Morscholz auf dem Weg zum Mehrgenerationendorf

Morscholz · Die Befragung der Morscholzer Bewohner förderte interessante Erkenntnisse zutage: So lehnen etwa 25 Prozent ein Wohnen im Mehrgenerationenhaus ab. 75 Prozent der 20- bis Über-60-Jährigen befanden die Einkaufsmöglichkeiten für schlecht.

 Morscholzer engagieren sich, wie beim Brückenbau, für ihren Ort. Fotos: Erich Brücker, DPA/Uwe Anspach (1)

Morscholzer engagieren sich, wie beim Brückenbau, für ihren Ort. Fotos: Erich Brücker, DPA/Uwe Anspach (1)

Morscholz , wir machen unsere Zukunft", heißt es ab sofort im Waderner Stadtteil. Der 950-Seelen-Ort möchte zum Mehrgenerationendorf werden. Ortsvorsteher Markus Wollscheid und sein Ortsrat

hatten hierzu einen Fragebogen erstellt, diesen allen Bürgerinnen und Bürgern zugestellt und um Antwort gebeten. Jetzt wurde dieser Fragebogen ausgewertet und das Ergebnis den Bürgern zusammen mit Bürgermeister Jochen Kuttler und weiteren Gästen im Bürgersaal vorgestellt. "Mit rund 50 Mitbürgerinnen und Mitbürgern war die Veranstaltung sehr gut besucht", zeigte sich der Ortsvorsteher zufrieden und wertete den guten Besuch als Beweis für eine intakte Dorfgemeinschaft, der etwas an ihrem Dorf gelegen ist. Einige Bürgerprojekte konnten in der Vergangenheit schon bewerkstelligt werden, so auch der Ort dieser Versammlung, wie Wollscheid versicherte, denn auch der Bürgersaal wurde in über 3700 freiwilligen Arbeitsstunden mit viel Energie und Einsatz innerhalb eines Jahres fertig gestellt. "Wir brauchen allerdings die Unterstützung aller Bürger ", appellierte Wollscheid an die Zuhörer. Bürgermeister Kuttler lobte das Engagement der Morscholzer, nannte ihr angestrebtes Projekt eine tolle Idee und lobenswerten Anfang, Strukturen für die Zukunft zu schaffen. "Wadern mit seinen 24 Dörfern, in denen überall unterschiedliche Bedingungen herrschen, kann alles Notwendige, denn Vieles liegt im Argen, nicht leisten, aber im Rahmen der Möglichkeiten mithelfen", sagte der Verwaltungschef seine Unterstützung zu.

Wie wird der Heimatort im Hinblick auf eine medizinische Versorgung, Einkaufsmöglich-keiten oder die Anbindung an den Personennahverkehr beurteilt? Gefragt waren auch Freizeit- möglichkeiten und -gestaltungen, das Miteinander von jungen und alten Menschen, sowie das soziale Umfeld. Ehrenamtliche Tätigkeiten waren ebenso gefragt wie neue Projekte und Ziele, die es anzupacken gelte. Lars Beck hatte die Antworten der Bürger zusammengestellt und trug das Ergebnis vor. Einkaufsmöglichkeiten - Generell wurden diese von 20- bis Über-60-Jährigen im Durchschnitt mit 75 Prozent für schlecht befunden. Nur drei Prozent der Bürger nannten sie gut, über 20 Prozent mittelmäßig. Logisch, dass der Wunsch nach mehr Einkaufsmöglichkeiten wie Dorfladen, Tante Emma Laden oder auch fahrbares Kaufhaus geäußert wurde, denn nur eine Metzgerei gibt es noch im Ort. Und diese ist nicht immer geöffnet. Bäckerei, Lebensmittel, Getränke, Obst- und Gemüseläden werden schon vermisst.

Busverbindungen - Die unter 20-Jährigen fanden diese fast zur Hälfte gut, während die bis 60-Jährigen nur ein Viertel diese Anbindung in Ordnung befanden. Die über 60-Jährigen waren mit 80 Prozent zufrieden. Im Gesamturteil waren 51 Prozent zufrieden, nur zwei Prozent nannten sie schlecht. Angeregt wurden günstigere Fahrpreise, vor allem der Fahrpreis nach Wadern sei überteuert, speziell für sozial schwache Menschen. Der Weg zur Bushaltestelle ist zuweilen beschwerlich. Von daher könne man sich mit Projekten wie Nonni-Bus (Nonnweiler) oder Seniorenbus (Merzig) anfreunden.

Medizinische Versorgung - Nur etwas mehr als 20 Prozent fanden diese gut, während 41 Prozent diese mittelmäßig fanden, 37 Prozent fanden sie schlecht. Auf fehlende Ärzte wie Urologe oder Psychologe wurde hingewiesen, ein Hausarzt vor Ort wäre wünschenswert, ebenso ein spezieller Fahrdienst zu Arztbesuchen.

Freizeitmöglichkeiten - Keine 20 Prozent fanden diese gut, knapp über 20 Prozent sogar schlecht, während knapp zwei Drittel mit dem Angebot zufrieden waren. Angeregt wurden mehr Spielplätze, auch am Sportplatz und mehr Kinderfeste (Ferien) sowie Freizeitgestaltungen für ältere Bewohner. Auch sollten Wanderwege besser ausgeschildert werden. Auch ein neuer Sportplatz sollte her. Vereine sollten Mitfahrgelegenheiten, Schnupperstunden, Kurse wie Sturzprävention oder Fit im Alter, anbieten, um Zugang zum Verein zu erleichtern; Ehrenamtliche sollten bei teuren Hobbies mithelfen, diese zu erlernen; eine größere Kirmes ist ebenso gewünscht wie Ferienprogramme und ein Bolzplatz.

Fragen zum sozialen Umfeld - Die große Mehrzahl der Mitbürger gab hierzu an, dass sie ausreichend Menschen in der Nähe hätten, denen sie sich anvertrauen könnten und von denen sie auch Hilfen erhalten. Darüber hinaus ist auch eine große Zahl bereit, mit anderen Menschen etwas zu unternehmen. Aber grundsätzlich können die meisten Mitmenschen ihre Besorgungen und Erledigungen, auch Arztbesuche noch selber regeln. Im Hinblick auf die Freizeitgestaltungen brauchen nur wenige Unterstützung oder Gesellschaft, das Gros kann dies noch alleine bewältigen, da sie mobil sind.

Angebote/Aktivitäten - Alle Befragten gaben an, Hilfestellungen und Unterstützungen zu gewähren bei Seniorenbetreuung , Gesellschaft leisten, handwerklichen Tätigkeiten, auch in Haushalt und Garten, Besorgungen, Einkäufe, Fahrdienst sowie allen möglichen anderen Diensten. Die Waage halten sich die Antworten, wenn es um die Bezahlung der Hilfeleistungen geht. Derweil bieten 80 Prozent ihre Hilfe unentgeltlich an, die Minderheit würde Geld verlangen.

Zukunft - Nur elf Prozent der Befragten können sich ein Wohnen im Mehrgenerationenhaus mit anderen Personen vorstellen, während 25 Prozent dies ablehnen. Der große Rest kann sich dies zumindest tagsüber vorstellen. Die große Mehrzahl ist auch dafür, um besser auf Bedürfnisse einzelner Personen eingehen zu können, Stammtische oder Seniorentische oder Runde Tische anzubieten.

Der Vorstellung dieser Erhebung schloss sich eine interessante Diskussion unter den Zuhörern an, zuweilen wurden auch schon gute und machbare Vorschläge für das eine oder andere Projekt gemacht. Eine Liste war ausgelegt, und jeder, der sich irgendwo einbringen wollte, sollte sich eintragen. "Mehr als 30 haben sich eingetragen, dazu haben aber auch andere ihre Mithilfe signalisiert, die nicht anwesend sein konnten", war der Ortsvorsteher mit seinen Mitbürgern zufrieden. Manfred Klein, Ortsvorsteher von Bietzen-Harlingen und Vorsitzender des Vereins "Bietzerberg - Miteinander - Füreinander", referierte über seinen Merziger Stadtteil.

Unter dem Motto "Mehrgenerationendorf Bietzerberg" hat sich der 2008 gegründete Verein zum Ziel gesetzt, die Ressourcen und Potenziale für "mehr Dorf durch generationenübergreifende Freiwilligendienst" zu nutzen. Die Dörfer Bietzen, Harlingen und Menningen seien auf einem guten Weg, und nehmen ihre Geschicke selbst in die Hand.

Das leer stehende Pfarrhaus war ein Segen und wurde zum Mehrgenerationenhaus und Anlaufstelle im Ort umgebaut. Nach Fertigstellung ist es Treffpunkt für alle Generationen.

Man habe ein Netzwerk von Freiwilligen gebildet und bietet ehrenamtliche Dienste in den unterschiedlichsten Bereichen für die Menschen der drei Dörfer an, berichtete er.

Über das Projekt "Bohnentaler Muske(l)tiere" berichtete Elisabeth Biewer, Ortsvorsteherin von Lindscheid. Auch dort haben sich die fünf Bohnentaldörfer Neipel, Scheuern, Überroth, Lindscheid und Dorf im Bohnental zusammengetan, um das gesellschaftliche und nachbarliche Engagement zu stärken.

Es werden Hilfen angeboten, die das tägliche Leben für ältere Menschen erleichtern sollen. Über 400 Einsätze haben die etwa 60 Helferinnen und Helfer in drei Jahren kostenlos erledigt. Dabei betonte Biewer, dass man keine Konkurrenz zu Firmen darstelle und kein Ersatz für die Familie sei.

Otmar Weber von der Agentur ländlicher Raum referierte über den Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft". Die Zukunft der Dörfer hänge davon ab, wie die Lebensqualität für die Bewohner erhalten und weiterentwickelt werden kann, so dass eine dörfliche naturnahe Umgebung für ältere Menschen lebenswerter und für junge Menschen mit Kindern attraktiv bleibt, sagt er.

Der Wettbewerb richtet sich laut Weber an Dörfer mit bis zu 3000 Einwohnern. Zudem gab Weber Anregungen zu dörflichen Projekten, die von Freiwilligen gestemmt werden können.

Zum Thema:

Auf einen BlickErste urkundliche Erwähnung von Morscholz war im Jahre 1098, als Kaiser Heinrich IV. dem Stift St. Simeon seine Besitzungen bestätigte. Prähistorische Funde belegen, dass der Ort wesentlich früher besiedelt war. Am 1. Oktober 1937 wurden die damaligen Gemeinden Ober- und Untermorscholz vereint. Seit 1991 unterhält die Stadt Wadern eine Städtepartnerschaft mit Wahrenbrück (Bundesland Brandenburg). Die Pflege der Partnerschaft obliegt den beiden Stadtteilen Morscholz und Steinberg. 1998 wurde das 900-jährige Bestehen des Ortes gefeiert mit einem aufwändigen historischen Festumzug, bei dem alle Vereine mitwirkten, und großem Unterhaltungsprogramm im Festzelt. red

 Mit Gästen stellte Ortsvorsteher Markus Wollscheid (Dritter von links) das Projekt von Morscholz zu einem Mehrgenerationendorf vor. Von links: Otmar Weber, Agentur ländlicher Raum, Manfred Klein, Ortsvorsteher Bietzen/Harlingen, Bürgermeister Jochen Kuttler, Elisabeth Biewer und Aloysius Berwanger (Bohnentaler Muske(l)tiere).

Mit Gästen stellte Ortsvorsteher Markus Wollscheid (Dritter von links) das Projekt von Morscholz zu einem Mehrgenerationendorf vor. Von links: Otmar Weber, Agentur ländlicher Raum, Manfred Klein, Ortsvorsteher Bietzen/Harlingen, Bürgermeister Jochen Kuttler, Elisabeth Biewer und Aloysius Berwanger (Bohnentaler Muske(l)tiere).

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HintergrundUnter dem Motto "Mehrgenerationendorf Bietzerberg" wollen die Initiatoren aus den Merziger Stadtteilen die Ressourcen und Potenziale für "mehr Dorf durch generationenübergreifenden Freiwilligendienst nutzen!" Das "Alte Pfarrhaus" wurde als zentrale Begegnungsstätte und Anlaufstelle für alle, die Hilfe brauchen oder mitmachen wollen, umgebaut. Viele Arbeitseinsätze wurden gestemmt. red

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