Büschdorf Mit digitalem Biologieunterricht „am Puls der Zeit“

Seine Arbeit bei Zeiss liebt Christian Backes aus Büschdorf wie er sagt „sehr“. Der Doktor der Biophysik ist unter anderem für Schulen zuständig, etwa für das Schengen-Lyzeum. Doch: „Sollte die ESA jedoch beschließen, dass Alexander Gerst einen weiteren Kollegen benötigt, wäre ich sehr interessiert.“

 Christian Backes inmitten seiner Arbeitsgeräte

Christian Backes inmitten seiner Arbeitsgeräte

Foto: Christian Backes

Vom Polizisten zum promovierten Biologen: Was hat Sie dazu veranlasst, dieses Studium aufzunehmen?

CHRISTIAN BACKES: 2006 war ich nach dreieinhalb Jahren Ausbildung ein frisch gebackener Polizist und arbeitete als Kommissar im Streifendienst der Polizei-Inspektion Dillingen. Ich hatte den Drang, mich beruflich weiter zu entwickeln und fand das Thema Kriminalbiologie interessant. Ich entschloss mich zu einem zugegebenermaßen ungewöhnlichen Plan, nämlich meinen Polizeiberuf zu kündigen und an der Universität des Saarlandes Human- und Molekularbiologie zu studieren. Nach dem Erreichen des Diploms wollte ich als diplomierter Biologe und Polizist mit doppelter Qualifikation in den behördlichen Dienst zurückkehren. Doch das Schicksal hatte andere Pläne für mich. Noch vor meinem Diplom wurde Professor Doktor Hoth, Leiter der Biophysik der Uniklinik Homburg, auf mich aufmerksam. Er bot mir an, in seiner Abteilung mein Diplom zu absolvieren.

Womit haben Sie sich in Ihrem Diplom befasst?

Thematisch arbeitete ich im Bereich der Immunologie und Krebsforschung. Ich beschäftigte mich damit, wie Zellen des menschlichen Immunsystems Krebszellen abtöten und wie man die Abtötungsmechanismen untersuchen und optimieren kann. Das Werkzeug, mit dem ich diese Untersuchungen durchführte, war die Fluoreszenzmikroskopie. Ich arbeitete mit mehreren Mikroskopsystemen, deren jeweiliger Wert einem Einfamilienhaus entspricht. Ab dem Moment war es um mich geschehen.

Sie hatten also Feuer für diese Wissenschaft gefangen?

Der Gedanke, mit diesen Geräten, die die Spitze der technischen Machbarkeit darstellen, ein Thema zu bearbeiten, das gegen das allgegenwärtige Gesundheitsproblem Krebs kämpft, ließ mich nicht mehr los. Ich wollte sowohl mein Forschungsthema bearbeiten als auch diese Geräte bestmöglich beherrschen. Nahtlos schloss ich an mein Diplom meine Promotion an, die ich 2016 mit der Bestnote „summa cum laude“ abschloss. Als promovierter Biologie führte ich meine Arbeit weiter und war 2017 gerade dabei, die laufenden Projekte zu einem runden Abschluss zu bringen, als die Firma Zeiss, deren Mikroskopsysteme ich während meiner Doktorarbeit nutzte, auf mich aufmerksam wurde. Im Bewerbungsverfahren setzte ich mich gegen rund 100 andere, ebenfalls promovierte Mitbewerber, durch und wurde in das Team der Carl Zeiss Microscopy GmbH aufgenommen.

Was hat Sie veranlasst, sich dem Fachbereich Biophysik zu widmen?

BACKES: Der Chef, Professor Dr. Hoth. Er beeindruckte mich nicht nur durch seine fachliche Kompetenz, sondern auch durch seine Fähigkeit, seine Arbeitsgruppe fair, menschlich und auf Augenhöhe zu führen. Es gelang ihm, seine Arbeitsgruppe und die Ausstattung auszuweiten. Dieser Elan, gepaart mit Fairness und dem anspruchsvollen Thema, faszinierte mich.

Welche Untersuchungen umfasste Ihre Doktorarbeit, für die Sie die Bewertung „summa cum laude“ bekommen haben?

BACKES: Die Universitätsklinik Homburg besitzt eine Blutspendeabteilung. Blutspender können sich einverstanden erklären, dass Teile ihrer Blutspende für die Forschung eingesetzt werden dürfen. Aus diesen anonymisierten Blutspenden isolierte ich Immunzellen, genauer gesagt natürliche Killerzellen. Dies sind Zellen aus dem „angeborenen Immunsystem“ und sie haben zytotoxische Mechanismen, also die Fähigkeit, andere Zellen abzutöten. Sie patrouillieren in unserem Körper und suchen nach erkrankten Zellen, die auf ihrer Oberfläche Stresssignale zeigen. Nach dem aktuellen Stand der Forschung arbeiten sie über zwei Hauptmechanismen, nämlich dem Aktivieren eines vorprogrammierten Selbstverdaus der erkrankten Zelle (Apoptose) sowie dem Zerstören der Zellmembran der erkrankten Zelle (Nekrose). Stellt man sich vor, dass die erkrankte (Krebs-) Zelle ein Luftballon ist, ist die Apoptose so, als würde der Luftballon auf Kommando der Immunzelle schrumpfen, bis er ein verschrumpelter Schatten seiner selbst ist. Anschließend wird er von einer Makrophage, der Müllabfuhr des Körpers, aufgegessen. Eine saubere, aber langsame Sache also. Die Nekrose verläuft gänzlich anders. Hier wäre es so, als würde die Immunzelle mit einer Nadel in den Ballon ein­stechen, so dass dieser zerplatzt. Das Beispiel macht klar, dass ein und dieselbe Immunzelle die erkrankte Zelle also entweder gemütlich schrumpfen, schrumpeln und aufräumen lassen kann, oder aber verursacht, dass die kranke Zelle sofort platzt, damit sie weg ist. aber auch ihren eventuell krankmachenden Zellinhalt in das umliegende Gewebe frei gibt. Warum dies geschieht, wie die Immunzelle entscheidet, wann sie welche Abtötungsmethode wählt, was dies für den Körper bedeutet und wie man das Verhalten der Immunzelle zur Bekämpfung von erkrankten Zellen optimieren kann, war Gegenstand meiner Promotion.

Was hat sie bewogen, sich seit 2017 der Mikroskopie zu widmen?

BACKES: Ich beforschte mein Promotionsthema seit 2012, also seit fünf Jahren. Währenddessen nutzte ich High-End-Mikroskope, die mich genau so sehr faszinierten wie die Forschung selbst. 2017 kam ich an einen Punkt, an dem viele der Forschungsfragen, die ich und mein Professor uns zu Beginn meiner Arbeit gestellt hatten, geklärt waren. Meine Doktorarbeit war vollendet, die wissenschaftliche Veröffentlichung der Ergebnisse vorbereitet. Ich entschied mich, meiner Faszination für Mikroskopie zu folgen und wechselte in das Team der Zeiss Microscopy GmbH. Die Abteilung Biophysik arbeitet weiter mit hohem Eifer an dem Thema und gibt neuen Doktoranden die Möglichkeit, ihre Fußspuren in der Forschung zu hinterlassen, ebenso wie ich es durfte.

Vom Wissenschaftler ins Klassenzimmer: Was gab den Ausschlag für Sie, auch Schulen zu besuchen?

BACKES: Im Team der Zeiss Microscopy bin ich Account Manager für den Bereich Academia. Dies bedeutet, dass ich zuständig bin für alle Institutionen, die Mikroskopie einsetzen und entweder ausbilden oder forschen. Konkret sind dies Schulen, Universitäten, Kliniken und private Forschungseinrichtungen. Das Mikroskopieportfolio von Zeiss ist sehr breit und so hat sich Zeiss auch eine Lösung für Schulen und Ausbildungsstätten ausgedacht, die echte Neuerungen und einen Mehrwert für den Biologieunterricht bereithält. Als ich das Schengen Lyzeum sah, wurde mir bewusst, dass man dort in Sachen moderner Unterricht „am Puls der Zeit“ ist. Ich wollte, dass die Schüler und Lehrer die Möglichkeit haben, die neueste Entwicklung der Firma Zeiss für Schulen zu erproben und zu erleben.

Was vermitteln Sie den Schülern?

BACKES: Der didaktische Lerninhalt wurde von einem Lehrer der Schule, Matthias Vogels, ausgearbeitet. Ich habe die Mikroskope und Proben organisiert und für eine Demonstration zur Verfügung gestellt. In der heutigen Zeit schreitet die Digitalisierung immer weiter und schneller voran. Hier gilt es, kritisch zu sein. Gerade im Unterricht ist es wichtig, dass ein digitales Gerät nicht nur dem Selbstzweck dient, sondern einen Mehrwert bringt. Liest ein Schüler beispielsweise einen Text, so kann er dies wunderbar von einem Blatt Papier tun und benötigt nicht zwingend ein Tablet. Mit der Demonstration des Zeiss-Konzeptes „Digitaler Klassenraum“ wollte ich vor Ort erleben, ob Lehrer und Schüler den Mehrwert in dem Konzept nutzen können.

Ist dieser Ausflug vom Forschertisch eine willkommene Abwechslung für die Schüler?

BACKES: Ja! Ein zentraler Gedanke des Konzeptes ist es, dass Lernen Spaß machen soll. Die Schüler sollen motiviert werden. Dies ist uns in dem Probelauf absolut gelungen.

Im Schengen-Lyzeum Perl haben Sie mit Schulleiterin Marion Zenner ein Probe-Projekt „Digitales Klassenzimmer“ geboren. Was ist darunter zu verstehen?

BACKES: Der zentrale Gedanke ist die Gruppenarbeit. Im Raum verteilt stehen mehrere Mikroskope, an denen Schüler sitzen. Sie bekommen eine Aufgabe und sollen diese durch Mikroskopieren lösen. An dieser Stelle ist es sehr schwierig für den Lehrer, den Überblick zu bewahren: Welche Gruppe kommt gut zurecht? Welche benötigt Hilfestellung? An diesem Punkt greift die Lösung „digitaler Klassenraum“ von Zeiss. Die Mikroskope haben eine eingebaute Kamera, die Livebilder an das Tablet des Lehrers senden. Der Lehrer sieht in Echtzeit eine Übersicht aller Bilder, die die Mikroskope gerade aufnehmen. Er kann also mit einem Blick sehen, was die Schüler machen, ohne von Gruppe zu Gruppe gehen zu müssen. Der Lehrer kann über sein Tablet die gesamte Gruppe kontrollieren, entscheiden, welche Gruppe Hilfestellung benötigt und auswählen, welches Mikroskopbild nach vorne per Beamer mit der ganzen Klasse geteilt wird. Er kann ausgewählte Beispiele gemeinsam mit allen besprechen und die Bilder mit seinem Tablet auch sofort bearbeiten, also beispielsweise Pfeile einfügen, Strukturen vermessen oder Maßstabsbalken einblenden. Die Schüler sind dabei besonders motiviert, weil natürlich jede Gruppe das schönste Beispiel für die gestellte Aufgabe finden und nach vorne projiziert haben möchte. Die Bilder können mit dem Tablet gespeichert und sofort mitgenommen werden. Die Schüler nehmen dies sehr gut an, weil sie mit digitalen Geräten sehr gut vertraut sind und die Möglichkeit haben, ihre „eigenen Bilder“ sofort mitzunehmen.

Wie kann man ein digitales Klassenzimmer mit einem Netzwerk von Schulmikroskopen aufbauen?

BACKES: Im Klassenraum werden mehrere Mikroskope aufgestellt. Jedes Mikroskop hat eine eingebaute, netzwerkfähige Kamera. Alle Mikroskope werden in einem Netzwerk zusammengeschlossen und über die App „Labscope“ von Zeiss über das Tablet des Lehrers kontrolliert. Der Lehrer kann auf dem Tablet ein bestimmtes Mikroskop antippen und dessen Bild an einen Empfänger senden, der an einen Beamer angeschlossen ist. Das Bild wird dann per Beamer nach vorne projiziert und kann präsentiert, besprochen, bearbeitet, gespeichert und an die Schüler geschickt werden.

Gibt es ein berufliches Ziel, das Sie noch erreichen wollen?

BACKES: Ich bin sehr zufrieden, in das Team der Zeiss Microscopy aufgenommen worden zu sein und kann mir aktuell keinen Wechsel vorstellen. Aber sag niemals nie! 2015 habe ich aus Neugierde den Pilotentest der Lufthansa am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum gemacht und bestanden. Ich habe den Weg nicht weiter verfolgt, da die Lufthansa einen Einstellungsstopp hatte und sich mir die Zeiss-Karriereoption bot. Sollte die ESA jedoch beschließen, dass Alexander Gerst einen weiteren Kollegen benötigt, wäre ich sehr interessiert.

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