Die Öchsle-Tour

Perl. Die gebogenen Glasröhrchen gurgeln und gurgeln - Stunden und Tage mit einem Schluck Wasser. Darunter blubbern tausende Liter Traubenmost in Edelstahltanks unentwegt ihrer Bestimmung entgegen. Aus Saft wird Wein. Aus Zucker wird Alkohol und Kohlensäure. Die sucht ihren Weg nach draußen. Ein Geruch drängt sich in den Kopf, süß und schwer. Die Luft ist knapp im Gewölbe

Perl. Die gebogenen Glasröhrchen gurgeln und gurgeln - Stunden und Tage mit einem Schluck Wasser. Darunter blubbern tausende Liter Traubenmost in Edelstahltanks unentwegt ihrer Bestimmung entgegen. Aus Saft wird Wein. Aus Zucker wird Alkohol und Kohlensäure. Die sucht ihren Weg nach draußen. Ein Geruch drängt sich in den Kopf, süß und schwer. Die Luft ist knapp im Gewölbe. Das Licht schummrig. Doch es reicht aus, um zu erkennen, dass die mintgrüne Kühlbox voller kleiner Plastikflaschen nicht ins verklärte Bild vom Weinkeller während der Traubenlese passt.Für die Kellermeister ist es ein gewohnter Anblick: die Kühlbox gehört zu Katrin Hermes, der einzigen Weinkontrolleurin im Saarland. Bei acht saarländischen Winzern im Haupterwerb schaut sie an diesem Tag vorbei - unangemeldet versteht sich. "Sonst wäre es ja keine Kontrolle", sagt Katrin Hermes, die wie die Winzer ebenfalls an der Mosel aufgewachsen ist, allerdings in Kröv in Rheinland-Pfalz. Die Familie unterhält dort ein Weingut. Eine Folge: Katrin Hermes, die Weinkönigin. Das war 2000. Heute ist die Ingenieurin für Getränketechnologie im Auftrag der saarländischen Landwirtschaftskammer unterwegs. 28 kleine Plastikflaschen hat sie bis zum Abend im Kofferraum des weißen Dienst-Opels gesammelt. Sabrina Kirch, eine angehende Lebensmittelchemikerin, begleitet sie an diesem Tag. Bei ihr sowie den Kollegen vom Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz kommen die Proben anderntags auf den Labortisch. Dort werden sie unter anderem auf Zuckergehalt (Öchsle), Säure und Pestizidrückstände geprüft. "Die Arbeit muss zügig erledigt werden", sagt Kirch. Die Proben sind sensibel und die Winzer warten auf die Ergebnisse. Der kritische Blick in den Keller ist lediglich ein Teil der Arbeit der Kontrolleurin. Zwischen Traubenpresse und Edelstahltanks ist Hermes gefragte Ansprechpartnerin und die Behörden liefern mit den Kontrollen zudem wertvolle Erkenntnisse über den Jahrgang 2010. "Sie sind wichtig, weil wir so genau wissen, was wir vor uns haben", sagt Ralf-Petgen-Dahm. Und: "Die Ergebnisse gibt es zum Nulltarif."Thomas Schmitt vom Perler Weingut Schmitt-Weber schaut derweil im eigenen Keller auf ein Glas mit süßem Saft: "Noch zuviel Säure", sagt er knapp. Zeit ist ein wertvolles Gut für die Winzer in diesen Tagen. Eine, höchstens anderthalb Wochen dauert die Lese noch. Für ein Gespräch mit Hermes reicht die Zeit aber allemal. "Jetzt entsäuern", rät sie. Und nimmt ein weiteres Fläschchen entgegen, das in die Kühlbox kommt. Probennummer, Herkunft und Mostgewicht werden im Aktenordner notiert. Noch ein kurzes Fachsimpeln über die neuesten Holzfässer im Keller. Dann geht es weiter.961 500 Liter haben die saarländischen Weingüter laut Statistik 2009 geerntet. Ein Spitzenjahrgang. In diesem Jahr sind die Winzer größtenteils verhaltener. Nasse Witterung hat ihnen zu schaffen gemacht. Mehr Trauben als 2009 fallen Fäulnis zum Opfer. "Das gibt geringere Mengen, vor allem bei den hochwertigeren Weinen", erwartet Peter Petgen vom Weingut Karl Petgen in Nennig. Dem schließt sich beispielsweise Ökowinzer Willi Ollinger aus Perl-Sehndorf an. Und: Der 2010er dürfte nicht nur knapper, sondern auch teurer werden im Verkauf.Dass dann die Qualität stimmt, überprüft derweil Katrin Hermes - noch ein Fläschchen in die Kühlbox. Es blubbert leise vor sich hin.

HintergrundDie Einstufung der deutschen Weine orientiert sich am Mostgewicht, das in Grad Öchsle gemessen werden kann. Damit wird festgestellt, wie viel Zucker im Traubensaft ist. Je mehr Zucker, desto höher ist später der Alkoholgehalt.Die saarländischen Winzer müssen für Qualitätsstufen bestimmte Öchsle-Werte erreichen. Qualitätswein aus Riesling- oder Elblingtrauben muss mindestens 51 Öchsle haben. Eine Spätlese benötigt 78 Öchsle. Dieser Wert gilt auch für die übrigen Weißweine. Eine Auslese beginnt bei 86 Öchsle. Bei Rotweinen müssen es beispielsweise 88 Öchsle für die hochwertige Auslese sein. red

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