Große Granaten hinter dicken Mauern

Perl · Seit 40 Jahren lagern in einem kleinen Ort bei Perl riesige Mengen Munition. Damit nichts passiert, betreibt die Bundeswehr einen enormen Aufwand – von Wachhunden bis zu einer eigenen Berufsfeuerwehr. Wer im Lager arbeiten möchte, muss erst einmal eine Überprüfung durch einen Geheimdienst über sich ergehen lassen.

 Major Matthias Fienhold, der Kommandant des Munitionslagers, vor großen Regalen voller Nebelgranaten für Nato-Artillerie-Geschütze. Foto: Rolf Ruppenthal

Major Matthias Fienhold, der Kommandant des Munitionslagers, vor großen Regalen voller Nebelgranaten für Nato-Artillerie-Geschütze. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Boris, Eros und Iron sind Hunde, denen man in freier Natur lieber nicht begegnen möchte. Schon im Zwinger machen sie beim Anblick eines unbekannten Gesichts einen Mordsaufstand. Boris, Eros, Iron und die anderen Wachhunde, überwiegend Schäferhunde, haben eine verantwortungsvolle Aufgabe: Mit ihren Herrchen, Mitarbeitern eines privaten Sicherheitsdienstes, bewachen sie die sechs Kilometer lange Außengrenze des Munitionsdepots in Eft-Hellendorf. Zeigen die Hunde bei einer Prüfung Schwächen, kann das den Wachmann den Job kosten.

Das zeigt, wie ernst die Sache ist. In Eft-Hellendorf, einem beschaulichen Ortsteil der Gemeinde Perl mit 300 Einwohnern, hat eines der wichtigsten logistischen Drehkreuze der Bundeswehr seinen Sitz: eines von bundesweit sechs (künftig vier) Munitionsdepots. 9000 Tonnen Explosivmasse lagern dort: Munition für Handwaffen, Artillerie und Panzer. Täglich kommen Lastwagen, um palettenweise Munition anzuliefern oder abzuholen. Am 27. Juni gibt es aus Anlass des 40-jährigen Bestehens des Depots einen Tag der offenen Tür. "Wir haben nichts zu verheimlichen", sagt der stellvertretende Kommandant des Depots, Hauptmann Tobias Meier.

Die Gebäude, die schon von der Landstraße zwischen Büschdorf und Borg aus zu sehen sind, wirken ein wenig aus der Zeit gefallen. Seit dem Bau (1968 bis 1975) ist an den Blocks, in denen die Verwaltung mit ihrem Kommandanten , Major Matthias Fienhold, sitzt, wenig gemacht worden. Die Mitarbeiter sagen selbst, heute würde eine solche Anlage an der Stelle wohl erst gar nicht mehr genehmigt - das Depot liegt mitten in einem Sumpfgebiet.

Hinter dem Verwaltungsbereich geht es durch eine Sicherheitsschleuse in den "gefährlichen Betriebsteil" mit einem 16,5 Kilometer langen Straßennetz und 153 Bunkern. Sie sind versetzt angeordnet, damit kein Bunker etwas abbekommt, wenn einer mal in die Luft gehen sollte. Einen Unfall hat es in den 40 Jahren des Bestehens noch nicht gegeben, sagt Fienhold, während er seinen Besucher gerade in einen Bunker mit 5000 Leucht- und Nebelgranaten - jede wiegt 46,5 Kilogramm - führt. Jede Woche werde Inventur gemacht, und bisher habe noch nie etwas gefehlt.

Für die Sicherheit betreibt die Bundeswehr einen enormen Aufwand. Um die Bunker herum zieht sich ein Sicherheitsring mit einem Radius von 1000 Metern. Die Bunker haben eine Wand aus 1,20 Meter dickem Stahlbeton und sind mit etwa 30 Zentimeter dicken Stahltoren verschlossen, ausgestattet mit hochsensiblen Sensoren. "Schon wenn ein Vogel gegen das Stahltor fliegt, kann es zum Alarm kommen", sagt Meier.

80 Zivilbeschäftigte und 20 Soldaten arbeiten im Munitionsdepot. Die meisten Zivilisten haben eine Ausbildung in einem metallverarbeitenden Beruf, bevor sie als sogenannte Munitionshelfer zum Depot kommen. Die Ausbildung zum Munitionsfacharbeiter dauert dann noch einmal drei Jahre. Wer hier arbeiten will, wird zunächst vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) durchleuchtet. "Wenn man mit Handgranaten zu tun hat, ist das etwas anderes, als wenn man mit Schokolade arbeitet", sagt Meier.

Munitionsfacharbeiter und Munitionshelfer kontrollieren regelmäßig die Munition (eines der Probleme ist Korrosion), pflegen, lackieren und beschriften sie. "Es kann nichts passieren", beruhigt Kommandant Fienhold, "es sei denn, man geht mit einem Feuerzeug an den Treibstoff." Auf dem Gelände herrscht striktes Rauchverbot, auch Handys müssen ausgeschaltet werden, wegen der elektromagnetischen Strahlung.

Zur Sicherheit trägt auch eine eigene Berufsfeuerwehr im Munitionsdepot bei, die einzige Wache der Bundeswehr-Feuerwehr im Saarland. Tagsüber sind mindestens sieben Beamte im Einsatz, die auf fünf Fahrzeuge mit 13 000 Liter Löschwasser zurückgreifen können. Die Feuerwehr stellt die Brandwache, wenn auf dem Gelände gearbeitet wird, und hält vorbeugend nach möglichen Gefahrenherden Ausschau. Eines der größten Risiken sind Waldbrände, denn das Munitionsdepot liegt mitten im Wald - auch wenn das Feuer nicht in die Bunker kommen könne, wie Fienhold versichert. Sollte Sprengmunition auf dem Gelände aber doch einmal Feuer fangen, bleibt selbst die Feuerwehr weg - und hält einen Kilometer Sicherheitsabstand.

Tag der offenen Tür am Samstag, 27. Juni, 10 bis 18 Uhr, mit Ausstellungen und Führungen. Die Bundeswehr-Ausbildungswerkstatt St. Wendel mit 128 Ausbildungsplätzen für Kfz-Mechatroniker und Feinwerkmechaniker, die dem Munitionsdepot in Eft-Hellendorf unterstellt ist, präsentiert sich ebenfalls.

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