Besch „Die Lage in Perl ist unhaltbar“

Auf das Saar-Umweltministerium kommt juristisches Ungemach zu: „Wir werden die erste tierschutzrechtliche Verbandsklage im Saarland führen“, kündigt Rechtsanwalt Michael Heuchemer (Foto: privat) an. Der Bendorfer Jurist vertritt die Tierbefreiungsoffensive Saar (TIBOS), den Tierschutz-Beirat des Landes Rheinland-Pfalz und die Gemeinde Perl bei deren gemeinsamen Ansinnen: Sie fordern, dass die von Lothar Lorig eingerichtete Schwanenstation im Bescher Industriegebiet geschlossen wird.

 Michael Heuchemer

Michael Heuchemer

Foto: Michael Heuchemer

Sie werfen bei Ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht dem Saarland ein Vollzugsdefizit im Tierschutzrecht vor. Womit begründen Sie diesen Vorwurf?

MICHAEL HEUCHEMER: Der Vorwurf von Vollzugsdefiziten im Tierschutzrecht wird von Tierschützern bundesweit erhoben. Der Gesetzgeber hat die Tierschutzverbandsklage eingeführt, die den Tieren vor den Behörden und dem Gericht eine Stimme verleihen soll. Die Behörden unterlaufen, ja sabotieren leider oftmals diesen gesetzlichen Auftrag und den gesetzgeberischen Willen. Uns sind zahlreiche Beispiele bekannt, wo durch verschleppte und unvollständige Akteneinsicht, offensichtliche Fehlanwendungen des Rechts, willkürliche Entscheidungen und das Übergehen der gesetzlichen Rechte der Tierschutz missachtet wird. Im Saarland ist dies besonders schlimm ausgeprägt. Die Behörde, also das Umweltministerium in Saarbrücken, handelnd durch das Landesamt für Verbraucherschutz, hat uns trotz mehrfacher eindringlicher Mahnung unvollständige Akten gesendet. Den Vermerk über eine zentrale Besprechung am 17. Januar, von der wir zufällig wussten, dass es sie gibt, hat die Behörde erst auf konkrete Beanstandung übersendet – die vollständigen Akten bis heute trotz mehrfacher Mahnung gar nicht.

Es geht in der Sache um den „Schwanenvater“ Lothar Lorig, der – nachdem seine Schwanenstation in Trier geschlossen wurde – in Perl-Besch eine neue Schwanenstation aufgemacht hat.

HEUCHEMER: Genau um den geht es. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat in einem früheren Verfahren gegen Lorig schwerwiegende Verstöße festgestellt. In Trier gab es eine unfassbare Überbelegung der Station. Es kamen tierschutzrechtlich nicht hinnehmbare Verstöße vor. Das Gericht hat Lorig eine ungünstige Zukunftsprognose gestellt und ihn sogar als „Handlungsstörer“ im polizeirechtlichen Sinne bezeichnet. Es ist nicht zu fassen, dass ihm faktisch weiter die Möglichkeit des Umgangs mit Schwänen eröffnet sein soll. Er wird staatsanwaltlich verfolgt. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat einen Strafbefehl gegen ihn wegen schwerer Jagdwilderei beantragt und das Strafgericht hat ihn erlassen. Er ist vor dem Amtsgericht Cochem wegen Wilderei verklagt, der Hehlereiverdacht steht im Raum.

Warum kann eine Behörde vor diesem Hintergrund diese Station nicht schließen?

HEUCHEMER: Die Behörde kann die Station schließen, und aus unserer Sicht muss sie es auch. Wie wir wissen, hatte die Behörde nicht nur erwogen, sondern konkret vorbereitet, dass die Station aufgrund der dargelegten Unzuverlässigkeit von Lorig nicht fortbestehen kann. Was soll man zu dem Sachverhalt sagen, dass die Behörde die tiefgreifenden Bedenken zur Zuverlässigkeit von Lorig aktenkundig macht, die Auflösung beschließt, intern auch unter Fristsetzung zum 31. März 2018 die Auflösungsentscheidung fällt – und sodann, nachdem sich kein Neutraler findet und alle Versuche scheitern, Nabu oder andere Verbände für die Sache zu gewinnen, die Verantwortung an die Frau des „Unzuverlässigen“ abgibt? Anfangs dachten wir, dies sei ein Scherz. Warum soll heute nicht mehr gelten, was gestern gesagt wurde? Es macht uns fassungslos, dass ein per Strafbefehl geahndeter Straftäter noch faktisch in der Station tätig sein kann, die aus unserer Sicht nunmehr als „Feigenblatt“ an dessen Frau als fachlich Verantwortliche übertragen wurde. Die Station ist zu schließen. Der Tierschutzbeirat des Landes Rheinland-Pfalz und ihre Vorsitzende Dr. Baumgartl-Simons unterstützen diese Position vollumfänglich und haben sich mit einer einstimmigen Resolution an Umweltminister Reinhold Jost gewendet.

Ist es überhaupt gestattet, verletzte Wildtiere in Obhut zu nehmen und gesund zu pflegen?

HEUCHEMER: Dies ist nur in engen Grenzen gestattet. Jemand, der verletzte Tiere annimmt, tut dies nach dem Gesetz, vereinfacht gesprochen, nur ausnahmsweise und muss dies melden. Er darf die Tiere nicht einfach behalten.

Welche Bedingungen sind daran geknüpft?

HEUCHEMER: Der Besitz darf nur kurzfristig erfolgen. Es ist eine Art vorübergehendes, notstandsähnliches Recht, und die Erlangung ist zu melden. Die Führung einer Schwanenstation bedarf der „Zuverlässigkeit“. Diese sehen wir nicht gegeben aus den Gründen, die bei der Behörde aktenkundig sind.

Warum kann Lorig trotz der diversen juristischen Urteilssprüche weiter mit Schwänen arbeiten?

HEUCHEMER: Dies verstehen wir und unsere Mandantschaft auch nicht. Das Umweltministerium und das Landesamt für Verbraucherschutz wollten die Station im Januar 2018 ausweislich des Vermerks definitiv schließen. Wir können es nicht verstehen, dass eine derart vorbelastete Person nun faktisch durch die Benennung seiner Frau weiter Zugang zu Schwänen haben soll. Dies ist ein Schlag ins Gesicht jedes aufrechten Tierschützers. Auch die Gemeinde Perl möchte die Schwanenstation nicht länger haben. Wir haben den Eindruck, die Behörde hat einfach „kapituliert“ durch die beharrlichen und penetranten Eingaben des Herrn Lorig.

Was wollen Sie mit Ihrer Verbandsklage erreichen?

HEUCHEMER: Die Station muss geschlossen werden. Wir möchten mit der Verbandsklage das Tierwohl verwirklichen. Die Tiere haben keine andere Möglichkeit, ihre Stimme durchzusetzen als über den Weg der Verbandsklage.

Was ist eine Verbandsklage?

HEUCHEMER: Die Verbandsklage wurde 2013 durch das Tierschutzverbandsklagegesetz im Saarland eingeführt. In den meisten Bundesländern gibt es die Verbandsklage; für das Saarland wäre es die erste. Wir erhoffen uns eine entsprechende Aufmerksamkeit für eine Frage, die aus unserer Sicht für das Tierwohl essentiell ist.

Sie vertreten neben der  Tierbefreiungsoffensive Saar (TIBOS) in gleicher Sache auch die Gemeinde Perl.

HEUCHEMER: Jawohl, neben der Tierbefreiungsoffensive vertreten wir auch die Gemeinde Perl. Denn die Schwanenstation ist bereits baurechtswidrig entstanden. Sie liegt in einem Gewerbegebiet in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Fabrik, was offensichtlich dem Tierwohl nicht dienlich sein kann. Schwäne gehören da nicht hin! So lautet auch der Widerspruchbescheid des Landkreises Merzig-Wadern.

Wer ist für die Betriebserlaubnis für die Station zuständig?

HEUCHEMER: Eine Erlaubnis nach Paragraf 11 Tierschutzgesetz wird durch das Umweltministerium, handelnd durch das Landesamt, erteilt. Sie war von 2014 befristet bis zum Herbst 2017, wurde vorläufig für drei Monate verlängert, und im Januar 2018 fasste die Behörde, wie gesagt, den begründeten Entschluss zur Auflösung der Station wegen durchgreifend mangelnder Zuverlässigkeit der Leitung. Endet die Genehmigung, so ist sie ohnedies zu räumen. Nach unserer Auffassung ist dies die Sache des Umweltministeriums. Auch in Trier wurde die Station schließlich einmal geräumt und es gibt unzählige Verfügungen der dortigen Behörden.

Warum kann die Gemeinde als Eigentümerin des Geländes nicht die Schwanenstation räumen lassen?

HEUCHEMER: Das Grundstück liegt nur in den Gemeindegrenzen von Perl. Eigentümerin ist eine Gesellschaft. Bis auf einen ganz kleinen Kreis von Unterstützern, die diese skurrile Station verteidigen, kann man niemandem, keinem vernünftigen Menschen, erklären, warum diese Station noch nicht geräumt wurde, mit der es immer Ärger gegeben hat und immer Ärger geben wird.

Was passiert mit den Tieren, falls es zu einer Räumung kommt?

HEUCHEMER: Nach unserer festen Überzeugung sind die meisten Tiere auswilderungsfähig und bestens gesund. Dies war schon damals in Trier so. Auch aktuell ist es so, was sich aus dem Vermerk vom 17. Januar des Landesamtes ergibt. Dort wurde weitgehend die „Auswilderung“ vorgesehen. Die wenigen Tiere, die wirklich pflegebedürftig sind, sollten damals nach dem Willen der Behörde zu bestimmten Zielen in Nordrhein-Westfalen ausgewildert werden. Nach unserer Auffassung ist es gar nicht nötig, so weit zu verteilen. In Wiltingen gibt es eine ausgezeichnete, bestens ausgerüstete, öffentlich geförderte Auffangstation, wenige Kilometer von der Landesgrenze entfernt. Man könnte auf vertraglicher Grundlage ein Kontingent für pflegebedürftige Schwäne aus dem Saarland vereinbaren und somit eine nachhaltige Lösung finden, die auch Ruhe und Rechtssicherheit gewährleistet. Es geht um das Wohl der Tiere. Die Lage in Perl ist unhaltbar.

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