Sportforum Schritt für Schritt zurück ins Leben

Merzig · Kira Grünberg ist eine beeindruckende Frau. Vor zwei Jahren verunglückte die Stabhochspringerin schwer und ist seither querschnittsgelähmt. Ihren Lebensmut hat die 24-Jährige aber nicht verloren. Im Gegenteil.

 SR-Moderator Roman Bonnaire im Interview mit der nach einem Trainingsunfall querschnittsgelähmten Kira Grünberg. Die frühere Stabhochspringerin möchte anderen Behinderten Mut machen – und für sie kämpfen.

SR-Moderator Roman Bonnaire im Interview mit der nach einem Trainingsunfall querschnittsgelähmten Kira Grünberg. Die frühere Stabhochspringerin möchte anderen Behinderten Mut machen – und für sie kämpfen.

Foto: Ruppenthal

„So eine Mutmacherin wie sie hatten wir hier noch nicht“, „Heldin des Sports, Heldin des Lebens“, „eine beeindruckende junge Frau“ – das sind nur einige der Aussagen am Ende des 12. Sparkassen-Sportforums am vergangenen Freitag in Merzig. Rund 170 Gäste hatten zuvor der ehemaligen österreichischen Stabhochspringerin Kira Grünberg zugehört, wie sie offen und ehrlich über ihren Unfall vor zwei Jahren und dem seitdem völlig neuen Leben im Rollstuhl berichtete. Zeitweise hätte man eine Stecknadel fallen hören können, allein die minutiöse Beschreibung des Unfallhergangs, eines missglückten Trainingssprungs, ließ so manchem Zuhörer einen kalten Schauer über den Rücken laufen.

Kira Grünberg spricht überraschend gefasst über jene schrecklichen Ereignisse am 30. Juli 2015. Die österreichische Rekordhalterin im Stabhochsprung war an jenem Tag im Training schwer verunglückt, erlitt beim Sturz aus großer Höhe einen Trümmerbruch des fünften Halswirbels – und sitzt seitdem querschnittsgelähmt im Rollstuhl.

„Ich habe viele Erinnerungen an diesen Tag“, sagt Grünberg, die damals nach einer Bänderverletzung gerade erst wieder ins Training eingestiegen war, den Fokus voll auf die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2015 in Peking gerichtet. Der Besuch morgens beim Physiotherapeut, das Treffen mit den Eltern in der Sporthalle, Warmmachen, Dehnübungen, die ersten Sprünge mit verkürztem Anlauf – und der tragische letzte. „Ich nahm mir einen Stab, mit dem ich öfters gut gesprungen bin – zu dem ich viel Vertrauen hatte. Der Absprung lief eigentlich normal, als ich aber die Beine nach oben streckte, merkte ich: Da stimmt was nicht“, erzählt Grünberg. Doch sie traf eine fatale Entscheidung: „Die Energie war mir in dem Moment zu schade, daher habe ich den Sprung nicht abgebrochen.“ Die panischen Versuche, den unvermeidlichen Aufprall durch Drehen des Körpers weniger schwerwiegend zu machen, blieben erfolglos. „Schmerzen hatte ich danach fast keine“, fährt sie fort, „aber ich merkte sofort, dass etwas an mir anders ist.“ Das bestätigte ihr der „komische Gesichtsausdruck“ ihres Vaters und Trainers Frithjof. „Ich versuchte, die Beine zu bewegen, aber nichts rührte sich. Als ich dann die Faust nicht ballen konnte, wusste ich, dass was Schlimmes passiert ist. Ich bin auch direkt von Querschnittslähmung ausgegangen.“

Eine Sache, die sie ihr Leben lang begleiten wird, die ihr aber nicht den Lebensmut nahm. Sie habe es „quasi sofort akzeptiert“, sagt Grünberg – ihr häufiges Lächeln und der betont offene Umgang mit dem Unglück zeugen davon, dass dem tatsächlich so war. Eine wahrlich beeindruckende Einstellung für einen jungen Menschen, der in einem Moment vom Spitzensportler zum Pflegefall wurde.

Letzteres will sie auf keinen Fall sein, doch ohne Hilfe der Familie und Freunde wäre der Alltag alleine nur schwer zu bewältigen. Doch Grünberg wird genau dafür kämpfen: „Ich mache jeden Tag therapeutische Übungen – mein Ziel ist es, so viel wie möglich selbst zu können.“

Vorwürfe, ob gegen sich selbst oder andere, hören die Gäste vor Ort überhaupt nicht von ihr. „Auch ich habe mir anfangs die Frage gestellt: Warum ich? Dann habe ich aber schnell nach vorne geblickt. Denn ich habe auch gemerkt, dass mich diese Fragen zermürben und nicht weiterbringen. Heute betrachte ich meinen Unfall als schicksalhafte Prüfung“, sagt Grünberg. Sie sei froh, dass ihre Eltern das schreckliche Erlebnis mitansehen mussten. „So wissen sie, dass niemand daran schuld war – und müssen sich selbst keine Vorwürfe machen.“

Für sie habe sich „durch den Unfall nur die Türe Leistungssport geschlossen – viele andere sind aufgegangen.“ Sie hat sich das Ziel gesetzt, offensiv mit ihrer Behinderung umzugehen – im Sinne der vielen Menschen, die ähnlich gehandicapt sind. „Mir geht es darum, dass Behinderte als Teil der Gesellschaft akzeptiert werden.“

Deshalb engagiert sich Grünberg politisch, ist seit wenigen Tagen Nationalrätin für die ÖVP im österreichischen Parlament – wobei sie sagt: „Ich sehe mich nicht als Politikerin. Ich bin Quereinsteigerin und möchte mir den Blick von außen auf die Dinge bewahren.“ Die Kollegen aus der ehemaligen Trainingsgruppe hat sie nach der Tragödie davor bewahrt, den Sport aufzugeben. „Sie wollten nach dem Unfall aufhören. Ich sagte ihnen, dass sie so viel investiert haben und weiterspringen müssen – zum Glück sind sie heute wieder fleißig am Trainieren.“

Das tut auch Grünberg täglich. Sie wird zwar nie wieder springen können, laufen aber vielleicht schon. Mithilfe eines Endoskeletts unternahm sie unlängst wieder eigene Schritte: „Es war schön, wieder Boden unter den Beinen zu haben“, sagt sie – der Unfall hat ihr vielleicht die Beine geraubt, aber den Boden unter den Füßen hat er ihr nicht weggerissen.

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