Von Sinz mit dem Bürgerbus zur Tafel

Perl · In Perl leben zurzeit 89 Flüchtlinge. SZ-Mitarbeiterin Nina Drokur hat sich mit Kevin Roos, dem zuständigen Sachbearbeiter von der Ortspolizeibehörde der Gemeinde, darüber unterhalten, was die Integration dieser Menschen für die Kommune an der Obermosel bedeutet.

 Batoul Harahi (r.) und ihre Familie wohnen in Sinz und sind deshalb auf das Angebot des Bürgerbusses angewiesen, mit dem Helfer Jörg Sinsbach (l.) sie regelmäßig zur Tafel fährt. Foto: Nina Drokur

Batoul Harahi (r.) und ihre Familie wohnen in Sinz und sind deshalb auf das Angebot des Bürgerbusses angewiesen, mit dem Helfer Jörg Sinsbach (l.) sie regelmäßig zur Tafel fährt. Foto: Nina Drokur

Foto: Nina Drokur

"Die Tafel kommt. Bitte alle ans Auto", ruft Maher Tulimat. Der Syrer aus Homs ist vor einem Jahr nach Deutschland gekommen und gehört schon lange zum Personal der Außenstelle der Merziger Tafel in Perl . Wenn das Auto mit den vorgepackten Kisten mit Lebensmitteln aus Merzig ankommt, packen alle fleißig mit an. Eine Kette bildet sich, Mann zu Mann werden die Kisten von der Ladefläche weitergereicht und im Inneren des kleinen Raums aufgereiht.

Dort sitzt Helmut Marx mit einer Liste. "Wer ein Paket möchte, muss sich eine Woche vorher bei uns melden und 1,50 Euro zahlen", erklärt er während er anfängt, die Kisten aufzuteilen. Das beuge Verschwendung vor, sagt er. Das sie ein internationales Team sind, darauf sei die Truppe sehr stolz, sagt Egon Engel, ein weiterer Helfer in Perl . "Ich unterhalte mich mit den Leuten und versuche Ratschläge zu geben. Viele können nicht lesen oder nicht verstehen, wie die Dinge hier laufen. Zum Beispiel, dass die Heizung nachts nur abgeschaltet wird und nicht kaputt ist", erzählt Engel. Überrascht sei er davon, dass die meisten sprachlich schon sehr gute Fortschritte gemacht hätten. "Natürlich merkt man Unterschiede in der Talentierung, aber ich stelle mir vor, es wäre umgekehrt und ich müsste jetzt Arabisch lernen." Da winkt Engel nur ab.

Beim Verteilen der Lebensmittel hilft auch Wasim Baittmani, der während seiner Pause vom Deutschkurs regelmäßig bei der Tafel vorbeischaut. Der 17-Jährige besucht das Schengen-Lyzeum und zusätzlich noch drei Mal die Woche einen Deutschkurs am Nachmittag. Zuerst war er in einer Willkommensklasse, das klappte nach seinen Worten ganz gut. Jetzt nimmt er am regulären Unterricht teil, was ihm sehr schwer fällt: "Einige Fächer werden sogar auf Französisch unterrichtet", erzählt er. Sein Lieblingsfach sei "Fahrräder flicken", weil man da praktische Handgriffe lerne und ihm die Sprache da weniger zu schaffen mache.

In der Tafel werden aber nicht nur Essenspakete verteilt. Aufgeregt zeigt eine junge Muslima auf einen Geldbetrag auf einem amtlichen Schreiben, das sie nicht versteht. Günter Leuck kann sie beruhigen: "Das musst du nicht bezahlen, das bekommst du für die Erstausstattung für dein Kind", erklärt er ihr geduldig. "Dass die Flüchtlinge die Briefe vom Amt nicht verstehen kommt oft vor, dafür sind wir hier auch da", erklärt Leuck. Der Ortsverbandsvorsitzende und Inklusionslotse ist zusätzlich auch in der Flüchtlingshilfe engagiert. Im Kofferraum seines Autos lagert er sein "mobiles Büro" mit zahlreichen Ordnern mit Anträgen für das Kreisjugendamt, Ausbildungsförderamt, Jobcenter und vieles mehr. Er betont, dass diese Angebote nicht nur für Flüchtlinge gelten: "Wer Hilfe braucht, bekommt sie hier. Man muss sich nur melden."

Währenddessen rollt der Bürgerbus auf den Parkplatz. Der Bürgerbus wird durch Spenden von Werbepartnern finanziert und steht den gemeindlichen Vereinen, Schulen und Organisationen unentgeltlich zur Verfügung. Jörg Sinsbach fährt den Bus regelmäßig, um Bedürftige aus Sinz abzuholen. Im Transporter ist Platz für acht bis neun Personen. "Zuerst fahren wir zur Tafel, danach noch zu anderen Geschäften", erklärt er. Zu den Nutzern des Busses gehört auch Batoul Harahi: "Ich bin mit meinen Eltern und meinen zwei Brüdern vor sieben Monaten aus Syrien gekommen und wohne in Sinz. Wir sind deswegen auf den Bürgerbus angewiesen." Sie ist froh, dass es dieses Angebot gibt.

"Anschnallen!", ruft Sinsbach und der Transporter setzt sich in Bewegung zur nächsten Station.Herr Roos, wie viele Flüchtlinge leben zurzeit in Perl ?

Roos: Seit dem Jahre 2014 hat die Gemeinde Perl 156 Flüchtlinge aufgenommen. Von diesen sind derzeit noch 89 hier wohnhaft.

Sind die Flüchtlingszahlen in diesem Jahr im Vergleich zum vergangenen Jahr rückläufig?

Roos: Im Jahre 2015 hat die Gemeinde Perl insgesamt 107 Personen aufgenommen; davon größtenteils Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren.

Im Jahre 2016 hat die Gemeinde Perl bislang 40 Personen aufgenommen.

Wo sind sie untergebracht? Gibt es genügend Wohnraum in der Gemeinde oder stehen sogar einige eingeplante Unterkünfte leer?

Roos: Die Gemeinde Perl hat zum einen gemeindeeigene Gebäude zur Unterbringung der Flüchtlinge renoviert und bereitgestellt und zum anderen private Wohnungen angemietet. Sechs angemietete Wohnungen stehen derzeit leer und können gegebenenfalls für den Familiennachzug vorübergehend bereitgestellt werden. Grundsätzlich sollen anerkannte Flüchtlinge aber auch selbst Wohnraum suchen.

Welche Kosten fallen pro Jahr an?

Roos: Im Jahre 2015 sind rund 75 000 Euro Kosten für die Unterbringung entstanden. Einnahmen aus Erstattungen für die Kosten der Unterkunft betrugen rund 53 000 Euro. Hierbei sind Investitionen für eine Wohnung, die im Rahmen des Landesförderprogrammes saniert wurde, nicht berücksichtigt. Eine Auflistung der einzelnen Positionen erscheint uns aufgrund des erheblichen zeitlichen Mehraufwandes momentan nicht möglich.

Wer ist für die Koordination zuständig?

Roos: Für die Unterbringung der Flüchtlinge ist hausintern die Ortspolizeibehörde zuständig; die weitere Koordination wie beispielsweise im Bereich der Bildung und des Schulwesens übernimmt hausintern das Hauptamt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort