Abwrackprämie für Krankenhaus „Abwrackprämie“ empört die Region

Wadern · Die Marienhaus GmbH kann für die Schließung des Waderner Krankenhaus mit Millionen rechnen. Das stößt auf Unverständnis.

 Abwrackprämie: Wie einst Autobesitzer können Krankenhausträger Geld für Klinikschließungen erhalten.

Abwrackprämie: Wie einst Autobesitzer können Krankenhausträger Geld für Klinikschließungen erhalten.

Foto: picture-alliance / ZB/dpa Picture-Alliance/Bernd W¸s

„Es ist kein Sinn darin zu entdecken, dass mit dem Geld von Steuerzahlern deren gesundheitliche Versorgung verschlechtert wird“, sagt Bernd Schröder, Sprecher der Bürgerinitiative „Nordsaarlandklinik“ mit Blick auf den Antrag, mit dem die Marienhaus GmbH Millionen aus  der Schließung der Waderner Klinik rausholen will. Wie die SZ berichtete, hat das saarländische Gesundheitsministerium für die Trägerin der Klinik einen Förderantrag beim Bundesversicherungsamt (BVA) gestellt. Das Amt verwaltet das Geld aus einem Strukturfonds, der finanzielle Anreize für den Abbau von Überkapazitäten und eine Konzentration von stationären Angeboten setzen soll. „Ich kenne das Gesetz. Daher kommt für mich der Vorstoß der Marienhaus GmbH nicht überraschend. Was mich überrascht, ist die Höhe.“ Die Rede ist von 6,2 Millionen Euro. Das Gesetz sieht laut Schröder das Wohl des Patienten im Vordergrund. In nachfolgenden Passagen spreche es den Trägern Zuschuss zu, die unter anderem Betten abbauen. „Wenn man dieses Gesetz in der Praxis vor sich sieht, ist jeder entsetzt“, sagt der Mann, der mit seiner Bürgerinitiative für den Erhalt des Waderner Krankenhauses kämpft. Mediziner in Krankenhäusern, Ärzte in Praxen und Pflegepersonal müssen nach Auffassung von Schröder nicht nur den Menschen in den Vordergrund stellen, sondern sich auch mit der Frage rumschlagen, wie finanziert sich das Ganze. „Um ein Gerät finanzieren zu können, kann es zu der ein oder anderen Untersuchung mehr kommen. Auch bewegten sich Mediziner und Pflegepersonal zunehmend in einer Rechtsunsicherheit. Die Folge: mehr Dokumentationen, um jeden Handgriff belegen zu können – Zeit, in der sie nicht für ihre Patienten zur Verfügung stehen. Schröder fordert ein Umdenken im Gesundheitssystem.

Als skandalöse Entwicklung nennt die Kreisvorsitzende der Linken, Dagmar Ensch-Engel (MdL), die Umsetzung des Krankenhausstrukturgesetzes, das am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist und dem offensichtlich das Krankenhaus Wadern zum Opfer fallen wird. „Danach sollen 6,2 Milliarden Euro aus Steuermitteln und Mitgliedsbeiträgen vorrangig als Abwrackprämie gezahlt werden“, empört sich Ensch-Engel. „Eine Verbesserung der Versorgung der Patienten, die für mich unbedingt mit wohnortnahen Krankenhausstandorten einhergeht, ist nicht vorgesehen.“ Marilyn Heib, Direktkandidatin für die Bundestagswahl der Linken im Wahlkreis Saarlouis, ist schockiert: „Ich kann es nicht glauben. Die Bürger des Kreises kämpfen für den berechtigten Erhalt ihres Krankenhauses, denn Fahrtzeiten von über 30 Minuten sind gerade im Winter nicht tragbar. Statt dafür zu kämpfen, dass das Krankenhaus erhalten bleibt, schenkt das Land einem Privatunternehmen sechs Millionen Euro, für die Schließung“, sagt die Frau, die in der Bürgerinitiative „Nordsaarlandkrankenhaus“ für den Erhalt der Klinik kämpft. „Und warum soll denn sowas von unseren Steuergeldern bezahlt werden?“.
Regionale Krankenhäuser können laut Heib bei einer vorrangigen Betrachtung von Markt und Wettbewerb nicht mehr mithalten‚ Uni- und Spezialkliniken werden bevorzugt. „Bereits die Umstellung der Finanzierung von Krankenhausleistungen auf Fallpauschalen hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass jene Krankenhäuser am erfolgreichsten sind, die möglichst schwere Fälle in möglichst kurzer Zeit mit möglichst wenig Personal bei hoher Geräte-Auslastung behandeln“ – für sie ein unverantwortliches und teures Flächenexperiment.
Im Ergebnis sei Deutschland inzwischen weltweit führend bezüglich lukrativer Operationen. Innerhalb von fünf Jahren wurden laut Heib Gelenkspiegelungen und Knieprothesen um 20 Prozent. erhöht, die Zahl der Wirbelsäulenoperationen und Hüftprothesen verdoppelt. Bandscheiben-Operationen gebe es fünfmal häufiger als in anderen europäischen Ländern. „Ob es den Patienten durch unnötige Operationen statt standortnaher Versorgung besser geht, darf bezweifelt werden“ sagt Heib. „Aber Hauptsache: Die Kasse stimmt.“
Zudem kommen die Länder nach Worten von Ensch-Engel immer weniger ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Finanzierung der nötigen Bau- und Modernisierungen nach. „Lag der Anteil der Investitionskostenfinanzierung durch die Länder gegenüber den Betriebskosten Anfang der 70er Jahre noch bei 25 Prozent, so sind es gegenwärtig nur noch vier Prozent.“ Das zwinge die meisten Häuser, erforderliche Investitionen auch aus den Betriebsmitteln für Krankenversorgung und/oder durch Kredite zu finanzieren. Das erkläre den vielfach massiven Personalabbau und das wachsende Outsourcing von Betriebsteilen. Die Linke fordert nach Worten beider Polikerinnen die Landesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die wohnortnahe Versorgung der Bürger mit Krankenhäusern zu gewährleisten, anstatt Hilfeleistungen zur Schließung zu geben. „Wir werden die Bevölkerung beim Kampf um ihr Krankenhaus unterstützen. Der Krankenhausstandort Wadern muss zur Chefsache gemacht werden“, sagen Ensch-Engel und Heib.

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