Stadtrat stellt die Weichen in Sachen Windkraft

Wadern · SZ-Redakteur Christian Beckinger sprach mit dem Waderner Bürgermeister Jochen Kuttler über die rechtlichen Hintergründe des geplanten Windparks Wenzelstein und die Position der Stadt zu dem Vorhaben.

 Der Waderner Bürgermeister Jochen Kuttler will in Sachen Windkraft nichts überstürzen.

Der Waderner Bürgermeister Jochen Kuttler will in Sachen Windkraft nichts überstürzen.

Foto: stadt

Der Stadtrat der Stadt Wadern hat in seiner letzten Sitzung das Einvernehmen zum Antrag der Firma ABO Wind zur Errichtung von sechs Windrädern im Bereich Wenzelstein im Stadtteil Lockweiler versagt. Außerdem hat der Rat in einer weiteren darauf aufbauenden Entscheidung die Zurückstellung des Baugesuches für den Windpark Wadern-Wenzelstein beschlossen. So heißt es in der Amtssprache. Was bedeutet dieser Beschluss konkret für den dort geplanten Windpark? Sind die Pläne damit vom Tisch?

Jochen Kuttler: Nein, sie sind natürlich nicht vom Tisch. Der Antrag liegt ja weiter vor. Wir haben jedoch die Chance, die Dinge in Ruhe zu ordnen. Und das heißt für uns, zuerst werden wir in aller Sachlichkeit und mit der gebotenen Gründlichkeit die erste Änderung des sogenannten "sachlichen Teilflächennutzungsplans Wind ", kurz sTFNP genannt, erstellen, der dann Konzentrationszonen für Windkraftenergie in der Stadt Wadern ausweist. Wir wollen eine geordnete Entwicklung, die sowohl dem gesetzlichen Auftrag, der Windkraft substantiell Raum zu geben als auch den berechtigten Einwänden und Bedenken der Bürgerinnen und Bürger gerecht wird. Um das zu gewährleisten, waren die formalen Beschlüsse in der Stadtratssitzung vom 10. Oktober 2016 notwendig.

Was waren für den Rat die maßgeblichen Gründe für seine ablehnende Haltung gegenüber den Plänen der Firma ABO Wind für den Windpark Wadern-Wenzelstein?

Kuttler: Wir können kein Einvernehmen zu einem Antrag herstellen, wenn unser gültiger Teilflächennutzungsplan Wind die in Frage kommende Fläche gar nicht beinhaltet. Zwar sind wir im Begriff, hier einen neuen sTFNP zu erstellen, der ist jedoch erst in der Planungsphase. Deshalb haben wir folgerichtig das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz darum gebeten, den vorliegenden Bauantrag zurückzustellen.

Der vorgesehene Standort der sechs Windräder auf dem Wenzelstein ist im gültigen Flächennutzungsplan Wind der Stadt Wadern nicht als Vorranggebiet ("Konzentrationszone" im Amtsdeutsch) für Windenergienutzung vorgesehen. Wie war es der Firma ABO Wind dennoch möglich, auf dieser Fläche beim Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz den Bau eines Windparks zu beantragen?

Kuttler: Weil das Eine mit dem Anderen überhaupt nichts zu tun hat. Sie können einen Bauantrag theoretisch für jede x-beliebige Fläche stellen. Die Frage ist später nur, ob dieser Antrag dann auch zu Ihrem Flächennutzungsplan passt. Wenn nicht, kann er abgelehnt werden. Wenn ja, geht das Verfahren seinen Weg durch die Instanzen. Natürlich ist für die Firma absehbar, dass sich aufgrund der Gesetzeslage im Saarland am Wenzelstein durchaus die Möglichkeit bieten könnte, in Zukunft hier tätig zu werden. Insofern ist der Antrag auch keine Überraschung. Er ist aber zu diesem Zeitpunkt, ab dem wir mitten in der Aufstellung der ersten Änderung des sTFNP sind, für uns nicht bearbeitungsfähig.

Es gab noch weitere Beschlüsse in dem Zusammenhang mit dem Windpark Wenzelstein. So hat der Rat den Aufstellungsbeschluss zur Erstellung eines Bebauungsplans für die dafür vorgesehene Fläche sowie eine Veränderungssperre für den Geltungsbereich dieses Bebauungsplanes beschlossen. Was haben diese Beschlüsse für eine Bedeutung?

Kuttler: Um ganz sicher zu gehen, dass sich am Wenzelstein die Dinge nicht anders entwickeln, als wir es im Rahmen der bestehenden Gesetze wollen, hat der Rat den Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplans gefasst. Das gibt uns die Möglichkeit, die Entwicklung dort, auch nach der Erstellung und Genehmigung der ersten Änderung des Teilflächennutzungsplans Wind , nachhaltig mitbestimmen zu können. Auch in Gesprächen mit einem möglichen Investor. Hier geht es auch wieder darum, die unter den gegebenen Umständen bestmögliche Lösung zu finden. Die Veränderungssperre ist im Übrigen die logische Folge des Beschlusses, einen Bebauungsplan aufzustellen. Damit soll verhindert werden, dass jemand während der Planungsphase Fakten schafft, die unseren Planungsvorstellungen zuwider laufen.

Wird die Stadt Wadern auf Grund der jüngsten Entwicklungen in Sachen Windkraft den aktuell gültigen Flächennutzungsplan nochmals überarbeiten?

Kuttler: Der aktuell gültige Flächennutzungsplan der Stadt Wadern wurde beklagt. Mit guter Aussicht auf Erfolg, wie uns unser Rechtsbeistand versichert hat. Insofern waren wir gezwungen, aktiv zu werden. Die Folge davon ist das aktuelle Verfahren, das zum Ziel hat, einen rechtssicheren sachlichen Teilflächennutzungsplan Wind aufzustellen. Das ist ein ebenso komplexer wie komplizierter Prozess, an dem die Öffentlichkeit in mehreren Stufen beteiligt wird. Das ist uns auch ganz wichtig, weil es hier rein gar nichts zu verheimlichen gibt. Wir legen dabei größten Wert darauf, einen Teilflächennutzungsplan zu entwickeln, der auch bei einer eventuellen gerichtlichen Auseinandersetzung Bestand haben wird. Denn wenn ein rechtskräftiger Plan vor Gericht gekippt wird, kann jeder Investor auf jeder Fläche, die den gesetzlichen Vorgaben entspricht, Windkraftenergieanlagen bauen. Dann reden wir aber nicht mehr von 800, 1000 oder 1100 Metern Abstand zu Wohnbauflächen, sondern von 650 Metern.

Welche rechtliche Relevanz hat ein sTFNP Wind grundsätzlich für geplante Windkraftprojekte auf dem Gebiet der Stadt?

Kuttler: Ein Teilbereich dieses sTFNP der Stadt beinhaltet Konzentrationszonen, die nach eingehender Untersuchung für die Windkraftnutzung in Frage kommen. Dieser sogenannte "Teilflächennutzungsplan Wind " sagt, wo die Stadt Windkraft konzentrieren will und wo sie die Aufstellung von Windkraftenergieanlagen ausschließt. Das hört sich an, als ob die Ratsmitglieder hier nach freiem Ermessen schalten und walten könnten. In Wahrheit ist es aber so, dass etliche gesetzliche Vorgaben das Korsett so eng schnüren, dass real kaum Handlungsspielraum bleibt. Ich persönlich finde, dass die Verantwortung hier von der hohen Politik auf die Ebene der Städte und Gemeinden abgeschoben wurde, getreu dem Motto: "Ihr habt zwar die Planungshoheit, aber nur nach unseren Vorgaben." Nur ist so den Bürgerinnen und Bürgern kaum zu vermitteln, wer wofür die Verantwortung trägt.

In der Sitzung am Donnerstag wird der Stadtrat sich wieder mit dem Windpark Wadern-Wenzelstein befassen. Welche Entscheidungen stehen dann an, und welche Bedeutung haben sie in dem laufenden Verfahren?

Kuttler: In der Sitzung am Donnerstag geht es um die weitere Vorgehensweise in Bezug auf unsere erste Änderung des sTFNP Wind . Der Stadtrat berät über die Frage, welche Abstände zu Wohnbauflächen, zu Mischgebieten, zu Krankenhäusern, Gewerbegebieten etc. er für die weitere Planung zugrunde legen will. Das Gebiet Wenzelstein ist dabei konkret überhaupt kein Thema, da es ja um alle möglichen Potenzialflächen im Stadtgebiet geht. Natürlich fließen auch die rund 160 Anregungen der Bürgerinnen und Bürger, die während der frühzeitigen Bürgerbeteiligung gemacht wurden, in die Überlegungen des Rates mit ein. Aufgrund der Entscheidung, die der Stadtrat am Donnerstag voraussichtlich fällt, werden die Planer dann erneut tätig. Nach einer neuerlichen Beratung - voraussichtlich im Januar 2017 - wird der Rat dann die öffentliche Auslegung des Planentwurfsbeschließen. Hier sind die Bürgerinnen und Bürger, wie aber auch etliche Behörden, Institutionen erneut aufgefordert, ihre Anregungen, Bedenken, Sorgen und Nöte in Bezug auf den Entwurf der ersten Änderung des sTFNP der Stadt Wadern zu äußern. Am Ende muss der Stadtrat dann diese Anregungen abwägen und irgendwann eine Entscheidung treffen, welche Potenzialflächen im Stadtgebiet für die Nutzung von Windkraft als Konzentrationszonen tatsächlich ausgewiesen werden. Ich rechne hier nicht mit einer Entscheidung vor Frühjahr 2017.

Wenn die erste Änderung des sTFNP Wind steht und ein neuer, vielleicht veränderter Bauantrag der ABO Wind vorgelegt wird, wie ist dann das weitere Prozedere?

Kuttler: Passt der Bauantrag in die Kulisse unseres Flächennutzungsplans, wird die Stadt das Einvernehmen herstellen müssen. Sie hat dann rechtlich überhaupt keine Wahl. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für den Bau von Windkraftanlagen werden aber etliche Gutachten gefordert und natürlich auch wieder die Bürgerinnen und Bürger, die Behörden und Institutionen aufgefordert, ihre Einwände und Bedenken geltend zu machen. Diese werden dann im Rahmen des Verfahrens abgearbeitet. Die abschließende Entscheidung für oder wider den Bau von Windkraftenergieanlagen trifft das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz. Gegen diese Entscheidung kann natürlich geklagt werden.

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