Dorfkneipe Beim „Joppe“ ist die Kneipe dicht

Kostenbach/Löstertal · Traditionsgasthaus Molter in Kostenbach nach 160 Jahren geschlossen. 1000 Euro Spende für Kita und Jugendorchester.

 Die Donnerstags-Skatspieler an ihrem Stammtisch. Foto: Walter Koster

Die Donnerstags-Skatspieler an ihrem Stammtisch. Foto: Walter Koster

Foto: Walter Koster

Die „gudd Stubb“ war gerammelt voll. Wie in alten Zeiten. Diesmal zum letzten Mal. Nachts um zwei Uhr hatte Heinz Koch den Zapfhahn zugedreht, seine Frau Gisela die Gasthaustür zugesperrt. Am vorletzten Tag des alten Jahres ging eine Ära zu Ende. 45 Jahre hatte das Ehepaar Koch das Gasthaus Molter in Kostenbach geführt. „Das war schon eine lange Zeit, jetzt ist es genug. Wir werden ja auch nicht jünger und sind auch nicht mehr so fit wie damals“, blickt Gisela Koch etwas wehmütig auf ihre Zeit als Chefin hinterm Tresen zurück. 1972 hatte die damals 23-Jährige die Dorfwirtschaft von ihrer Mutter Agnes Lauer übernommen. Deren Mann Alfons war Anstreicher. Als Nebenjob betrieb das Ehepaar noch eine kleine Landwirtschaft. Agnes und Alfons Lauer waren in zweiter Generation die Inhaber des Gasthauses, das der Fleischbeschauer Nikolaus Molter Mitte des 18. Jahrhunderts eröffnete.

Als Gisela Lauer ihren Mann Heinz Koch heiratete, übernahmen die beiden in dritter Generation das beliebte Lokal. Während die heute 68-Jährige überwiegend tagsüber die Gäste bediente, war ihr Mann Heinz, heute 75, nach der Arbeit abends der Chef. „Joppe“, wie Heinz Koch weit und breit bekannt ist, unterhielt mit Witzen und Geschichten die Besucher. In seinen Anfangsjahren als Kneipier im Nebenjob war der Donnerstag der Haupttag. Es war der Tag der Tipper und Tippgemeinschaften. Seit den frühen 60er Jahren war das Gasthaus Molter eine Annahmestelle von Saar-Toto. Und das ein halbes Jahrhundert lang. „In diesen Jahren brannte donnerstags abends der Baum, da war die Hölle los und das bis Feierabend. Die Kneipe war gerammelt voll, es konnte bis 22 Uhr getippt werden“, erinnert sich das Wirtspaar noch gerne an diese Zeit. „Jeder Tipper hatte seinen festen Platz am Tisch. Wehe, ein anderer oder Fremder hatte diesen Stuhl besetzt, dann ging’s heiß her“, weiß „Joppe“ noch genau Bescheid um die Sitzplatzordnung. Als das Tippen per Online  eingeführt wurde, war der Donnerstag wieder ein „normaler“ Tag. „Heute kommen die Tipper samstags noch kurz vor 18 Uhr und geben ihren Schein ab“, berichtet „Joppe“ über die Gewohnheiten der Tipper.

Geld, und nicht nur Tippgeld und Bezahlgeld für die Getränke, spielte schon immer eine wesentliche Rolle im Gasthaus Molter. Schon zu Zeiten der ersten Generation hatte sich eine Zweigstelle der Kreissparkasse (KSK) Trier und später eine Zweigstelle der KSK St. Wendel in dem ehemaligen Pferdestall niedergelassen. „Geld gab’s hier immer, von morgens bis abends“, weiß Gisela von Opa Nikolaus, der auf der ganzen „Bach“ (so die Kurzbezeichnung für die Löstertal-Dörfer Buweiler, Kostenbach und Oberlöstern) nur „Babba“ genannt wurde. „Babba Nikolaus hat in seiner Gaststätte noch Viez aus eigener Herstellung ausgeschenkt. Die Presse dafür stand in einem Schuppen hinter dem Haus“, berichtete der Kostenbacher Peter Hahn aus damaligen Zeiten. Diese Zeiten hatten auch ihre eigenen „Gesetze“. So wurde den Bauern im Gasthaus Molter das Milchgeld ausbezahlt. Die Kasse dazu hatte der Schirra Toni von der Volksbank/Zweigstelle Kostenbach.

Mit der Fußball-Bundesliga hatte sich eine weitere Gemeinschaft beim „Joppe“ eingefunden. Samstags, pünktlich zur Anstoßzeit, kam eine Truppe Waderner Fußballfans und guckten im Fernseh-Nebenzimmer ihre Kicker. Bis zuletzt war das Lokal Treffpunkt für die Anhänger verschiedener Clubs, unter anderem von Mönchengladbach, Schalke 04, Bayern München, des 1. FC Köln, von Kaiserslautern und des 1. FC Saarbrücken. Fahnen und Schals dieser Clubs zieren eine ganze Wand. Der Sonntag war der Tag der Kartenspieler. Die einen kamen vormittags nach dem Hochamt, die anderen gegen Abend. „Sie konnten nicht schnell genug aus der Kirche kommen um ihr Blatt in die Hand zu nehmen“, erinnert sich ein Zeitzeuge. „Auch bei diesen Skatspielern herrschte eine gewisse Sitzordnung. Sie waren in ihr Spiel so vertieft, dass das Mittagessen zu Hause mehr als einmal kalt wurde und abends wurde als gedroschen bis Feierabend“, erzählte „Joppe“. Es waren meistens die Alten, die an ihrem Stammtisch dem Skat frönten. Ein paar Alte trafen sich auch in der Woche und „kloppten“ donnerstags ab zehn Uhr ihren Skat. Als die Alten nicht mehr unter den Lebenden waren, kamen mehr und mehr jüngere „Kneipianer“ zum „Joppe“ und zu Gisela. Sie versuchten an verschiedenen Spielautomaten ihr Zockerglück.

Dass Jung und Alt auch bestens miteinander harmonieren können bewies der letzte Abend beim „Joppe“. Mit Freibier bis zum Abwinken und deftiger Gulaschsuppe wurden 160 Jahre Gasthaus Molter in dritter Generation „beerdigt“. Die Stimmung der über hundert „Trauergäste“ in der gerammelt vollen Kneipe war jedoch grandios. Dazu beigetragen hatte unter anderem der 25 Mann starke Musikverein Kostenbach, dirigiert von seinem Leiter Erhard Gillenberg. Zwei Stunden nach Mitternacht war dann endgültig Feierabend. Die Traditionskneipe auf „der Bach“ war Geschichte. Und diese hatte ein wunderbares „Happy end“. Die Gäste ließen sich nicht lumpen, mit einem freiwilligen Obolus für den gelungenen Abschiedsabend von ihrer Dorfkneipe das  aufgestellte Kässchen zu füllen.

Am Ende kam ein Betrag von annähernd 1200 Euro zusammen. Je 500 Euro übergeben die Ex-Wirtsleute Gisela und Heinz „Joppe“ Koch dem Jugendorchester Löstertal und der Kita „Haus der kleinen Strolche“.

 Proppenvoll war die Dorfkneipe am letzten Abend, an dem das Gasthaus Molter Geschichte wurde. Foto: Walter Koster

Proppenvoll war die Dorfkneipe am letzten Abend, an dem das Gasthaus Molter Geschichte wurde. Foto: Walter Koster

Foto: Walter Koster
 45 Jahre bedienten Gisela und Heinz Koch ihre Gäste. Jetzt ist der Zapfhahn zugedreht.

45 Jahre bedienten Gisela und Heinz Koch ihre Gäste. Jetzt ist der Zapfhahn zugedreht.

Foto: Walter Koster
 Nikolaus Molter, Begründer des Gasthause.

Nikolaus Molter, Begründer des Gasthause.

Foto: Molter
 das Gasthaus Molter kurz vor seiner Schließung:

das Gasthaus Molter kurz vor seiner Schließung:

Foto: Molter
 Das Gasthaus Molter in früheren Zeiten: Diese Aufnahme stammt aus der Zeit um 1880.

Das Gasthaus Molter in früheren Zeiten: Diese Aufnahme stammt aus der Zeit um 1880.

Foto: Molter

Der neue Lebensabend ohne die Arbeit hinterm Tresen und am Zapfhahn ist für das Ehepaar Koch noch etwas gewöhnungsbedürftig. „Opa Nikolaus würde sich im Grabe umdrehen, wüsste er, dass sein Gasthaus zugemacht hat. Er hat immer gesagt, das Gasthaus Molter wird nie dicht gemacht“, erinnert sich Enkelin Gisela. Die vierte Generation in der beliebten Dorfkneipe wird es nicht geben. Sohn Thorsten Koch sagt klipp und klar: „Die Kneipe ist nicht mein Ding, ich hab’ kein Interesse daran, das Gasthaus zu führen. Ich habe Familie, bin beruflich zu sehr beansprucht und bin noch Fußballtrainer.“

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