„Es geht um Liebe, Alkohol und Kirmes“

Wadern · Wadern. Seinen neuen Roman „Hammelzauber“ hat Autor Frank P. Meyer am Dienstag und am Donnerstag in der Bücherhütte Wadern vorgestellt. SZ-Mitarbeiter Martin Trappen sprach mit Meyer über sein aktuelles Werk, über schlüpfrige Szenen, die Risiken der Atomkraft und darüber, was die Kirmes in seinem Heimatort Primstal mit dem Buch zu tun hat.

 Freut sich über den „Ritterschlag mit Lesebändchen“, den ihm „Hammelzauber“ beschert hat. Foto: Elke janssen

Freut sich über den „Ritterschlag mit Lesebändchen“, den ihm „Hammelzauber“ beschert hat. Foto: Elke janssen

Foto: Elke janssen

Herr Meyer, die wichtigste Frage zuerst: Wer ist in Ihrem Roman der Mörder ?

Frank P. Meyer: Lassen Sie mich Ihre Frage mit einer Frage beantworten: Der Mörder ist immer der Pfleger?

Oder der Gärtner? Oder der Butler?

Meyer: Oder auch nicht?

Sie wollen es also nicht verraten?

Meyer: Nein, Sie müssen mein Buch schon selbst lesen.

Ist Ihr neuer Roman denn ein typischer Krimi?

Meyer: Definitiv nicht, nein. Ich würde meinen Roman auch in einem Buchladen nicht bei den Krimis einsortieren, sondern eher unter Romanen.

Wenn es kein Krimi ist, worum geht es dann in Ihrem, ok, nennen wir es Roman?

Meyer: Nun ja, oberflächlich geht es schon um einen Kriminalfall. Doch im Kern geht es um einen Rückblick auf das Leben der Hauptfigur Justus. Was hat er richtig gemacht, was hat er falsch gemacht? Was bereut er, was nicht?

Wie schätzen Sie Ihr neustes Buch im Vergleich zu den Vorgängern ein?

Meyer: Ich glaube, es ist ernster als die vorherigen, auch wenn es einige witzige Stellen gibt. Außerdem ist es mein dickster Roman bisher, mit rund 450 Seiten.

Was ist sonst noch neu?

Meyer: Nun, am Genialsten ist, dass das Buch ein Lesebändchen hat. Für einen Autor ist das wie ein Ritterschlag, müssen Sie wissen. Das ist eine der Sachen, die mir der Conte-Verlag mit "Hammelzauber" beschert hat. Die andere Sache ist weniger schmeichelhaft: Als Autor über 50 habe ich eine spezielle Ü-50 gerechte Leseausgabe erhalten, sprich ein Großdruck mit Schriftgröße 18-Punkt. Und ich muss ganz ehrlich sagen, es ist super!

Woher stammt die Grundidee für "Hammelzauber"?

Meyer: Ich nehme mir in meinen Büchern immer die Generation von 1962 bis 65 vor, die Baby-Boomer. Ich bin selbst 1962 geboren, daher ist das immer der Ausgangspunkt. Für mich ist das dann ein Gedankenspiel: Was wenn? Für Hammelzauber war die Frage: Was, wenn die Baby-Boomer alt sind? Daher habe ich die Geschichte dieses Mal in der Zukunft angesiedelt, in Primstal in den 2040er Jahren.

Nun sind Sie aber nicht einfach rund 25 Jahre in die Zukunft gesprungen. Sie haben das Atomkraftwerk Cattenom hochgehen lassen und das Nordsaarland zum Sperrgebiet erklärt. Warum?

Meyer: Diese Zukunftsvision alleine hat mir nicht gereicht, ich wollte die altgewordenen 1962er auch in eine Extremsituation versetzen: Sie wohnen in einem Primstal, das am Randgebiet einer Sperrzone nach einem Atom-Unfall erklärt wurde. Und seit Fukushima ist das Thema Bedrohung durch Atomkraftwerke immer auf der Agenda.

Ist das Zufall?

Meyer: Ich hoffe doch. Ansonsten würde ich mir schon Sorgen machen, wenn der Conte-Verlag persönlich für die Diskussion gesorgt hat, um das Buch besser zu verkaufen. Am Ende hat mein Verleger Stefan Wirtz da noch die Finger mit drin!

Mir sind bei Ihrer Lesung ein paar anzügliche Szenen aufgefallen. Sollte man eventuell einen Warnaufkleber anbringen?

Meyer: Nicht für schlüpfrige Szenen. Wenn eine Warnung, dann: Vorsicht! Enthält Dorf-Groteske! Und vielleicht noch: Vorsicht! Enthält Primstaler Dialekt! Der könnte für Saarbrücker und Dänen doch etwas schwierig zu verstehen sein. (lacht) Dafür hab ich während meiner Lesung ja Schilder mit "Untertiteln" hochgehalten, zum besseren Verständnis.

Wo wir gerade dabei sind: Wie viel Primstal steckt in "Hammelzauber"?

Meyer: Nicht ganz so viel, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Vor allem die Primstaler Kirmes steckt drin. Was das angeht, ist einiges echt und einiges von mir dazu erfunden. Aber ich verspreche dem Leser , dass in dem Buch alles drin steckt, was ein Primstal-Roman braucht: Verbrechen und Katastrophen, Liebe , Verrat und Tod, Politik sowie Sport und Drogen.

Klingt fast wie "Sex, Drugs und Rock'n'Roll".

Meyer: Ein bisschen, ja. Obwohl, für Primstal wäre es dann eher: "Liebe , Alkohol und Kirmes". (lacht)

Spielt die Kirmes im Roman eine entscheidende Rolle?

Meyer: Oh ja! Da kommt ja auch der Name des Romans her: Hammelzauber leitet sich von der Primstaler Hammelkirmes ab. Dort gibt es einen Hammeltanz, einen Hammelmarsch, nur ein passendes Getränk gibt es bisher noch nicht. Daher hab ich den Hammelzauber dazu erfunden, ein alkoholisches Getränk mit Holunder.

Im Buch wird ja ein ziemliches Geheimnis um dieses Getränk gemacht, aber auf der letzten Seite steht dann doch das Rezept zum selber machen. Also ist es doch nicht so geheim, oder?

Meyer: Für fast den ganzen Roman schon. Am Schluss verrät dann eine der Figuren eben doch, was in den Hammelzauber kommt. Daher ist es nur passend, wenn man dem Leser dann am Schluss die Zutatenliste an die Hand gibt. Außerdem, so viel kann ich verraten, wird noch so manch anderes Geheimnis in und um Primstal in dem Buch aufgedeckt.

Eine der Figuren heißt "Kettcar-Edgar". Ist das eine typische Frank P. Meyer-Figur?

Meyer: Auf jeden Fall! Edgar hat seinen Spitznamen ja daher, dass er länger als alle anderen Kinder Kettcar gefahren und erst viel zu spät auf ein Fahrrad umgestiegen ist. Dann ist er über das Moped zum Opel Kadett zum Kombi zum Rollator und schließlich zum Mobilator, einem futuristischen Rollator, gewechselt. Und fährt damit immer noch Rennen! Ganz klar ein typischer Charakter für mich, ich liebe es, immer ganz schräge, schrullige Typen in meine Bücher einzubauen.

Basieren Ihre Figuren auf realen Personen?

Meyer: Die Hauptfiguren nicht. Das ist für mich ein Grundsatz: Die Hauptfiguren, im "Hammelzauber" sind Justus, sein Pfleger Nicola und die Kommissarin Lück - alle frei erfunden. Einige der Nebenfiguren, darunter Edgar und Speedy, haben tatsächlich ein reales Gegenstück.

Apropos real: Wie wichtig war die Recherche für den neuen Roman?

Meyer: Nicht so wichtig wie für meine anderen Bücher. Die Recherche war deutlich weniger umfangreich, denn ich habe hier ja eine Zukunftsvision entwickelt, und da kann man natürlich nichts recherchieren. Recherche-Arbeit war vor allem nötig für einige der Rückblenden, von denen eine ja bis zum Ersten Weltkrieg zurückgeht.

Sie spannen Ihre Leser gerne auf die Folter. Wissen Sie selbst beim Schreiben denn schon, wie es ausgeht?

Meyer: Ja, denn ich schreibe immer den Schluss zuerst. Dann kann ich nämlich gezielt auf diesen Schluss hinschreiben und so kann ich dann auch die Spannung halten. Dass ich schon weiß, wie die Sache ausgeht, macht für mich den Spaß beim Schreiben aus.

Was ist Ihr Herausstellungsmerkmal als Autor?

Meyer: Dass ich immer aus verschiedenen Perspektiven schreibe. In "Hammelzauber" ist es zum einen aus der Perspektive einer der drei Hauptfiguren, Justus, und aus Sicht eines allgemeinen Erzählers, der über alles was im Dorf so passiert, Bescheid weiß.

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Beatrice Schmitt und der Bücherhütte Wadern ergeben?

Meyer: Das war anfangs nicht geplant, ich hatte hier meine allererste Buchvorstellung und so ist das Ganze irgendwie zur Tradition geworden. Seitdem hatte ich alle meine Premierenlesungen hier in Wadern. Denn ich bin abergläubisch, Buchmesse hin oder her: Die erste Lesung muss in der Bücherhütte sein, egal was kommt. So gesehen könnte man sagen, ich schreibe eigentlich nur noch Bücher für die Bücherhütte. (lacht)

Eine Frage noch zum Schluss: Für Hammelzauber haben Sie den futuristischen Sport des "Mobilator-Rennens" erfunden. Wie kamen Sie auf die Idee?

Meyer: Ich packe immer gerne ein verrücktes Rennen in meine Bücher ein. Zuerst nannte ich es Rollator-Rennen, dann wurde es zum Mobilator-Rennen. Das passte, denn man hat ausgerechnet, dass der Altersdurchschnitt in Primstal in naher Zukunft über 60 Jahre sein wird. Daher erschien mir ein Seniorenrennen nur passend. Und der Erfinder des Sports ist natürlich Kettcar-Edgar, der auch der amtierende Meister ist.

Das Besondere an dem Sport ist ja, dass die beiden Wettkämpfer im Schritttempo aufeinander zurasen und dass sie erst kurz vor dem Ziel erkennen können, wer vorne liegt. Und im Regelwerk ist festgelegt, dass keiner nüchtern teilnehmen darf. Wie viel Promille hatte denn Edgar, als er über die Ziellinie fuhr?

Meyer: Das wird nicht verraten.

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Zur PersonFrank P. Meyer wurde in Krettnich geboren, ist aber in Primstal aufgewachsen und wohnt dort auch heute wieder. Er war Stipendiat in Oxford und Stadtschreiber in Trier. In Hildesheim begann er zu schreiben, zunächst mit Übersetzungen aus dem Walisischen ("Tee mit der Königin"). Danach veröffentlichte er zwei Kurzgeschichtensammlungen "Raum 101" und "Es war mir ehrlich gesagt völlig egal" (beide Bertuch Verlag, Weimar). Sein erster Roman "Normal passiert da nichts" erschien 2012 beim saarländischen Conte Verlag. Während seiner Zeit als Stadtschreiber in Trier entstanden Online-Kolumnen, auch diese erschienen in einem Sammelband bei Conte ("Zwangsgeranisierung"). Heute leitet er die Studienberatung und das Graduiertenkolleg an der Uni Trier. mtn

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stichwort"Hammelzauber" ist im Primstal der Zukunft angesiedelt, in den 2040er Jahren: Die Menschen in dem kleinen Ort leben am Rand der Zone, die nach einer Kernschmelze im Atomkraftwerk Cattenom zum Sperrgebiet erklärt wurde. In der Nacht zum 15. September werden in Primstal zwölf Straftaten begangen: eine Erpressung, ein Diebstahl, eine Sachbeschädigung, eine versuchte Vergewaltigung, eine schwere Körperverletzung, ein ungeklärter Todesfall mit Leichenschändung, eine Entführung, ein Einbruch, eine Verleumdung, eine Brandstiftung und ein Fischfrevel, sowie ein weiteres Verbrechen, von dem die Öffentlichkeit nichts erfuhr. Die Kommissarin Paula Lück bricht ins halbwegs beschauliche Dorfleben ein und stößt auf Widerstand. Der Einzige, der ihr bei ihren Ermittlungen wirklich helfen kann, ist der alte Justus. Denn der weiß Bescheid in Primstal. mtnFrank P. Meyer: Hammelzauber. Verlag: Conte Roman, Umfang: 464 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, ISBN: 978-3-95602-087-2, Preis 19,90 Euro.www.conte-verlag.de

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