Freundschaft kennt keine Grenzen

Wadern · Eine 40-köpfige Waderner Delegation besuchte unlängst die Partnerstadt Wahrenbrück in Brandenburg. 1991 wurde die Partnerschaft geschlossen. Sie existiert nicht nur auf dem Papier, sondern wird aktiv gelebt.

 Mit großem Hallo begrüßten die Gastgeber aus Wahrenbrück die 40 Gäste aus der Stadt Wadern. Fotos: Vorreiter/Stadt Wadern

Mit großem Hallo begrüßten die Gastgeber aus Wahrenbrück die 40 Gäste aus der Stadt Wadern. Fotos: Vorreiter/Stadt Wadern

"Historisch gesehen sind wir eher Sachsen", sagt Andreas Claus und zeigt auf die Sächsische Postmeilensäule, die in Wahrenbrück keinen Zweifel daran lässt, wie weit es bis Leipzig ist. 1721 per kurfürstlichem Befehl landesweit etabliert, ist die Säule, die in Wahrenbrück 1730 an Ort und Stelle kam, ein sichtbares Zeichen der langen Herrschaft der Sachsen in der Region. Die endete mit dem Wiener Kongress. Sachsen stand auf der falschen Seite, nämlich auf der der napoleonischen Franzosen, und wurde mit Gebietsverlusten bestraft. "So fiel das heutige Stadtgebiet von Uebigau-Wahrenbrück an die Preußen und ist heute Teil des Bundeslandes Brandenburgs." Andreas Claus erklärt die Historie seiner Stadt mit ebenso viel Humor wie Fachkenntnis. Der Bürgermeister der knapp 6000 Einwohner zählenden Kommune kennt die Geschichte seines Städtchens aus dem Effeff. Und hat in den 40 Gästen aus der Stadt Wadern aufmerksame Zuhörer.

1991 besiegelten Wadern und Wahrenbrück ihre Partnerschaft. "Das ist keine Verbindung, die es nur auf dem Papier gibt, sondern gelebte Freundschaft", sagt Christel Göttert, die dem Partnerschaftskomitee auf Waderner Seite vorsteht. "Der Stadtrat hat die Pflege der Partnerschaft seinerzeit den Stadtteilen Morscholz und Steinberg aufgetragen. Und wir haben unseren Job gut gemacht", lacht die 51-Jährige, wenn sie die Geschichte der deutsch-deutschen Annäherung Revue passieren lässt.

Zusammen mit ihrem Wahrenbrücker Pendant, Antje Claus, der Frau des Bürgermeisters von Uebigau-Wahrenbrück, hat Christel Göttert ein straffes Besuchsprogramm für die Gäste aus dem Saarland zusammengestellt. "Keine Angst, bei uns bleibt immer noch genug Zeit, auch die privaten Kontakte zu pflegen", sagt die Komiteeschefin und schaut zu Antje Claus hinüber. Hier haben sich zwei gefunden, die genau wissen, was sie wollen. Und die sich bestens verstehen.

Im Schlepptau von Christel Göttert haben sich zwei Bürgermeister auf den Weg gemacht. Für Jochen Kuttler, seit November 2014 Verwaltungschef in Wadern, ist es eine Reise ins Unbekannte. Sein Vorgänger Fredi Dewald kennt sich in Uebigau-Wahrenbrück hingegen bestens aus: "Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier war. Aber es ist immer wieder ein Erlebnis", sagt der Pensionär und freut sich, "alte Bekannte wiederzusehen. Die Menschen hier sind sehr herzlich. Das haben sie mit den Wadernern gemeinsam."

Jochen Kuttler kennt den Osten Deutschlands auch gut. Er war in Dresden, Magdeburg und Berlin beruflich beschäftigt. "Ich mag die Mentalität der Menschen hier. Sie ist anders als bei uns, aber wenn man sich darauf einlässt, gewinnt man Freunde fürs Leben." Die Chemie zwischen ihm und Andreas Claus stimmt von der ersten Minute an. "Andreas ist ein echter Macher, jemand, dem nichts zu viel ist für seine Stadt. Jemand, der immer im Blick hat, wie man in schwierigen Zeiten trotzdem etwas erreicht. Not macht halt erfinderisch. Ich glaube, das haben die Brandenburger genauso verinnerlicht wie die Saarländer."

Untergebracht sind die Morscholzer, Steinberger und Wadriller Gäste bei Privatleuten - alten Freunden und neuen Bekannten. Etikette zählt nicht. Das Du regiert die Festgesellschaft. Gastgeschenke werden beim Begrüßungsabend ausgetauscht. Und es wird gefeiert. Wahrenbrücker und Waderner bunt durcheinander. Nur anhand der Dialektfärbung lässt sich ausmachen, wer wohin gehört. Grenzen? Fehlanzeige! Und so weit ist das Sächsische vom Moselfränkischen nach ein paar Bier doch gar nicht entfernt...

Am zweiten Besuchstag steht ein Abstecher nach Leipzig auf dem Programm. Mit 554 000 Einwohnern ist Leipzig die größte Stadt Sachsens und die am schnellsten wachsende Großstadt Deutschlands.

Etwas müde, aber guten Mutes geht es am nächsten Tag auf Individualtour. Will sagen, jeder Gastgeber nimmt die ihm anvertrauten Saarländer mit auf Tour. Ein Ausflug in den Spreewald steht ebenso auf dem Programm wie ein Abstecher in die knapp 80 Kilometer entfernte sächsische Landeshauptstadt Dresden. Es geht aber auch etwas kleiner. Wie etwa mit einem Besuch von Schloss Doberlug oder des Klosters Mühlberg. Ex-Bürgermeister Fredi Dewald verschlägt es mit seinem Gastgeber in die sächsische Schweiz. "Einfach herrlich", schwärmt der frühere Waderner Rathauschef von der Landschaft des Elbstrandsteingebirges, die durch ihre bizarren Felsformationen besticht.

Für Jochen Kuttler steht Sport auf dem Programm. Familie Claus hat zur Radtour geladen. Knapp 30 Kilometer geht es auf dem Drahtesel kreuz und quer durch das Stadtgebiet von Uebigau-Wahrenbrück. Auf dem Weg: Die Brikettfabrik Louise - heute als Industriedenkmal ein Touristenmagnet, früher ein großer Arbeitgeber in der Region. Der Rothsteiner Felsen will erobert werden. Der 560 Millionen Jahre alte Felsbrocken ragt aus der ansonsten flachen Landschaft hervor. Eine Attraktion, über die die Gäste aus dem Saarland angesichts der Berg- und Hügellandschaft bei ihnen zu Hause schmunzeln. Vorbei geht es am Morscholzer und Steinberger Weg im so genannten "Kleinen Spreewald" hin zur Schlossherberge, dem Koblikbrunnen und dem Rathaus in Uebigau. Der kleine Ort München, 20 Menschen bevölkern die wenigen Häuser, wird nur gestreift. Schade eigentlich, denn das Oktoberfest des Dörfchens lockt Jahr für Jahr rund 15 000 Besucher an. Doch einsetzender Regen lädt dazu ein, trockenere Quartiere aufzusuchen. Und ein Gläschen auf die Freundschaft zu trinken. Der Abend wird lang und die Nacht kurz. Zeit zu schlafen ist im Bus am anderen Morgen genug. Nach drei Tagen heißt es die Heimreise antreten.

Eine lange Reise wird es sein - exakt 666 Kilometer lang. Mit dem Bus dauert das zwischen zehn und zwölf Stunden. "Eine kleine Weltreise, die sich aber immer wieder lohnt", sagt Christel Göttert aus Morscholz. Die Chefin des Partnerschaftskomitees auf Waderner Seite nimmt ihre "Amtskollegin" aus Wahrenbrück in den Arm. Und Antje Claus verspricht einen baldigen Gegenbesuch im Hochwald. "Wir warten nicht bis nächstes Jahr. Privat sind wir wahrscheinlich im Juli oder August in Wadern", sagt die Lehrerin. Und lächelt. Die Freundschaft lebt.

 Ein großer Findling in Wahrenbrück erinnert an die Anfänge der Partnerschaft mit der Stadt Wadern. Unser Foto zeigt (v. l.): Wolfgang Göttert, Christoph Heimes, Bürgermeister Jochen Kuttler, Antje Claus, Bürgermeister Andreas Claus, Christel Göttert, Benjamin Trampert und Elke Simon.

Ein großer Findling in Wahrenbrück erinnert an die Anfänge der Partnerschaft mit der Stadt Wadern. Unser Foto zeigt (v. l.): Wolfgang Göttert, Christoph Heimes, Bürgermeister Jochen Kuttler, Antje Claus, Bürgermeister Andreas Claus, Christel Göttert, Benjamin Trampert und Elke Simon.

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Auf einen blickWahrenbrück ist ein Stadtteil der Stadt Uebigau-Wahrenbrück (Brandenburg, 6000 Einwohner, 136 Quadratkilometer). Seit 1991 besteht die Partnerschaft mit der Stadt Wadern, die sich in etlichen gegenseitigen Besuchen manifestiert. Partnerschaftskomitees in beiden Städten sind der Motor der Freundschaft. 2016 feiert die freundschaftliche Verbindung 25-jähriges Bestehen, was mit einem besonderen Programm in Wadern gefeiert werden soll. red

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