Lebendiges Mittelalter Wie es wohl war, damals auf der Burg . . .

Kirkel/Wadern · Einen Einblick in das Leben des Mittelalters hat das vierte saarländische Burgensymposium in Wadern geboten. Auch die Saarpfalz war vertreten.

 Diese Steinschleuder kann Steine bis über 80 Meter weit schleudern. Hans-Joachim Kühn (rechts) hat das Kommando.

Diese Steinschleuder kann Steine bis über 80 Meter weit schleudern. Hans-Joachim Kühn (rechts) hat das Kommando.

Foto: SZ/Werner Krewer

Wissenschaftler und Hobby-Historiker, aber auch interessierte Laien, sind am Wochenende nach Wadern gekommen, um sich über das Leben im Mittelalter auszutauschen.

Der Anlass: das vierte saarländische Burgensymposium, zu dem der Verein der Gasthörer und Gasthörerinnen – Kulturkreis an der Universität des Saarlandes eingeladen hatte. Mit Vorträgen, Führungen sowie der Vorführung einer rekonstruierten Steinschleuder hat der Verein dabei über 100 Menschen nach Wadern gelockt.

Übrigens fand 2009 ein Burgensymposion in Kirkel statt. Die damalige Mitorganisatorin und saarpfälzische Burgenexpertin, Christel Bernard,war auch diesmal wieder dabei.

Bernard berichtete am Samstag, 1. Juli, über das Thema „Archäologie ohne Spaten. Erkenntnisse zu Burg und Schloss Blieskastel durch Geoprospektion“.

Ziel des Symposiums sei es, wissenschaftliche Erkenntnisse einem breiten Publikum zugänglich zu machen, erläutert Hans-Joachim Kühn, Vorsitzender des Vereins. Und so richtet sich das Symposium nicht nur an Menschen, die sich auf wissenschaftlicher Ebene mit Geschichte auseinandersetzen, auch wenn diese wohl den Besucherschwerpunkt ausmachen.

Auftakt der zweitägigen Veranstaltung: ist eine Besichtigung der Burg Dagstuhl am Freitagnachmittag. Ludwig Heil und Evi Zarth zeigen den insgesamt rund 40 Besuchern in zwei Gruppen, was alles über die Burganlage bekannt ist – und weisen auch darauf hin, was nicht bekannt ist.

„Es macht für mich ein Stück weit den Reiz von Burgen aus, dass man nicht alles weiß“, erzählt Heil dabei. Zwar gebe es einige Unterlagen, doch vieles sei nicht klar, erläutert der Vorsitzende des Vereins „Die Tafelrunde“. Wo genau die Zisterne stand oder wie der Zwinger verlief, ist heute nicht bekannt. Bei der Frage, aus was das Gebück – also der aus Hecken geflochtene Schutz – um die Burg bestand, wird schnell offensichtlich, da das Publikum hauptsächlich aus Menschen vom Fach besteht. Es werden Theorien geäußert und Vergleiche gezogen.

Diese Diskussion im lockeren Kreis entspreche genau der Bedeutung eines Symposiums, erläutert Kühn: Denn das Ausgangswort „Symposion“ bedeute, dass man „zusammen trinkt und schwer verdauliche Inhalte leichter verarbeitet“. So zeigt sich auch die Besichtigung im Stadtmuseum Wadern, der zweite Programmpunkt am Eröffnungstag, leicht zu verstehen. Museumsleiterin Christina Pluschke erklärt anhand von Filmmaterial, wie die Burg Dagstuhl ausgesehen haben könnte. Danach präsentiert sie Tischregeln aus dem Mittelalter und – ihr Lieblingsobjekt – einen Flohfänger aus Bein, also Knochen.

Gegen 19 Uhr ziehen die Museumsbesucher dann zu den Lichtspielen Wadern, wo die offizielle Eröffnung stattfindet. Vor mittlerweile rund 60 Gästen spricht zuerst Kühn und wünscht „einen reichen Erkenntnisgewinn über Burgen“. Davon gebe es im Stadtgebiet immerhin ganze fünf, ergänzt Bürgermeister Jochen Kuttler. „Vier der fünf Burgen liegen unweit der Römerstraße zwischen Trier und Tholey sehr nah beieinander“, betont Jörg Müller vom Verein für Heimatkunde Wadern und richtet gleich einen Anstoß an Stadt und Landkreis, die Burg Schwarzenberg mehr in den Fokus zu rücken. Denn diese sei „archäologisch interessant“.

Doch zunächst geht es weiter um die Burg Dagstuhl. Im Eröffnungsvortrag spricht Kühn über eine Bauabrechnung der Erbengemeinschaft, die aus den Jahren 1466 bis 1480 stammt. Anhand der Dokumente zeigt er, wie viel Geld ausgegeben wurde und wofür – eine Umrechnung in die aktuelle Währung sei jedoch nicht möglich, da es heute ein „ganz anderes Preisgefüge“ gebe. Der Großteil der Ausgaben, fast 90 Gulden, seien dabei in den Neubau eines Kaplanshauses geflossen. Für das Sauberhalten des Zwingers wurden ganze 18 Gulden ausgegeben.

Der Samstag als zweiter Tag des Symposiums steht dann ganz im Zeichen weiterer Vorträge um Burgen des Saarlandes. Über die Anlagen im Stadtgebiet von Wadern spricht Christina Pluschke, während sich Christel Bernard Burg und Schloss Blieskastel annimmt.

Die Liebenburg bei Namborn ist Thema von Wendelinus Naumann, Sabine Hornung und Timo Lang nehmen sich indes der Burgstelle auf dem Söterberg bei Schwarzenbach an. Carsten Geminer beschließt mit seinen Ausführungen zur Burg Illingen diesen Teil des Programms.

Ab Nachmittag dreht sich dann alles um das Einarmhebelgeschütz. Nach einer Einführung von Kühn über dessen Verbreitung und Entwicklung geht es um die Rekonstruktion durch den Gasthörerverein. Bereits im Juli 2009 wurde beschlossen, den Bau der Schleuder in die Wege zu leiten, erläutert Kühn. Gemeinsam mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft wurden dann Pläne erstellt, bis der eigentliche Bau 2013 starteten. Dabei mussten viele Probleme gelöst werden, ergänzt Kühn, zum Beispiel, wie das Gerät aufgebaut werden könne, ohne einen modernen Kran zu verwenden.

Davon, dass die Lösung aller Probleme gelungen ist, können sich die Besucher des Burgensymposiums dann um kurz nach 16 Uhr überzeugen. 82 Meter weit fliegt der Stein, den die Gasthörer auf einer Wiese hinter der Waderner Stadthalle abfeuern. Bei der Bedienung helfen die Freien Söldner aus Büschfeld.

Doch nicht nur die aufregende Vorstellung am Samstag ist bei den Besuchern gut angekommen. „Wir interessieren uns für die Burgen aus der Umgebung“, nennt Anne Lermen den Grund, aus dem sie zum Symposium gekommen ist.  Ebenfalls ihr Interesse an Burgen hat Nelly Brügelmann aus Saarbrücken nach Wadern gelockt. „Ich habe das Plakat gesehen und alle angehauen, mitzugehen“, sagt die junge Frau, die im Landesarchiv arbeitet. Ihrem Ruf gefolgt ist unter anderem ihr Kollege Florian Deller aus Zweibrücken, dem das Interesse für das Mittelalter fast schon in die Wiege gelegt wurde: „Meine Großeltern sind schon immer mit mir auf Burgen gegangen“, erinnert er sich. 

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