinde Weiskirchen nicht retten." Bund, Land und Kreis seien genauso gefordert. Eine grundsätzliche Neuregelung der Kommunalfinanzen sei mehr als angebracht. Sie haben den Weiskirchern bescheinigt, dass es nicht mehr fünf vor zwölf, sondern viertel nach zwei ist. Was haben die Verantwortlichen nach Ihrer Meinung in all den Jahren falsch gemacht?

Prof. Martin Junkernheinrich: Man hat zu lange nach dem "Prinzip Hoffnung" einen merklichen Anteil der Ausgaben über Schulden finanziert. Das Ergebnis sind außerordentlich hohe Liquiditätskredite. Das kann so nicht weiter gehen.

Gibt es nach Ihrem Dafürhalten noch einen Ausweg aus der Schuldenfalle?

Junkernheinrich: Ja! Man muss auf Ausgaben verzichten und Einnahmemöglichkeiten auch wirklich ausschöpfen. Das ist politisch sicher schwierig, aber leichte Wege aus der Schuldenfalle sind mir nicht bekannt.

Wäre eine Auflösung der Kommune oder eine "Hochzeit" mit einer anderen Hochwald-Kommune das Allheilmittel?

Junkernheinrich: Nein! Denn auch in einer neuen Gebietseinheit müsste man harte Konsolidierungsmaßnahmen durchsetzen. Er wird sich ja keine reiche Gemeinde für eine Liebesheirat mit Weiskirchen finden lassen, die die Schulden von Weiskirchen gerne übernimmt.

Welche Vorteile sehen Sie in einer Fusion von Gemeinden?

Junkernheinrich: Mittelfristig können Ausgaben eingespart werden. Gerade im Bereich der Infrastruktur (wie beispielsweise bei Bädern) könnte eine größere Gemeinde leichter auf die eine oder andere Einrichtung verzichten.

Was passiert mit den Schulden ? Sind diese damit getilgt?

Junkernheinrich: Nein, die Finanzierung und/oder der Abbau der Schulden ist in der neuen Gemeinde weiterhin zu leisten.

Wo muss als Erstes angesetzt werden, um von dem Schuldenberg runter zu kommen?

Junkernheinrich: Zunächst ist der laufende Haushalt auszugleichen.

Beispielsweise durch die Nicht-Neubesetzung von frei werdenden Stellen, durch die Erhöhung von Gebühren, Beiträgen und der kommunalen Grundsteuer.

Auf welche Hilfen kann eine überschuldete Gemeinde hoffen?

Junkernheinrich: Im Saarland gibt es einen Kommunalen Entschuldungsfonds für Kommunen mit ausgeprägten Finanzproblemen. Diese Hilfen müssen aber durch kommunale Eigenanstrengungen flankiert werden. Das Geld gibt es nicht zum Nulltarif.

Wie lange wird es dauern, bis die Gemeinde wieder schwarze Zahlen schreibt?

Junkernheinrich: Das kann schon in wenigen Jahren passieren. Das hängt davon ab, wie konsequent der Gemeinderat sich auf den Konsolidierungsweg macht. Selbstverständlich spielen auch die konjunkturelle Lage und die Kostenbelastung durch Flüchtlinge eine Rolle.

Wenn ein Privathaushalt dererlei hohe Schulden aufgehäuft hätte, hätte er längst Insolvenz anmelden müssen. Was ist die Konsequenz für Kommunen?

Junkernheinrich: Im deutschen Kommunalrecht ist eine Insolvenz nicht vorgesehen. Die Hilfe durch das Land ist aber gerade im finanzschwachen Saarland auch begrenzt.

Wenn Sie saarländischer Ministerpräsident wären, was würden Sie den verschuldeten Kommunen verordnen?

Junkernheinrich: Ich würde von den Saarländern erwarten, dass sie mit ihren kommunalen Haushalten genauso klug und sparsam wie mit ihren privaten Haushalten umgehen müssen. Auch wir Bürgerinnen und Bürger können die laufenden Ausgaben nicht dauerhaft über Kredite finanzieren.

Zum Thema:

stichwortDer Kaiserslauterer Kommunalökonom Professor Martin Junkernheinrich hatte die Effektivität und Zukunftsfähigkeit der saarländischen Städte und Gemeinde sowie der Landkreise im Auftrag der Landesregierung auf den Prüfstand gestellt. Junkernheinrich war zu dem Schluss gekommen, dass die Kommunen und Kreise im Saarland langfristig nur in der bisherigen Form erhalten bleiben können, wenn einerseits spürbar Kosten gespart werden, besonders beim Personal. Zum anderen sei eine Anhebung von Steuern und Gebühren unerlässlich, hatte der Gutachter weiter gefordert. Unter anderem hatte Junkernheinrich höhere Steuern auf Grundstückseigentum, die Anhebung von Gebühren und Beiträgen um bis zu 15 Prozent sowie Kürzungen bei der Infrastruktur, etwa Schwimmbad-Schließungen, vorgeschlagen. cbe

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