Bardenbach 16 Stufen als tägliche Herausforderung

Bardenbach · Claudia Brust aus Bardenbach kämpfte mit Vehemenz für mehr Unterstützung durch die Pflegeversicherung – am Ende mit Erfolg.

 Mehrere Stufen führen zu Claudia Brusts Wohnung – für die Frau, deren linker Unterschenkel amputiert wurde, ein großes Hindernis.

Mehrere Stufen führen zu Claudia Brusts Wohnung – für die Frau, deren linker Unterschenkel amputiert wurde, ein großes Hindernis.

Foto: Barbara Scherer

16 Stufen führen von der Haustür zur Wohnung von Claudia Brust im ersten Stockwerk eines Hauses in Bardenbach. Was für viele Menschen kaum ein Hindernis darstellt, ist für die 39-Jährige jeden Tag eine große Herausforderung: Denn Claudia Brust hat eine Unterschenkelamputation und einen schweren Autounfall hinter sich und bewegt sich die meiste Zeit im Rollstuhl fort.

Die gesamte Krankengeschichte von Claudia Brust und ihrer neunjährigen Tochter ist alles andere als schnell erzählt: Beide leiden an Neurofribromatose, einer „Krankheit mit 1000 Gesichtern“, wie sie selbst sagt. Die Folge für Claudia Brust in Kurzform: bereits im Jugendalter mehrere Operationen und Knochenbrüche, im Juli 2011 schließlich die Amputation des Unterschenkels. Und das ist nicht die einzige gesundheitliche Einschränkung, mit der die Mutter leben muss. Im Jahr 2003 erkrankte sie an Brustkrebs, es folgte eine fünf Jahre lange Therapie, später eine Operation, dann noch eine, da die erste zu Komplikationen führte. 2015 wurden mehrere Tumore in der Wirbelsäule entdeckt und entfernt. Ihre Tochter wurde ebenfalls wegen diverser Leiden mehrmals im Krankenhaus behandelt.

Als wäre all das noch nicht genug, war die Familie Brust im Juli 2017 in einen Autounfall verwickelt. „Es ist uns jemand frontal ins Auto gefahren“, berichtet Claudia Brust. Am Auto entstanden 5000 Euro Schaden, ihr Mann erlitt unter anderem Prellungen, ihre Tochter Leber- und Pankreas-Quetschungen. Claudia Brust trug mehrere Knochenbrüche davon: Bein, Arm, Daumen, Rippen. Vier Wochen lang war sie deshalb im Pflegeheim in Weiskirchen. Probleme mit Fuß, Hand sowie ihrem Beinstumpf hat sie bis heute, sagt sie. Bereits bestehende psychische Probleme wurden verstärkt.

In ihrer Wohnung hat sich Claudia Brust auf ihre Situation eingestellt, so gut es geht. Mit einer Prothese kann die Bardenbacherin zwar einige Schritte gehen, aber „Treppensteigen kann ich nicht gut“, sagt sie. In ihrer Wohnung bewegt sie sich nur im Rollstuhl fort. Entsprechend ist die Wohnung ausgestattet: Die Arbeitsplatte in der Küche ist niedriger als üblich, damit Brust alles erreichen kann, das Bad wurde ebenfalls umgebaut. Doch Anfang des Jahres ist ein neues Problem hinzugekommen: Claudia Brust wurde von Pflegegrad zwei auf Pflegegrad eins herabgesetzt und enthält somit deutlich weniger Leistungen – nur noch den Entlastungsbeitrag anstatt wie zuvor 316 Euro Pflegegeld.

Gegen das neue Pflegegutachten hat Brust auf Anraten von Beate Breunig, die sie im Haushalt und im Alltag unterstützt, Widerspruch eingelegt. Der Vorwurf der beiden: In dem neuen Pflegegutachten seien einzelne Aspekte des alten Gutachtens einfach übernommen worden, andere hätten keinerlei Beachtung gefunden. „Ich bin darauf angewiesen, dass ich mehr Unterstützung bekomme“, sagt Brust. Zwar arbeitet sie auch, aber seit dem Unfall nur eingeschränkt im Home-Office. „Hausarbeiten wie zum Beispiel Putzen sind gar nicht drin“, erzählt sie weiter, „das bleibt dann an meinem Mann hängen.“ Außerdem kümmere er sich vermehrt um die gemeinsame Tochter sowie seine Mutter, die ebenfalls im Haus lebt. „Ich bin sehr froh, dass er mich so unterstützt“, betont sie.

Unterkriegen lässt sich Claudia Brust aber nicht – weder von den 16 Stufen, die zu ihrer Wohnung führen, noch von der Herabstufung ihres Pflegegrads. Die Treppe versucht sie, täglich zu bezwingen, einfach schon „für den Kreislauf“. Und auch beim Kampf um den Pflegegrad hatte sie Erfolg: Nach der Anfertigung eines neuen Gutachtens ist Claudia Brust jetzt wieder in Pflegegrad zwei eingruppiert und erhält rückwirkend die entgangenen Leistungen. Der Widerspruch hat sich also gelohnt.

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