Integration im Kreis Leseprojekt soll bei Integration helfen

Wadern · Seit gut zwei Jahren bewegt der Zustrom von Kriegsflüchtlingen die Nation. Wie aber gestalten sich der Alltag und die Bemühungen zur Integration der Flüchtlinge in unserer Region? Die SZ greift diese Fragen in einer Serie auf. Heute Teil 2.

 Bibliothekarin Christel Franz erklärt Flüchtlingskindern den Inhalt eines Arztkoffers.

Bibliothekarin Christel Franz erklärt Flüchtlingskindern den Inhalt eines Arztkoffers.

Foto: Krewer

Zu verstehen, was die geduldige deutsche Frau ihnen vorliest, fällt den zehn syrischen Kindern noch schwer. Doch sie konzentrieren sich, sitzen brav auf Kissen auf dem Teppichboden der Waderner Stadtbibliothek. Manche schauen Hilfe suchend zu ihren Eltern. Warten darauf, dass die das Gesagte ins Arabische übersetzen. "Kennst du den Beruf deines Papas?", fragt Christel Franz, die Leiterin der Bücherei, einen kleinen Jungen, der direkt vor ihr sitzt. Mit ein wenig Hilfestellung antwortet er: "Restaurant", und strahlt. "Genau, er arbeitet in einer Küche", lobt Franz.

Drei bis vier Mal im Jahr laden sie und das Bündnis für Flüchtlinge Wadern zu dem Leseförderprojekt "LeseHeld" - ein Projekt des Borromäusvereins. Bildungsbenachteiligte Jungen sollen so schon früh den Spaß am Lesen entdecken. Jedes Treffen hat einen thematischen Schwerpunkt, an diesem Nachmittag dreht sich alles um Berufe.

Zwischen den großen Bücherregalen sitzen aber nicht nur Jungen, sondern auch Mädchen, Mütter mit oder ohne Kopftuch, Väter und Ehrenamtliche, zu denen auch Carmen Koscheny gehört, die auf einer Klappbank neben den Kindern Platz genommen hat. Besser gesagt, gehörte Koscheny zu den Ehrenamtlichen. Über ihre Arbeit hat sie eine Stelle bei der Stadt Wadern erhalten und kümmert sich nun hauptberuflich um die Unterbringung von Flüchtlingen in der Gemeinde. Die blondgelockte Frau setzt sich bereits seit 2014 ehrenamtlich für Migranten ein. "Damals gab es einen Aufruf in der Zeitung, dass Wohnraum für Flüchtlinge gesucht wird", erzählt Koscheny. Sie habe eine Wohnung zu vermieten gehabt und der Rest habe sich nach und nach ergeben. Etwa 100 ehrenamtliche Helfer zählt das Bündnis mittlerweile. Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie schwierig es für Ausländer ist, sich zu integrieren. "Meine Schwiegertochter ist Äthiopierin und musste in Deutschland einige Hürden überwinden, um hier richtig anzukommen", berichtet Koscheny.

 Carmen Koscheny.

Carmen Koscheny.

Dann wird es plötzlich laut im Raum. Christel Franz hat ein Lied angestimmt und alle im Raum steigen ein: "Grün, grün, grün sind alle meine Kleider…", tönt es durch die Bibliothek - mal mehr, mal weniger textsicher. Als das Lied zu Ende ist, setzt sich Orwa Albayash neben die Bibliotheksleiterin. Abwechselnd lesen der syrische Familienvater und die deutsche Bibliothekarin nun aus dem Buch "Beim Kinderarzt" vor. Sie auf Deutsch, er auf Arabisch. Um das Vorgelesene zu veranschaulichen, öffnet Franz einen Arztkoffer aus Plastik. Sofort versammeln sich die Kinder um den Koffer, hören sich mit dem Stethoskop gegenseitig ab, verbinden mit Hilfe der Eltern ihre Handgelenke mit Mullbinden und kleben sich Pflaster ins Gesicht. "So darf euch aber niemand sehen", sagt eine Ehrenamtliche am Ende des Lese-Nachmittags und lacht laut, "was denken die Leute dann, was wir hier mit euch machen."

Frau Koscheny, wie viele Flüchtlinge leben zurzeit in Wadern?

KOSCHENY Momentan wohnen 220 Flüchtlinge in der Gemeinde.

Sind die Flüchtlingszahlen in diesem Jahr im Vergleich zum vergangenen Jahr rückläufig?

KOSCHENY Im letzten Jahr hat die Stadt 241 Flüchtlinge aufgenommen, in diesem Jahr bisher 54.

Wo sind sie untergebracht? Gibt es genügend Wohnraum in der Gemeinde oder stehen sogar einige eingeplante Unterkünfte leer?

KOSCHENY Die Flüchtlinge sind überwiegend in von der Stadt Wadern angemieteten Wohnungen untergebracht. Zurzeit ist genügend Wohnraum vorhanden. Um Leerstand entgegenzuwirken, wurden Mietverträge gekündigt.

Welche Kosten fallen pro Jahr an?

KOSCHENY Im Jahr 2015 sind direkte Kosten, ohne Kosten des Baubetriebshofes und allgemeine Personalkosten der Ortspolizeibehörde für Flüchtlinge, in Höhe von 411 125 Euro angefallen. Davon wurden vom Kreis 277 542 Euro übernommen.

Gibt es konkrete Maßnahmen zur Integration?

KOSCHENY Das Bündnis für Flüchtlinge Wadern kümmert sich um die Integration der Flüchtlinge. Das geschieht durch persönliche Kontakte, durch ehrenamtliche Sprachvermittlung, zwei Begegnungsstätten in Nunkirchen und Wadern, ein jährliches Fest der Kulturen, Zusammenarbeit mit Vereinen, Einrichtungen und Schulen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort