Wadern Zwei Städte, in denen es sich gut leben lässt

Die Stadt Wadern hat in diesem Jahr gleich doppelt Grund zu feiern: Zum einen erhielt die Hochwaldkommune vor 40 Jahren die Stadtrechte, zum andern feiern Wadern und Noswendel ein halbes Jahrhundert Städtepartnerschaft mit der zentralfranzösischen Stadt Montmorillon. Wir haben mit beiden Bürgermeistern gesprochen: Ernest Colin (Montmorillon) und Jochen Kuttler (Wadern).

 Der Französische Bürgermeister Ernest Colin.   

Der Französische Bürgermeister Ernest Colin.  

Foto: Stadt Montmorillon

Herr Kuttler, was wird denn in Wadern nun mehr gefeiert? Der 40. Jahrestag der Stadtrechteverleihung oder die, sagen wir, „Goldene Hochzeit“ mit Montmorillon?

Jochen Kuttler: Sie können davon ausgehen, dass wir beide Jubiläen im Rahmen unseres Stadtfestes „Waderner Maad“ gebührend feiern werden. Wobei das halbe Jahrhundert Städtepartnerschaft meiner Meinung nach das bewegendere Ereignis ist.

Städtepartnerschaften sind eine Erfindung der ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals ging es um ein zartes Herantasten, später um Aussöhnung und Kennenlernen. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich sind heute exzellent. Passen Städtepartnerschaften überhaupt noch in unsere Zeit?

Ernest Colin: Wir stellen schon fest, dass das Interesse an der Partnerschaft im Laufe der Jahre etwas nachgelassen hat, hauptsächlich bei den jungen Leuten. An unserem Gymnasium Jean-Moulin wird immer weniger Deutsch unterrichtet, es findet auch kein Schüleraustausch mehr zwischen den Kommunen statt. Hinzu kommt, dass unsere Deutschlehrer oft nicht mehr hier in Montmorillon, sondern in Poitiers wohnen… Das alles erklärt, warum das heute etwas mehr auf Sparflamme gekocht wird.

Kuttler: Ich glaube, dass wir gerade beim Schüleraustausch ansetzen müssen. Hier muss neuer Schwung rein. Französisch wird bei uns zwar immer noch gelehrt und gelernt. Aber die Präsenz des Englischen ist doch wesentlich dominanter als früher. Englisch kommt auch in der Alltagswirklichkeit der Jugendlichen viel häufiger vor als Französisch. Hinzu kommt, dass eine Reise nach Frankreich zwar in den 1970er und 1980er Jahren noch etwas ganz Besonderes war. Heute ist der „kleine Grenzverkehr“ Alltag. Und gereist wird überall hin. Das hat indes auch was Positives: Wir sind ganz „normale“ Nachbarn geworden. Genau das war ja seinerzeit das Ziel von Städtepartnerschaften.

Colin: Die Jugendlichen sind früher in der Tat viel weniger rumgekommen. Für viele angehende Germanisten war der Aufenthalt in Wadern seinerzeit die erste große Reise und vielleicht auch die erste Emanzipation vom Elternhaus – auch wenn die dann nur 14 Tage andauerte.

In Frankreich lernen rund 15 Prozent der Schüler Deutsch, aber rund 40 Prozent Spanisch und gar fast 100 Prozent Englisch. In Deutschland sieht es ähnlich aus: Nur rund 25 Prozent der Schüler lernen Französisch, Englisch auch hier nahezu 100 Prozent. Ernüchternde Zahlen. Oder?

Colin: Unser Partnerschaftskomitee kann zwar Werbung für die deutsche Sprache machen und hat das bisher auch eifrig getan. Fakt ist aber, dass die Konkurrenz des Englischen drückend ist. Hinzu kommt, dass an unserem Gymnasium ein besonderer Schwerpunkt auf der Unterrichtung des Portugiesischen liegt. Im Moment lernen etwa 30 Schüler Deutsch als zweite Sprache, rund 110 Schüler haben Deutsch im Gymnasium, davon allerdings keiner als erste Sprache.

Kuttler: Als ich am Hochwald-Gymnasium zur Schule ging, war Französisch noch erste Fremdsprache. Heute hat Englisch diesen Platz eingenommen, übrigens unabhängig davon, ob man später den sprachlichen oder naturwissenschaftlichen Zweig einschlägt. Französisch ist von Klasse 6 bis 9 zwar zweite Fremdsprache für alle Schüler, trotzdem hat die Sprache ohne Zweifel an Bedeutung verloren. Ich bedauere das sehr, auch weil unsere Lage als Grenzregion – und hier unterscheiden sich Montmorillon und Wadern ja deutlich – bares Kapital ist. Die Nähe zu Frankreich und Luxemburg ist eine Riesenchance in Bezug auf den Arbeitsmarkt. Das merken viele leider erst, wenn sie beispielsweise in Luxemburg auf Stellensuche gehen und dann feststellen müssen, dass Französisch für viele Jobs dort unabdingbar ist.

Als die Städtepartnerschaften in Mode kamen, gab es weder Smartphone noch Internet. Ist das eine Chance, Städtepartnerschaften mit neuem Leben zu füllen?

Kuttler: Ganz sicher! Das merkt man auch recht schön am Facebook-Auftritt der Stadt Wadern. Wir teilen von Zeit zu Zeit auch Meldungen aus Montmorillon und stellen dabei fest, dass diese Beiträge intensiv konsumiert werden. Die Leute interessieren sich also dafür, was bei unseren Nachbarn in Frankreich so passiert. Es fällt dabei auf, dass die Übersetzungen des französischen Originaltextes, die Facebook automatisiert anbietet, immer präziser und korrekter werden. Die Sprachbarriere baut sich also ab. Das könnte ein Wink sein in Bezug auf die Richtung, die die Entwicklung nehmen könnte. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob wir in 20 Jahren überhaupt noch Fremdsprachen lernen müssen. Ich persönlich halte das Erlernen und Sprechen einer anderen Sprache zwar für einen Ausdruck von kultureller Vielfalt, aber die aktuelle Entwicklung deutet eher darauf hin, dass Vokabelpauken irgendwann überflüssig werden könnte.

Colin: Das Internet und damit auch die Sozialen Netzwerke gab es natürlich in den ersten Jahren der Partnerschaft nicht. Heute sind das ideale Werkzeuge, um Kontakte zu knüpfen, Beziehungen zu festigen oder sich schlicht und ergreifend auch nur zu informieren. Wenn man den Austausch zwischen Montmorillon und Wadern auf neue Beine stellen will, könnten die internetbasierten Technologien eine große Rolle spielen, gerade bei jungen Leuten. Ich bin mir aber sicher, dass die virtuelle Begegnung den physischen Kontakt nie wird ersetzen können.

Kuttler: Da gebe ich Ernest Colin völlig Recht. Und genau deshalb müssen wir uns gemeinsam bemühen, den Schüleraustausch zu forcieren.

Charakterisieren Sie Ihre Städte doch mal bitte im Schnelldurchlauf.

Colin: Montmorillon ist eine Stadt, in der es sich gut leben lässt, eine weltoffene Kommune, die ein reiches Kultur- und Naturerbe besitzt und die ein lebendiges Vereinsleben aufweisen kann.

Kuttler: (lacht) All das nehme ich für die Stadt Wadern auch in Anspruch. Die Städte gleichen sich in ihrer Struktur schon sehr. Was die Partnerschaft auch einfacher macht. Wir reden über die gleichen Sorgen und Nöte auf der einen Seite. Beide Städte dürfen sich auf der anderen Seite aber auch glücklich schätzen, in Landschafen eingebettet zu sein, für die andere lange Urlaubsfahrten in Kauf nehmen.

Was zeichnet Montmorillon und Wadern aus? Was haben die beiden Städte gemeinsam, was trennt sie? Was sind die drückendsten Probleme in Ihren Städten?

Colin: Obwohl wir wirtschaftlich gut aufgestellt sind, verzeichnet Montmorillon einen leichten Bevölkerungsrückgang. Wir haben ein Förderprogramm aufgelegt, damit ältere Wohnungen und Häuser in der Stadt wieder verstärkt genutzt werden. Davon versprechen wir uns, dass weniger Menschen unserer Stadt den Rücken kehren. Aktuell fiebert ganz Montmorillon der Einrichtung des „Institut International Joël Robuchon“ entgegen. Joël Robuchon ist der mit den meisten Sternen ausgezeichnete Koch der Welt….

Kuttler: Leerstände sind bei uns, ausgenommen an vielbefahrenen Hauptstraßen, nicht mehr so sehr das Problem. Die aktuelle Zinspolitik hat dazu geführt, dass viel mehr Häuser und Wohnungen gekauft bzw. verkauft werden als noch vor fünf Jahren. Die Stadt Wadern hält wesentlich mehr Arbeitsplätze vor als sie selbst Arbeitskräfte hat. Das ist eine Seltenheit im Saarland, die es zu erhalten gilt. Daneben muss unser Hauptaugenmerk in den nächsten Jahren auf dem Erhalt bzw. in vielen Fällen auch auf der Sanierung der bestehenden Infrastruktur liegen. Angesichts der Finanzlage der Kommunen im Land, aber auch des Landes selbst, ist das bereits eine Herausforderung, die ihresgleichen sucht.

50 Jahre Partnerschaft sind eine stolze Zahl, zumal die Verbindung zwischen Wadern und Montmorillon von zwei rührigen Partnerschaftskomitees getragen wird. Wie werden Sie die Feierlichkeiten begehen?

 Waderns Bürgermeister Jochen Kuttler.

Waderns Bürgermeister Jochen Kuttler.

Foto: Tina Mann/TINA MANN
 Die Partnerschaftsurkunde.

Die Partnerschaftsurkunde.

Foto: Stadt Wadern

Colin: Wir werden am 2. Juni mit einer Delegation in Wadern präsent sein, am 15. September findet dann der Gegenbesuch unserer Waderner Freunde in Montmorillon statt. In diesem Rahmen wird es eine offizielle Feier geben, zu der natürlich auch die Bevölkerung eingeladen ist. Und unsere Ausstellung zum 50. Jubiläum der Partnerschaft wird eröffnet….

Kuttler: … eine Ausstellung gibt es auch in Wadern. Das Stadtmuseum zeichnet die Geschichte der Städtepartnerschaft nach. Die Ausstellungen in Wadern und Montmorillon sind übrigens ganz bewusst völlig unterschiedlich konzipiert. So gibt es für die Besucher beider Städte an beiden Orten viel Neues zu entdecken. Unsere Rückschau wird am kommenden Wochenende eröffnet. Gleichzeitig findet eine Partnerschaftsfeier statt, die zwar durchaus offiziellen Charakter hat, die aber vor allen Dingen sagen will: „Wir freuen uns, unsere französischen Freunde in Wadern begrüßen zu dürfen. Lassen wir gemeinsam all die schönen, amüsanten und bewegenden Momente Revue passieren, die man sich an einer „Goldenen Hochzeit“ für gewöhnlich so erzählt.

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