"Über die Schulter spucken bringt Glück"

Merzig. Marineblaue Stoffbahnen schwingen sich scheinbar schwerelos zur Spitze des weißen Zeltes hinauf. Silberne Kerzenständer mit brennenden Kerzen, schön gedeckte Tische - eine festliche Atmosphäre im Merziger Zeltpalast. Bereits eine Stunde vor Vorstellungsbeginn der Puccini-Oper "Tosca" herrscht in dem kleineren Vorzelt reges Treiben

Merzig. Marineblaue Stoffbahnen schwingen sich scheinbar schwerelos zur Spitze des weißen Zeltes hinauf. Silberne Kerzenständer mit brennenden Kerzen, schön gedeckte Tische - eine festliche Atmosphäre im Merziger Zeltpalast. Bereits eine Stunde vor Vorstellungsbeginn der Puccini-Oper "Tosca" herrscht in dem kleineren Vorzelt reges Treiben. Viele Besucher stimmen sich mit einem Glas Sekt auf die Vorstellung ein, andere stärken sich noch an einem Schweineragout oder einem Salat. Unkomplizierte OperngästeHerr über die kulinarischen Genüsse ist Alexander Kunz aus St. Wendel-Bliesen. Der Sterne-Koch weiß, womit er das Publikum verwöhnen kann. "Der Operngast ist unkompliziert", sagt der 41-Jährige. "Er will vor der Vorstellung noch etwas essen, es soll schmecken, aber er stellt keine überzogenen Ansprüche." Leicht verdaulich soll das Essen sein und schnell muss es gehen. Das Dessert "Schokoladen Espuma auf Knusperreis" serviert Kunz darum in einem Weinglas - "dann kann die Nachspeise ganz einfach auch an einem der Bistro-Tische gegessen werden". Während sich die Damen im kleinen Schwarzen und Herren in Anzug und Krawatte im Gastro-Zelt bis Vorstellungsbeginn die Zeit vertreiben, herrscht hinter den Kulissen noch geschäftiges Treiben. Bereits in ihren Messdiener-Kostümen frisieren sich die 14 Schüler des Merziger Peter-Wust-Gymnasiums gegenseitig. "Igitt, das riecht ja wie Nagellack-Entferner", kreischt der 12-jährige Stefan Fritz, der von seiner Mitschülerin Anmol Chand mit Haarspray besprüht wird. "Nein", meint der Schüler ganz cool, "aufgeregt bin ich gar nicht. Aber hoffentlich reiche ich dem Scarpia den Hostienbecher im richtigen Moment." Dass die ständig hin und her laufenden Schüler alles andere als gelassen sind, weiß jedoch Mutter Heidi Ehrlich, die die Horde zu den Proben und den Aufführungen begleitet. "Die sind schlimmer als ein Sack Flöhe", sagt die Britterin und lacht dabei. "Die ganze Woche gab es nur noch ein Thema: die Oper."Kostüme in letzter MinuteNicht nur die Schüler sind bereits in den Kostümen. Ein blutüberströmter Angelotti, der von Peter Graham gespielt wird, irrt suchend durch die Halle, Sängerin Anna Gurieva in der Rolle der Marchesa Attavanti scheint direkt den fünfziger Jahren entstiegen zu sein - so detailgetreu wirkt ihr elegantes beiges Kostüm mit schicken Hut und kleinem Gesichtsschleier. Die Frau hinter den Kostümen ist Ulli Kremer aus Trier. "Die Kostüme sind sehr spät fertig geworden, weil wir keinen Vorlauf hatten", sagt die Kostümbildnerin, die vor Vorstellungsbeginn etwas gestresst wirkt. Auch die Kleidung des Chors der Bolschoi Oper Minsk stellte die Kostümbildnerin der Produktion vor größere Herausforderungen. "Die Maßzettel, die wir vor Ankunft des Chors bekommen haben, haben nicht gestimmt", so Ulli Kremer. So hatte zum Beispiel eine Sängerin 13 Zentimeter weniger bei der Taillengröße angegeben. Als Regisseur Thilo Reinhardt vorbeikommt - auf dem Weg zur letzten Besprechung mit dem Ensemble vor Premierenbeginn - winkt Ulli Kremer ihn zu sich. Sie packt Reinhardt an beiden Schultern und spuckt ihm über die linke Schulter. "Das Spucken ist bei uns Tradition", erzählt Kremer. "Die Künstler müssen bereits in ihren Kostümen sein und es muss über die linke Schulter sein - das bringt Glück."> Opernkritik siehe Seite B5Weitere Vorstellungen sind am Mittwoch, 20. August, Freitag, 22. August, und Samstag, 23. August. Karten und Informationen beim Veranstalter Musik & Theater Saar unter Telefon: (06861) 99100, E-Mail: info@musik-theater.de und im Internet: www.musik-theater.de.

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