Radtour über 4200 Kilometer Nunkircher macht sich auf den Weg zum Nordkap

Nunkirchen · Er outet sich als begeisterter Gravel-Biker. „Morgens losfahren, abends irgendwo ankommen, zwischendurch anhalten, quatschen, schauen, genießen ... herrlich!“, gerät Thomas Weyand über die Form des Radfahrens ins Schwärmen, in die er sich vor ein paar Jahren verliebt hat.

 Thomas Weyand trainiert für seine Teilnahme an dem Distanz-Radrennen, das ihn bis zum Nordkap führt.

Thomas Weyand trainiert für seine Teilnahme an dem Distanz-Radrennen, das ihn bis zum Nordkap führt.

Foto: Sandra Veit

Dem Mann aus Nunkirchen imponiert, dass er mit seinem ebenso geländegängigen wie straßentauglichen Drahtesel mühelos einen Abstecher durch den Wald machen oder auf unbefestigte Straßen ausweichen kann, um einen Stau zu umgehen. Jetzt will der zweifache Familienvater mit seinem Gefährt, einer Mischung aus Mountainbike und Rennrad, auf ganz große Tour gehen – bis über den Polarkreis hinaus. Northcape 4000 heißt das Rennen, bei dem er sich angemeldet hat und keine Hilfe von außen entgegen nehmen darf. Ob einkaufen, Rad reparieren oder für eine Unterkunft sorgen: Bei allem sind die Teilnehmer auf sich alleine gestellt.

„Am 22. Juli geht’s in Turin los“, erzählt der Produktionsleiter bei einem Automobil-Zulieferunternehmen. Bis zum 15. August geben die Gastgeber den Teilnehmern Zeit, die 4200 Kilometer bis zum Nordkap zu bewältigen. Die Strecke will der 54-Jährige nach eigenen Worten bis zum 6. August schaffen. „Wenn ich ein paar Tage später ankomme, ist das auch kein Problem“, sagt er.

Für TW, wie ihn Familie und Freunde liebevoll nennen, steht Sport „seit den ersten Gehversuchen auf meiner Agenda. Somit habe ich ausprobiert und ausgeführt: Fußball, Tennis, Badminton, Laufen, Mountainbike, Skifahren, Snowboard, Golf und nun auch noch Gravel-Biken“, verrät er. Schon immer sei er gerne mit dem Rad unterwegs gewesen – auch bei den Urlaubsreisen nach Südtirol. Was ihm den Drahtesel noch sympathischer machte: „Ein Freund hat gerne Fahrräder hergestellt – zunächst in Eigenregie. Dann wechselte er zu einer Firma und baute neue Reiseräder, an denen man viel Gepäck unterbringen kann – eine Sache, die mir sehr gut gefallen hat“, sagt er.

Vor zwei Jahren dann startete er mit einem Freund zu einer spontanen Tour nach Bozen – eine Sache, die ihn nicht mehr los ließ. „Wenn du das erste Mal am Horizont die Alpen siehst, dich nachts den Fernpass über die alte Via Claudia Augusta hoch quälst, den Similaun überquerst, den Vernagtsee im Schnalstal unter dir in tiefem Grün siehst, nach der langen Abfahrt durch das Schnalztal den Radweg an der Etsch erreichst, um gemütlich nach Bozen zu trudeln, so was brennt sich in dein Hirn ein. Und das willst du immer wieder haben“, gerät Weyand ins Schwärmen.

Auch die Begegnung mit einem Schweden, der in Südtirol mit seinem Mountainbike unterwegs war, habe ihn entscheidend geprägt. „Ich traf ihn abends, als ich beim Joggen war. Ich wollte ihn mit in unsere Ferienwohnung nehmen, wo er sich hätte duschen können, wir ihm was zu essen gegeben hätten und er hätte schlafen können. Doch er lehnte dankend ab und wollte die 40 Kilometer bis Bozen unbedingt noch an diesem Tag schaffen.“ Bei Thomas Weyand reifte, wie er erzählt, die Idee, beim Transcontinental Race in die Pedale zu treten – einem der härtesten Radrennen der Welt. „Rund 4000 Kilometer müssen bei der Challenge zurückgelegt werden – und das nonstop“, erzählt er. „Die vielen Kilometer sind nicht die einzige große Hürde, die zu überwinden ist.“ So müssen sich die Teilnehmer während der Fahrt um den Einkauf, um Reparaturen und um Übernachtungsorte selbst kümmern.

 Thomas Weyand

Thomas Weyand

Foto: Sandra Veit

Zwar gebe es kein Zeitlimit. Doch wer einen der vorderen Plätze ergattern wolle, müsse mit wenig Schlaf auskommen und dürfe die Zeit nicht mit Pausen verplempern. 2013 sei das Rennen von Mike Hall ins Leben gerufen worden und finde seitdem jeden Sommer statt. „Waren im ersten Jahr nur 30 Teilnehmer am Start, bewarben sich 2016 schon über 1000 Menschen aus der ganzen Welt auf die begehrten Plätze. Nur 350 wurden angenommen“, erzählt er. Vier Checkpoints müssen angefahren werden, die sich Jahr für Jahr ändern. Dazwischen könne die Strecke frei gewählt werden. So sei viel Vorbereitung erforderlich, um einen möglichst guten Reiseweg zu wählen. Aber letztlich hat sich Weyand gegen eine Teilnahme entschieden, erzählt er. „Zum einen ist das Rennen zu schnell ausgebucht. Zum anderen ist das Ziel, das in diesem Jahr Thessaloniki sein wird, zu heiß.“

Daher habe er sich für das Northcape 4000 Race entschieden. Zehn Länder werden auf der 4200 Kilometer langen Route durchquert und der nördliche Polarkreis überschritten. „Allein dies ist für mich und sicherlich viele andere Teilnehmer eine reizvolle Herausforderung“, sagt er. Angst können ihm die langen Etappen nicht einflößen. Denn er weiß um sein Durchhaltevermögen. „Ich hätte niemals geglaubt, dass man 375 Kilometer an einem Stück Rad fahren kann, bis ich es selbst ausprobiert habe. Und ich bin der Meinung, es wäre noch weitergegangen, wenn der Treffpunkt mit meinen Freunden nicht nach 375 Kilometern erreicht worden wäre“, beschreibt er seine Erfahrung über lange Distanzen.

Mit Ehefrau Bianca wird er zum Start nach Turin reisen, der für den dritten Samstag im Juni terminiert ist. „Sie fährt dann mit dem Auto nach Lausanne, wo wir uns nach meiner ersten Etappe, die ich auf dem Rad zurücklegen werde, im Hotel treffen.“ Wenn sie nach dem Wochenende wieder in der Heimat angekommen ist, geht es für ihn in die Vollen – das Ziel vor Augen und das Handy in der Tasche. Denn er will die Tour in Bild und Ton festhalten. „Waderns Bürgermeister Jochen Kuttler hat mich gebeten, nach meiner Heimkehr meine Erlebnisse im Waderner Kino zu erzählen“ – ein Wunsch, dem er gerne nachkomme, sagt Weyand.

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