Reise durch tierische Literatur

Nunkirchen. Jürgen Wegscheider und István Galus sitzen am Samstagabend auf der kleinen Bühne im urigen Ambiente des Gasthauses Salm in Nunkirchen und warten - schier verzweifelt - auf ihre Kollegin Barbara Weinzierl

Nunkirchen. Jürgen Wegscheider und István Galus sitzen am Samstagabend auf der kleinen Bühne im urigen Ambiente des Gasthauses Salm in Nunkirchen und warten - schier verzweifelt - auf ihre Kollegin Barbara Weinzierl. Die stürmt plötzlich von außen ins Lokal und schildert besorgt: "Es sitzt ein Vogel auf dem Leim"! Durch diesen überraschenden Einstieg mit Wilhelm Busch haben die Schauspieler ihre Zuhörer ab der ersten Minute am Haken und lassen das Publikum fortan nicht mehr los. Unter István Galus' lebendigen Klängen von Violine und Gitarre tragen die Münchner Schauspieler Weinzierl und Wegscheider Tucholskys Geschichte vom Löwen vor, der aus dem Berliner Zoo in die Weltstadt entflieht, dabei seinen Apostrophen verliert, und das vermeintlich wunderbare Großstadtleben als so überhaupt nicht erstrebenswert erlebt. Durch die Vielfalt ihrer vokalen Ausdrucksfähigkeit und bei musikalischer Bildmalerei erfährt das Werk eine Lebendigkeit, die das Publikum in seinen Bann zieht. Während der "fünften, sogenannten feuchten Sinfonie" von Manfred Kyber dirigiert Barbara Weinzierl souverän den philharmonischen Chor der Frösche. Urkomisch stellen Wegscheider und seine Partnerin schließlich auch Grimm's Märchen der "Bremer Stadtmusikanten" dar, wobei die gebürtige Klagenfurterin ihre Fähigkeiten als Tierstimmenimitatorin eindrucksvoll unter Beweis stellt. Den Spiegel der Menschheit bekommen die Besucher an diesem Abend vorgehalten, als ihnen auf brillante Art mit Tucholskys "Affenkäfig" die Einfältigkeit der großen, nackten Affen vorgeführt wird, und damit das Verhältnis zwischen Affen und Menschen auf den Kopf stellt. Die kabarettistische Lesung gestaltet sich so völlig anders als "übliche" Vortragslesungen. Leichte und spielerische Texte vereinen sich im Ringelreihen mit ironischen und bissigen Stücken zu einer Reise durch ein Land tierischer Literatur. Ein gelungener Auftakt zur etablierten Waderner Buchwoche und ein weiterer Akzent im Programm von "Kultur am Tor", der neugierig auf kommende Veranstaltungen macht.

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