Pilotprojekt Wald Verjüngung des Waldes ist das Ziel

Eft-Hellendorf · Ein wissenschaftliches Pilotprojekt der Universität Göttingen vergleicht Waldstücke, die sich selbst überlassen und  die eingezäunt sind.

 Vegetationsaufnahme im Rahmen des BioWild-Projektes im  Schwarzbruch bei Eft-Hellendorf: Das übergeordnete Ziel des Projektes ist die Erfassung des Einflusses von Schalenwild auf die Pflanzenvielfalt und auf die Waldstruktur.  

Vegetationsaufnahme im Rahmen des BioWild-Projektes im  Schwarzbruch bei Eft-Hellendorf: Das übergeordnete Ziel des Projektes ist die Erfassung des Einflusses von Schalenwild auf die Pflanzenvielfalt und auf die Waldstruktur.  

Foto: Ruppenthal

Vorsichtig geht Michael Unger auf dem Waldboden in die Knie – kein Pflänzchen will der Forstwissenschafler der Uni Göttingen beschädigen.

Mini-Tannen stecken ihre Spitzen aus dem Boden, kleine Fichten, Lärchen, Eichen und Buchen. Auch eine spät blühende Traubenkirsche, ein Import aus Nordamerika, hat in dem Revier in Heimat gefunden. „Wahrscheinlich hat ein Vogel sie hierher gebracht“, mutmaßt Unger. Mit akribischer Genauigkeit zählt er die Pflanzen und misst sie. Ergebnisse, die Techniker Karl-Heinz Heine notiert. Unger geht wieder in den Stand, räumt die rot-weiß gestrichenen Rohre beiseite, die bei der Zählung wie ein Andreas-Kreuz den Boden markieren.

Den Trick im kommenden Jahr just die Stelle wieder zu finden, die im Schwarzforst bei Eft-Hellendorf untersucht worden ist, verrät Forstwissenschaftler Torsten Vor: „Mit einem Detektor. Denn wir haben in einem Quarree um die Stelle an Bäumen Metallteile vergraben.

Daran orientieren wir uns“, gibt der promovierte Wissenschaftler den Jagdpächtern Karl und Philipp Weckbecker, Thomas Caspar und Karlheinz Kahn das Geheimnis preis.

Der Beweis in der Praxis folgt. Vor schnappt sich den Detektor, der schlägt an allen vier Bäumen an. Zielgerichtet geht der Fachmann wieder auf den Punkt zu, an dem vor wenigen Minuten die beiden Rohre „über Kreuz lagen“. Derweil hat Biologin Steffi Heinrichs die Nachwuchs-Pflanzen in dem eingezäunten Bereich unter die Lupe genommen und gesellt sich nun kurz zu der Gruppe in dem freien Gelände. Daten außerhalb und hinter dem hohen Drahtgeflecht nimmt das Team auf.

Beide Terrains sollen verglichen werden. Was die Wissenschaftler herausfinden wollen: Wie entwickelt sich der Wald mit und ohne Wild? Nicht nur die Göttinger widmen sich dieser Studie. Wildbiologen der Uni Dresden sind an Bord, ebenso die Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW). „Biodiversität und Schalenwildmanagement in Wirtschaftswäldern“ ist das bundesdeutsche Modellprojekt überschrieben. „Die natürliche Vielfalt wird durch diverse Faktoren beeinflusst“, sagt Gangolf Rammo, Mitarbeiter des Projektes und Forstoberamtsrat beim Umweltministerium. Die Art der Bewirtschaftung nennt er als Beispiel, aber auch unnatürlich hohe Bestände an Schalenwild-Arten, wie Rehwild. Auf sechs Jahre ist das Projekt nach seinen Worten angelegt.

„Wir sind im zweiten Jahr“, sagt er. „Eine gute Sache“, loben Armin Birk und seine Jagd-Freunde das Projekt. Biete es doch die Chance auf eine Verjüngung des Waldes. Und es weise die Möglichkeit auf, die Vegetation mit und ohne Wildeinfluss zu dokumentieren.

Eine Teilfläche, rund 100 Quadratmeter, ist wilddicht eingezäunt, eine weitere benachbarte gleich große Fläche mit den identischen äußeren Bedingungen wird nur markiert, bleibt für das Wild zugänglich. Die Folge: So manche kleine Fichte in freier Wildbahn hat ihre Nadeln verloren, droht einzugehen – die Folge von einer Lieblingsbeschäftigung von Rehen, wie Jagdpächter Philipp Weckbecker, Förster in Rheinland-Pfalz, sagt: „Die fegen sich gerne an den Bäumen.“ Während Inka, seine kleine Münsterländer-Dame, und Charlie, das westfälische Dachsbracken-Männchen von Thomas Caspar, miteinander spielen, fachsimpeln Jäger und Forstwissenschaftler – etwa über die Auswirkungen von Stürmen. Ein weiteres Thema: Wie Büsche und Bäume die Population von Schalenwild, wie beispielsweise Rehe, beeinflussen und wie die Anzahl der Tiere Auswirkung auf den Wald haben.

Lange hält es die Biologin nicht bei der Gruppe. Bewaffnet mit Block und Bleistift macht sie sich auf, sich einen Überblick über die verschiedenen Pflanzen zu verschaffen. Kurz vor einem Ortswechsel kehrt sie mit dem Fazit zurück: „Ich habe 21 Pflanzenarten entdeckt, ohne die Moose mit zu rechnen. Das ist ein enorm gutes Ergebnis“ – eine Aussage, die Forstoberamtsrat Rammo bestätigt. „Auf sauren Böden ist der Pflanzenreichtum nicht groß. Da sind 21 Arten schon viel. Anders ist das auf Kalkböden, wie etwa auf dem Beckinger Wolferskopf. Dort gibt es 450 Pflanzenarten, darunter Orchideen.“

 Gangolf  Rammo.

Gangolf  Rammo.

Foto: Ruppenthal

Standortwechsel: Ein paar 100 Meter unterhalb des Terrains wird das nächste Gebiet untersucht – hinter dem Zaun und in freiem Gelände. Pflanzen werden gezählt, gemessen, alle Daten aufgeschrieben. Im nächsten Sommer werden die Göttinger nach ihren Worten wieder ins Saarland kommen, um erneut Inventur zu machen.

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