Workshop auf dem Dösterhof bei Wadern Gemeinsames Handeln für Wild und Wald

Altland/Dösterhof · Bei einem Workshop in Altland ging es um die Rotwildbestände in der Region und um die Erfüllung der Ansprüche der Tiere.

 Der Hirsch, hier in freier Natur, ist in der Hochwaldregion noch heimisch.

Der Hirsch, hier in freier Natur, ist in der Hochwaldregion noch heimisch.

Foto: Konrad Funk

Über den Rothirsch hat der ehemalige Umweltminister Stefan Mörsdorf einmal gesagt, dass er „auch in unserem Land unbedingt dazugehört“. Doch der Rothirsch droht, unter die Räder zu kommen. Viele Personengruppen haben in einem Rotwildlebensraum viele unterschiedliche Interessen. Waldbesitzer befürchten bei zu hohem Wildbestand Schäden am Wirtschaftsgut Wald. Jagdgenossen möchten den Wert der Rotwildreviere erhalten. Die Gesellschaft hofft beim Wandern in freier Natur, Rothirsche zu sehen. Natur- und Tierschützer und die Hegegemeinschaften möchten den Tieren ein artgerechtes Leben ermöglichen.

Mitunter sind Nutzungskonflikte nicht ausgeschlossen. Um die Interessen der Menschen zukünftig mit den biologischen Eigenschaften und Ansprüchen einer großräumig lebenden Tierart wie dem Rothirsch in Einklang zu bringen, hatte die Rotwild-Hegegemeinschaft Saarländischer Hochwald kürzlich zu einem Workshop in die Scheune des Dösterhofes eingeladen.

Ziel der Auftaktveranstaltung „Verinselung von Rotwildbeständen“ mit etwa 115 Teilnehmern sollte es sein, unterschiedliche Standpunkte zu verstehen und einen Abstimmungsprozess anzustoßen. In zukünftiger Kommunikation soll eine erfolgversprechende Rotwildkonzeption langfristig sichergestellt werden, um den Rothirsch auch nachfolgenden Generationen im Saarland zu erhalten.

Nach der Begrüßung durch Jörg Lohrig, Leiter der Rotwild-Hegegemeinschaft SaarländischerHochwald, erläuterte der Wildbiologe Olaf Simon die Abschlussergebnisse des Lebensraum-Modellprojektes Rotwild im saarländischen Hochwald. Der saarländische Hochwald sei ein bedeutender Teil des Lebensraumes dieser großen Tierart im westlichen Hunsrück. Ziel des Projektes sei gewesen, eine Verbesserung des Lebensraumes durch eine tagaktive Nahrungsaufnahme mit möglicher Störungsvermeidung sicherzustellen. Den Tieren sollte es ermöglicht werden, ihren Lebensraum selbst zu wählen, um gleichzeitig Schäden im Wald zu minimieren.

Weiterhin erfolgten Bestandskartierungen der Lebensräume am Beispiel des Felsenberges in Wadrill, um eine Grundlage für die Bewertung der Wildlebensräume und zur Verbesserung der Lebensraumsituation beizutragen. Sechs Jahre später wurde eine erneute Erfassung zur Evaluierung der durchgeführten Maßnahmen und der damit verbundenen Lebensraumentwicklung durchgeführt. Hierbei wurde festgestellt, dass nicht alle Vorschläge des Maßnahmenpaketes umgesetzt wurden und die ursprünglich anvisierte Entspannung des Konfliktfeldes Wildeinfluss, Wildbewirtschaftung und Vegetation nur ansatzweise erreicht werden konnte. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgte durch zwei Büros aus dem Bereich der Landschafts- und Tierökologie. Mehrere saarländische Umweltverbände unterstützten dieses Projekt. Die Finanzierung erfolgte aus Mitteln der Jagdabgabe.

Landesjägermeister Josef Schneider erläuterte, dass im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern der Rothirsch seinen Lebensraum im Saarland selbst wählen könne. Im weiteren Vergleich aber verdeutlichte er die Tendenz rückläufiger Streckenergebnisse im Saarland gegenüber vergleichbaren Zahlen auf Bundesebene. Dies könnte auf einen Rückgang dieser imposanten Tierart im Saarland hindeuten, obwohl das Saarland eines der waldreichsten Bundesländer ist und als eines der wenigen Flächenländer dem Rotwild die Möglichkeit gebe, sich landesweit auszudehnen. In den vergangenen Jahren zeichne sich nach den Ausführungen des Landesjägermeisters eine Ausdünnung der Bestände an den Rändern der Kerngebiete ab.

Ein weiteres Kurzreferat von Detlef Reinhard, dem jagdpolitischen Sprecher des Naturschutzbundes (NABU) Saar, beschäftigte sich mit Lebensraumkorridoren und Wildbrücken für alle Säugetiere und besonders für das großräumig lebende Rotwild. Reinhard forderte in diesem Zusammenhang ein Lebensraummonitoring für Wald- und Freiflächen ab einer Größe von 10 000 Hektar, großflächige Rückzugs- und Ruheräume inklusive Jagdruhezonen und ein Betretungsverbot sowie eine Verkürzung der Jagdzeit von neun auf fünf Monate.

Sebastian Jung vom Bauernverband Saar beleuchtete die Rotwildhege aus Sicht von Landbewirtschaftern und Grundeigentümern. Hierbei verdeutlichte er, dass der Flächenverbrauch und die Zerschneidung der Landwirtschaft bei etwa 60 Hektar/Tag in Deutschland liege und somit sowohl ein Problem für die Landwirtschaft als auch den Rothirsch bedeute.

Das Ziel der Landesregierung mit 20 Prozent erneuerbarer Energie bis 2020 und einem weiteren Ausbau in der Fläche lässt seiner Meinung nach im Saarland den Lebensraum des Rotwildes schrumpfen. „Um das Bedürfnis des Rotwildes nach Ruhe, Deckung und Nahrung sicherzustellen, sind Vernetzung und Absprachen aller Akteure im Rahmen der Rotwildbewirtschaftung wichtiger denn je“, betonte Jung.

Der Leiter der Rotwild-Hegegemeinschaft Saarländischer Hochwald, Jörg Lohrig, zeigte die bestehenden und zukünftigen Barrierrewirkungen sowohl innerhalb als auch im Umfeld des saarländischen Rotwildlebensraumes auf. So würden die Lebensräume von Wildtieren, ob Rothirsch, Wildkatze oder Luchs, immer mehr von Straßen, Gewerbegebieten, Windkraftanlagen, Photovoltaikanlagen massiv zerschnitten. Wildtiere könnten dadurch immer weniger wandern, sich ausbreiten und neue Lebensräume besiedeln. So können Rothirsche meist keine eingezäunte Autobahn überqueren, um die Verbindung zu Artgenossen auf der anderen Seite aufrechtzuerhalten. Dies leiste der genetischen Verarmung Vorschub, was langfristig zu körperlichen Fehlbildungen und Inzucht führe. „Dem Rothirsch werden derzeit viele Knüppel zwischen die Beine geworfen“, sagte Lohrig.

Im zweiten Teil seines Referates führte er die unbekannten Facetten des Rothirschs auf. Anhand vieler Wappen in der Hochwaldregion, auf denen die Tiere oder ihre beeindruckenden Geweihe abgebildet sind, zeige sich die prägende Bedeutung für den saarländischen Hochwald. Im Naturschutz sei er eine Leittierart, die auch auf schutzwürdige Lebensgemeinschaften aufmerksam mache und für den Samentransport in Fell und Kot zu einem Förderer der Artenvielfalt gehört.

 Beim Rotwild-Workshop haben die Referenten (von links) Josef Schneider (Landesjägermeister), Jörg Lohrig (Leiter der Hegegemeinschaft Hochwald), Detlef Reinhard (NABU Saar), Sebastian Jung (Bauernverband Saar) und Olaf Simon (Waldbiologe) versucht, Lösungen für einen artgerechten Umgang mit dem Rothirsch aufzuzeigen.

Beim Rotwild-Workshop haben die Referenten (von links) Josef Schneider (Landesjägermeister), Jörg Lohrig (Leiter der Hegegemeinschaft Hochwald), Detlef Reinhard (NABU Saar), Sebastian Jung (Bauernverband Saar) und Olaf Simon (Waldbiologe) versucht, Lösungen für einen artgerechten Umgang mit dem Rothirsch aufzuzeigen.

Foto: eb

Dass der Rothirsch der letzte Vertreter der in Mitteleuropa noch vorkommenden Großsäuger auch Faszination ausstrahle, sehe man daran, dass einerseits wahrscheinlich 99 Prozent der Einwohner des Saarlandes noch nie einen freilebenden Hirsch gesehen haben – diejenigen aber, die ihn vielleicht auf einer Wanderung erblicken, seien mehr als beeindruckt. In der von Sebastian Hoffmann moderierten Veranstaltung zeigte sich deutlich, wie der Überschneidungsbereich zwischen Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Naturschutz und Tourismus ein gemeinsames Handeln für Wild, Wald und Mensch erfordert. Als nächste Maßnahme soll ein Rotwildplan gemeinsam mit allen handelnden Akteuren erstellt werden, um Lösungen für einen der Art gerechten Umgang mit dem Rothirsch sicherzustellen.

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