Bunkeranlagen im Kreis Nazi-Bollwerke werden Orte zur Mahnung

Merzig-Wadern · Die Westwall-Bunker in Besseringen, Beckingen, Haustadt, Mettlach und Sinz wurden restauriert und sind zu besichtigen.

 Die Maschinengewehr-Scharte im Bunker in Mettlach

Die Maschinengewehr-Scharte im Bunker in Mettlach

Foto: leis/Tina Leistenschneider

Es ist eine Erinnerung an das, was war, und Mahnung, dass sich Geschichte nicht wiederholen darf: Der Westwall war ein über 630 Kilometer langes und aus über 18 000 Bunkern, Panzersperren, Gräben und Stollen bestehendes Verteidigungssystem entlang der Westgrenze des Deutschen Reiches. Die Wehrmacht ließ den Westwall, der sich vom heutigen Baden-Württemberg bis hinauf zur niederländischen Grenze erstreckte, zwischen 1936 und 1940 errichten. Viele der Bunker wurden während des Krieges oder danach zerstört, aber einige von ihnen sind noch intakt und dienen heute in Form von Museen als Erinnerung an diese Zeit.

Besucher können die Anlagen besichtigen und so hautnah erleben, wie die Soldaten damals dort untergebracht waren und inwieweit der Krieg bis in unsere Region vordrang. Einer dieser Bunker steht in Sinz. Um den kümmert sich Sebastian Kirch. Der im Frühjahr 1940 errichtete Regelbau 501 verfügte über zwei Meter dicke Wände und sollte deutschen Soldaten im Falle eines französischen Überraschungsangriffes Schutz bieten. Regelbau deshalb, weil die Westwall-Bunker standardisiert, also quasi genormt waren. Die Standardisierung der Bauwerke machte es möglich, dass große Stückzahlen, beispielsweise von Panzerungs- oder Lüftungsteilen, gefertigt werden konnten. Zudem vereinfachte sie das Bestellen bei der produzierenden Industrie und erleichterte die Bauausführung. Der Regelbau 501 bei Sinz gehört zum sogenannten Orscholz-Riegel, der von der Mosel im Dreiländereck bis zur Saar bei Orscholz verlief, und diente als Gefechtsstand für 14 Mann Besatzung und später auch als Luftschutzraum.

Das Museum zeigt heute noch Dinge des alltäglichen Lebens, darunter Schreibmaschinen, Telefone, Helme und Lampen. Die Ausstattung ist Kirch dabei nicht so wichtig, ihm geht es darum, „hier Zeitgeschichte vor dem Vergessen zu bewahren“, wie er sagt. Denn in der Nähe kam es zu heftigen Kämpfen zwischen der Wehrmacht und den Alliierten. Ein durch einen Luftangriff verursachter Schaden prägt die Vorderseite des Bunkers.

Ein weiteres Westwallmuseum, dieses vom Typ Regelbau B1/7a, befindet sich in Mettlach. Der restaurierte Bunker diente zwölf Männern als Unterkunft, wurde im Frühjahr 1938 errichtet und verfügt neben zwei Maschinengewehr-Schartenständen über einen Beobachtungsstand mit Beobachtungsglocke. Nach Worten von Jean-Marie Theobald, der die Restaurierung durchführte, sind Besucher ob des heutigen Standorts des Bunkers irritiert. Der Grund dafür liegt im Saarausbau in den 1970er Jahren. Vor dem veränderten Flusslauf der Saar befand sich der Bunker noch direkt am Fluss. Zugleich ist es der erste Bunker des Saarabschnitts und trägt folglich die Nummer eins.

Der von Theobald restaurierte Bunker umfasst viele Originalfundstücke aus dem Ort und eine Teilrekonstruktion der damaligen Ausstattung mit Betten, Möbeln, Lüftung, Fernmeldetechnik und den zugehörigen Waffen. Darüber hinaus dokumentieren Bilder und Karten die Zeitgeschichte des Ortes. Zu dieser gehört auch ein Riss in der Bodenplatte, der 1944 durch einen Bombentreffer zustande kam, und durch den auch heute noch regelmäßig Wasser eintritt. Erwähnenswert sind die Mängel am Bau, wie beispielsweise Türen, die zu schmal sind oder die zur falschen Seite aufgehen. Ebenso ist der Haupt-MG-Stand zu schmal.

Die „stärkste und größte Kampfanlage“ des Westwalls steht mit dem B-Werk in Besseringen. Es ist von 32 Panzerwerken der Baustärke „B“ das einzige, dessen komplette Bausubstanz erhalten geblieben ist. Der Bau des B-Werks begann im Jahr 1938 und wurde ein Jahr später beendet. Nach dem erfolgreichen Frankreichfeldzug wurden die Truppen von dort abgezogen, bevor das B-Werk im Jahr 1944 erneut besetzt wurde. Nachdem die Alliierten 1945 Merzig umgangen hatten, erfolgte der Rückzug der Besatzung.

Somit konnten die Amerikaner das verwaiste B-Werk, an dem nie gekämpft wurde und an dem es keine Einschussspuren gibt, ohne Verluste einnehmen. Die Bunkeranlage verfügt über eine 360-Grad-Rundumverteidigung inklusive Maschinengewehren und einem Granatwerfer mit 600 Metern Reichweite. Im Inneren finden sich auf zwei Stockwerken und in über 40 Räumen alles, was die Soldaten brauchten: unter anderem Bereitschafts- und Schlafräume, eine Küche, Toiletten und ein Sanitätsraum.

Seit 1980 steht das B-Werk unter Denkmalschutz, 1997 begannen die Freilegung und Restaurierung. Bis 2002 betreute die Reservistenkameradschaft Merzig die Anlage, danach übernahm der Verein für Heimatkunde Merzig diese Aufgabe. „Kriegsgeschichte ist immer Heimatgeschichte“, sagt Martin Lang, Mitglied im Verein für Heimatkunde. Ihm zufolge handelt es sich bei vielen Gegenständen im B-Werk um Originale, die Anlage dient zugleich als Denkmal, Museum und mit ihren Infotafeln auch als Mahnmal.

Gleich zwei Bunker des Westwalls zur Besichtigung stehen in unmittelbarer Nähe zueinander in Beckingen: Zum einen der Regelbau 2a am Beckinger Pfaffenkopf und zum anderen der Regelbau 114a in Beckingen, genannt „Erlkönig“. Beide Bunker sind laut Axel Jungmann, erster Vorsitzender des Kultur- und Heimatvereins Beckingen, nicht miteinander verbunden.

Vor rund zehn Jahren stieß man in Beckingen auf die Bunker, als dort ein Neubaugebiet geplant wurde. Seitdem kümmert sich der Verein um den Erhalt der Anlagen, zeigt anhand von Bildern und Originaldokumenten die Geschichte des Ortes im Zweiten Weltkrieg, der unter schweren Kämpfen litt. Fotografien dokumentieren die Arbeitsbedingungen beim Bau, eine Liste gedenkt der Opfer und Vermissten, und Berichte bezeugen die Geschichte von Helmut Sturm, einem Beckinger, der das Verwundetenabzeichen in Gold erhielt. „Das bekam man nach fünfmaliger Verwundung“, erklärt Jungmann.

Der „Erlkönig“ ist mit 3,50 Meter dicken Außenwänden und Decken deutlich massiver gebaut als sein Nachbar und zeigt wie dieser, wie das Leben der Soldaten im Bunker aussah. Es gibt einen Bereitschafts- und Verpflegungsraum, eine Munitionskammer, eine Eingangsverteidigung und einen Gefechtssturm, welcher doppelstöckig mit Kampfbühne ausgeführt ist.

Ein weiterer Bunker des Westwalls befindet sich in Haustadt – ein Gruppenunterstand mit angehängtem Kampfraum. Seine Besonderheit: „Er ist spiegelverkehrt gebaut“, sagt Josef Recktenwald, der sich um die Anlage kümmert, „wegen der Hanglage“. Zudem ist dieser Bunker schwarz angemalt. Recktenwald zufolge dienten die Bunker lediglich dem Schutz, gekämpft wurde „im Feld, nicht im Bunker“. Bei dem Museum handelt es sich um einen Regelbau 10 von 1938 für eine Infanteriegruppe von 15 Mann, die Bewaffnung bestand aus einem MG in Maulscharte. Drinnen befinden sich noch Wasser- und Essensträger, Helme, Lampen, Volksempfänger, Grammophon und Rasierklingen sowie Orignal-Dokumente.

 Hier waren die Soldaten im „Erlkönig“ in Beckingen untergebracht.

Hier waren die Soldaten im „Erlkönig“ in Beckingen untergebracht.

Foto: leis/Tina Leistenschneider
 Seit 1980 steht das das B-Werk in Besseringen unter Denkmalschutz.

Seit 1980 steht das das B-Werk in Besseringen unter Denkmalschutz.

Foto: leis/Tina Leistenschneider
 Sebastian Kirch kümmert sich um den Bunker in Sinz.

Sebastian Kirch kümmert sich um den Bunker in Sinz.

Foto: leis/Tina Leistenschneider
 Josef Recktenwald kümmert sich um die Bunkeranlage in Haustadt, die spiegelverkehrt gebaut ist.

Josef Recktenwald kümmert sich um die Bunkeranlage in Haustadt, die spiegelverkehrt gebaut ist.

Foto: leis/Tina Leistenschneider

Alle Serienteile finden sich im Netz: www.saarbruecker-zeitung.de/
museen-im-saarland

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