Interview „Wir brauchen Klarheit, ein für alle Mal“

Nein zur Planänderung: Bürgermeister von Wadern empfiehlt dem Stadtrat, gegen die Entscheidung des Innenministeriums zu klagen.

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Foto: TINA MANN

Das Innenministerium hat der Stadt Wadern die Genehmigung für den sachlichen Teilflächennutzungsplan, kurz sTFNP, Wind versagt. Mit welcher Begründung?

JOCHEN KUTTLER Das Innenministerium begründet die Versagung damit, dass die von uns avisierten Konzen­trationsflächen, die als „Historischer Wald“ des Staatswaldes gelten, aus der Planung hätten herausgenommen werden müssen, weil von unserer Seite nicht nachgewiesen wurde, dass die im Landeswaldgesetz beschriebenen Ausnahmetatbestände wie eine vorhandene Vorbelastung, eine auskömmliche Windhöffigkeit und ausreichende Erschließung gegeben sind. Das betrifft auch die Fläche Wenzelstein.

Dann gibt das Innenministerium der Argumentation der Bürgerinitiative Wenzelstein Recht, die ja angemahnt hatte, dass die Konzen­trationszone Wenzelstein aufgrund des Landeswaldgesetzes aus dem Entwurf hätte herausgenommen werden müssen.

KUTTLER Im Grunde schon. Nur teilen weder die für die sachliche Analyse unseres sTFNP zuständigen Institutionen, das Umweltministerium und das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz noch unser juristischer Beistand, Rechtsanwalt Armin Brauns, diese Rechtsauffassung.

BI-Chef Günther Möcks spricht von einem „schwachen fachlichen Gutachten“ und dass es „trotz neuer Erkenntnisse keine Nachbesserung“ gab. Weiter wirft er Ihnen und der SPD-Fraktion vor, „neuere Erkenntnisse im Hinblick auf erforderliche Abstände zur Wohnbebauung wegen drohender gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Anwohner durch die von Windrädern ausgehende Schallbelastung“ nicht berücksichtigt zu haben. Was entgegnen Sie ihm?

KUTTLER Lassen wir mal außen vor, dass der Stadtrat mehrheitlich, also mit Stimmen von SPD, ProHochwald und auch Stimmen aus der CDU den Flächennutzungsplan beschlossen hat. Ein „fachlich schwaches Gutachten“, wie es die BI ausdrückt, hat indes niemand moniert. Vielleicht weil es eben den Ansprüchen der Genehmigungsbehörde in Gänze genügt hat? Ausschlaggebend für die Versagung der Genehmigung war laut uns vorliegendem Bescheid ausschließlich die Thematik Landeswaldgesetz. Die Expertise des Gutachters wird mit keinem Wort erwähnt. Auch bei der Thematik Schall, hier wird auf das sogenannte „Interimsverfahren“ angespielt, werden Äpfel mit Birnen verglichen. Fakt ist, dass diese Frage in Bezug auf den Flächennutzungsplan keine Rolle spielt. Sie könnte aber sehr wohl eine Rolle im Rahmen des Genehmigungsverfahrens spielen. Interessant ist hier, dass gerade das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes bislang noch am bisherigen Verfahren, das eine andere Grundlage hat, festhält. Und, um es komplett zu machen, selbst wenn man das Interimsverfahren zugrunde legen würde, führt ABOWind im vorliegenden Genehmigungsantrag aus, dass diese Vorgaben erfüllt sind. Das müsste die BI eigentlich wissen. Sie hatte bei uns ja von der Gelegenheit Gebrauch gemacht, die entsprechenden Unterlagen einzusehen.

Wenn das Landeswaldgesetz den Ausschlag für die Versagung gegeben hat, warum hat es seinerzeit keinen Niederschlag in Ihrer Planung gefunden?

KUTTLER Das Landeswaldgesetz ist nach Ansicht unseres Rechtsbeistands kein hartes Ausschlusskriterium, das auf Planungsebene abgeprüft werden darf. Vielmehr ist bei einem konkreten Bauantrag zu prüfen, ob die Bedingungen des Landeswaldgesetzes eingehalten werden oder nicht, beziehungsweise ob das Landeswaldgesetz überhaupt anzuwenden ist. Im Fall Wenzelstein steht übrigens die schriftlich an uns gerichtete Auskunft des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz im Raum, wonach das Landeswaldgesetz für den konkreten Fall keine Anwendung findet, da die Genehmigungsunterlagen vor dem 21. Juni 2017 vorgelegen haben.

Warum erklären Sie angesichts der Entscheidung des Innenministeriums nicht einfach der Firma ABOWind, dass das Projekt Wenzelstein damit „gestorben“ ist. Sie könnten Ihre Hände doch sprichwörtlich in Unschuld waschen...

KUTTLER Wenn das so einfach wäre! Glauben Sie ernsthaft, dass ein Investor, der so viel Geld in die Vorplanung eines Projekts gesteckt hat, hier so mir nichts, dir nichts klein beigeben wird? Wohl kaum! Außerdem würde eine solche Haltung auch gegen mein Selbstverständnis als Bürgermeister verstoßen.

Welche Argumente könnten denn da ins Feld geführt werden?

KUTTLER Ein Ausschluss der jetzt ausgewiesenen Konzentrationsflächen allein unter Hinweis auf das Landeswaldgesetz, wie ihn das Innenministerium moniert, ist laut Ansicht unseres juristischen Beistands und vieler weiterer Fachleute rechtsfehlerhaft, das heißt, wer dagegen klagt, hat beste Chancen, zu gewinnen. Im Landeswaldgesetz sind nämlich mehrere Möglichkeiten vorgesehen, bei deren Zutreffen eine Genehmigung von Windkraftanlagen nicht versagt werden kann. Die ausgewiesenen Flächen sind genau deshalb eben nicht grundsätzlich ungeeignet. Vielmehr muss im Rahmen des Genehmigungsverfahrens geprüft werden, ob der potenzielle Anlagenbetreiber jene Kriterien erfüllt, die das Landeswaldgesetz aufzeigt. Im Gegenteil kann ein Normenkontrollantrag, also eine Art Grundsatzklage, gegen eine Flächennutzungsplanung, die die besagten Konzentrationsflächen unter Berufung auf das Landeswaldgesetz ausschließt, durchaus für den Investor Erfolg versprechen, wenn der Windkraftbetreiber die Genehmigungsvoraussetzungen, die das Landeswaldgesetz aufzeigt, erfüllt. Bereits diese Konstellation zeige, dass ein Ausschluss der Konzentrationsfläche unter Berufung auf das Landeswaldgesetz rechtswidrig ist. Klingt komplex und ist es auch.

Was würde denn passieren, wenn Sie die Fortschreibung des sTFNP nach der Versagung durch das Innenministerium einfach auf Eis legen würden. Dann wäre Wenzelstein doch außen vor...

KUTTLER ABOWind hat gegen die Stadt Wadern in Bezug auf den bisher gültigen sTFNP eine Normenkontrollklage angestrengt. Diese Klage hat laut unserem juristischen Beistand große Aussicht auf Erfolg. Die Klage ruht aktuell, da der Investor die Planfortschreibung des sTFNP abwarten wollte, mit der Aussicht, dann im Bereich Wenzelstein entsprechende Anlagen errichten zu können. ABOWind hat gegenüber der Stadtverwaltung deutlich gemacht, dass sie die Klage gegen den aktuell gültigen sTFNP Wind wieder aufnehmen und einen möglichst raschen Entscheid in dieser Sache anstrengen wird. Obsiegt ABOWind hier, ist der aktuell gültige sTFNP der Stadt Wadern obsolet, das heißt null und nichtig. Auf allen Flächen im Stadtgebiet kann dann ein Antrag auf Errichtung von Windkraftanlagen gestellt werden. Detailfragen werden dann im entsprechenden Genehmigungsverfahren erörtert. Die Abstände der zu errichtenden Anlagen richten sich dann unter anderem nach der TA Lärm, die in Deutschland durchaus Abstände von 650 Metern zur Wohnbebauung zulässt. Der vom Stadtrat in der Sitzung vom 24. November 2016 vorgegebene Abstand von mindestens 1000 Metern zur Wohnbebauung ist in dieser Konstellation nicht mehr relevant, da es keinen gültigen sTFNP Wind mehr gibt. Das kann wohl kaum im Sinne der Bürger sein, weder in Rathen noch im gesamten Stadtgebiet.

Das heißt, ABOWind könnte in diesem Fall sehr wohl auf Wenzelstein bauen und zwar sogar mit wesentlich niedrigeren Abständen zur Wohnbebauung als in der aktuell diskutierten Fortschreibung des sTFNP Wind vorgesehen?

KUTTLER Genau das heißt es! Weist ABOWind für das Gebiet Wenzelstein nach, dass sowohl die entsprechende Windhöffigkeit vorhanden, die Erschließung gesichert und die Vorbelastung hoch genug ist, kann das Unternehmen hier – also im „Historischen Wald“ des Staatswaldes – Windkraftanlagen errichten. ABOWind hat entsprechende Untersuchungen, die die Eignung bestätigen, nach eigenen Angaben den Genehmigungsbehörden vorgelegt.

Das wäre ja dann ein Pyrrhussieg für die Windkraftgegner...

KUTTLER In der Tat! Wir warnen seit Beginn der Diskussion vor dieser Gefahr. Es wird zuweilen so getan, als ob Stadtverwaltung und Rat ihre Entscheidungen einsam und allein zugunsten eines Investors träfen. Das ist völliger Unfug! Die Stadt Wadern ist die Thematik so offen und transparent angegangen wie wohl kaum eine andere Kommune im Land. Wir haben zudem keinerlei finanzielle Interessen an der Realisierung des Projekts Wenzelstein. Im Gegenteil, die Fortschreibung des sTFNP kostet uns alle viel Geld und bindet jede Menge Arbeitskraft. Wir machen diese Kraftübung nicht zum Spaß, sondern weil wir mit unserem sTFNP, der 2009 verabschiedet wurde, Schiffbruch erlitten haben.

Was war denn damals das Pro­blem?

KUTTLER Es gab seinerzeit Anwohnerproteste gegen die Ausweisung einer für Windkraft geeigneten Fläche in Vogelsbüsch. Der Rat beschloss damals in der entscheidenden Sitzung die Herausnahme der fraglichen Fläche, ohne rechtssichere Begründung. Daraufhin wurden wir von ABOWind verklagt – mit großer Aussicht auf Erfolg. Es wäre unserer Meinung nach nun wenig geschickt, den gleichen Fehler – diesmal in Bezug auf die Fläche Wenzelstein – noch einmal zu begehen.

Warum berücksichtigen Sie die Thematik Landeswaldgesetz nicht in der Änderung des sTFNP? Sie könnten doch die entsprechenden Flächen einfach auf die entsprechenden Ausnahmereglungen hin untersuchen?

KUTTLER Das widerspräche – nicht nur unserem juristischen Beistand nach – fundamental der Intention einer Flächennutzungsplanung. Es stellt sich für die Stadt Wadern auch die Frage der Finanzierbarkeit einer solchen Untersuchung. Hier können pro zu untersuchender Fläche durchaus schon einmal Kosten von bis zu 150 000 Euro zusammenkommen – der exakte Preis richtet sich nach Fläche und Aufwand. Die Analysen könnten zudem, je nach Ergebnis, durchaus von einem potenziellen Betreiber oder von Windkraftgegnern angezweifelt werden. Um es kurz zu machen: Hier fehlt jede Rechtssicherheit. Von einer solchen Vorgehensweise raten uns alle Fachleute dringend ab.

Und wenn Sie dem Bescheid des Innenministeriums folgend die Fläche Wenzelstein schlicht und ergreifend zur Ausschlusszone erklären – ohne teure Untersuchungen?

KUTTLER Das würde faktisch heißen: „Historischer Wald“ des Staatswaldes wird von der Nutzung für Windkrafterzeugung per se ausgeschlossen, ohne dass geprüft wird, ob die im Landeswaldgesetz vorgegebenen Ausnahmekriterien zur Geltung gebracht werden können. Die Firma ABOWind hat bereits deutlich gemacht, dass sie einen entsprechenden sTFNP nicht hinnehmen wird, weil eine Herausnahme von Potenzialflächen – ungeachtet, dass das Unternehmen entsprechende Anträge vor Inkrafttreten der oben angegebenen Gesetzgebung gestellt hat – ohne die Prüfung einer möglichen Nutzung nach den Ausnahmereglungen des Landeswaldgesetzes unstatthaft sei. Nimmt man Wenzelstein aus den möglichen, weil grundsätzlich geeigneten Flächenpotenzialen heraus, stellt sich zudem die Frage, wie die Stadt Wadern – entsprechend der aktuellen Gesetzgebung auf Bundes- und Landesebene – ihrer gesetzlichen Verpflichtung, der Windkraft sub­stanziellen Raum zu geben, gerecht werden will. Dies wird nur über die Ausweisung anderer – bislang nicht ausgewiesener – Flächen möglich sein. Zudem wird eine substanzielle Raumgebung nur dann gelingen, wenn die Abstände von zu errichtenden Windkraftenergieanlagen zur Wohnbebauung verringert werden. Das heißt, Windkraft-Anlagen werden an neuen, noch zu ermittelnden Stellen im Stadtgebiet näher an die Wohnbebauung heranrücken können. Ob das Sinn und Zweck einer weiteren Planung sein kann, wage ich zu bezweifeln.

Was bleibt Ihnen noch angesichts der Versagung des Innenministeriums – welchen Weg schlagen Sie vor?

KUTTLER Wir haben den Stadtrat für kommenden Donnerstag, 22. Februar, 18.30 Uhr, in die Herbert-Klein-Halle zu einer außerordentlichen öffentlichen Sitzung zusammengerufen und werden vorschlagen, gegen den Bescheid des Innenministeriums zu klagen. Nur so bekommen wir endgültig Rechtssicherheit. Das Gericht wird uns dann klar darlegen, ob und wenn, in welcher Form, die am 6. Oktober 2017 in Kraft getretene Novellierung des Landeswaldgesetzes im Rahmen unserer Planung zu berücksichtigen ist. Parallel zu diesen Überlegungen werden wir weitere Gespräche mit den entsprechenden Institutionen führen, und schauen, ob und in welcher Form an unserem Planentwurf gearbeitet werden kann, so dass der Versagungsgrund entfällt. Gleich, welchen Weg wir am Ende gehen werden, er muss unserer Meinung nach rechtssicher sein.

Sie hatten im vergangenen Jahr die Ausarbeitung des Landeswaldgesetzes als unausgereift kritisiert...

KUTTLER ...und ich wurde dafür in die Populistenecke gerückt. Wenn ich jetzt – als juristischer Laie – miterlebe, wie sehr die Rechtsgelehrten untereinander, aber auch die mit der Fachausführung beschäftigten Sachbearbeiter die Bestimmungen des Gesetzes kritisieren, fühle ich mich voll und ganz in meiner damaligen Auffassung bestätigt. Insofern ist es – glaube ich – der richtige Weg zu klagen. Wir brauchen Klarheit, ein für alle Mal.

Und die Kosten für einen Prozess?

KUTTLER Da eine entsprechende Klage vor dem Verwaltungsgericht verhandelt wird und der Streitwert – es geht hier lediglich um eine verwaltungsrechtliche Entscheidung und nicht um das Projekt Wenzelstein als solches – sehr gering ist, dürfte das kein Problem sein.

Glauben Sie, dass es um den Ausbau erneuerbarer Energien irgendwann einmal ruhiger wird?

KUTTLER Es gibt eine breite gesellschaftliche Mehrheit für den Atomausstieg. Das bedeutet aber auch gleichzeitig den Ausbau von erneuerbaren Energiequellen. Das versteht eigentlich jeder. Schwierig wird es bei der praktischen Umsetzung. Das Problem fängt dann an, wenn man selbst, sozusagen vor der eigenen Haustür, betroffen ist. Der gerade ausgehandelte Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD beschäftigt sich auf vier von 177 Seiten mit der Energiewende und ihren umweltpolitischen Ansprüchen. Da ist zu lesen von Sonderausschreibungen für je vier Gigawatt On­shore-Windenergie, also Windkraftanlagen an Land. Der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsektor soll laut Plänen der Großen Koalition von den jetzigen 38 Prozent bis zum Jahr 2030 auf einen Anteil von 65 Prozent steigen. Auch hier soll die Windenergie einen deutlichen Betrag leisten. Insofern fehlt mir die Phantasie, wie alsbald eine Befriedung erreicht werden soll. Klar ist aber, dass die entsprechenden Gesetzte und Verordnungen in Berlin beziehungsweise auch in Saarbrücken gemacht werden. Die Kommunen werden hier nicht gefragt, sie werden vielmehr mit dem zuweilen durchaus nachvollziehbaren Ärger der betroffenen Anwohner alleingelassen. Da staunt man manchmal als Ratsmitglied, als Verwaltung und auch als Bürgermeister nicht schlecht, wie die Verantwortlichkeit im Handumdrehen in der öffentlichen Diskussion auf den Kopf gestellt wird.

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