Weihnachten in alter Zeit Dorfweihnacht: Wie man früher feierte

In der bäuerlichen Welt des Dorfes Nohn auf dem Saargau, wo ich aufwuchs, feierte man das Weihnachtsfest in meiner Jugend zu Hause und in der Kirche auf einfache und schlichte, doch sehr innige Art und Weise.

 So sah es Anfang der 60er Jahre in vielen Wohnstuben aus, wenn die Kinder in der Region vom  Christkind beschenkt wurden.

So sah es Anfang der 60er Jahre in vielen Wohnstuben aus, wenn die Kinder in der Region vom  Christkind beschenkt wurden.

Foto: Josef Ollinger

Damals gab es noch keinen Weihnachtsrummel und auch kein Fernsehen, das den Leuten vorgaukelte, was sie alles haben müssen, um richtig Weihnachten feiern zu können. Wir Kinder bekamen glänzende Augen, wenn schon Wochen vor Weihnachten abends die Sonne nach einem klaren Tag blutrot unterging und der Himmel im Abendrot leuchtete. „Wei es et Kreschkend um Guudzin backen!“ („Nun ist das Christkind am Plätzchen backen“), sagte die Mutter bedeutungsvoll; da freute man sich schon auf Weihnachten.

Erste Weihnachtsstimmung kam auf, wenn wir in der Schule Wochen vor dem Fest die alten, wunderschönen Advents- und Weihnachtslieder einübten; dabei begleitete uns der Lehrer auf der Geige. Oft setzte er die Geige ab, ließ uns weitersingen und ging durch die Reihen, da er einen falschen Ton gehört hatte. Erwischte er den Sünder, blieb er vor ihm stehen, und es gab eins mit dem Geigenbogen über; sehr oft war ich dabei. Ich hatte während meiner Schulzeit nie gerne gesungen, da ich den Ton nicht halten konnte. Bevor es zu Weihnachten Zeugnisse gab, musste man für die Note in Musik alleine vorsingen. Kam ich an die Reihe, grinste und kicherte schon die ganze Klasse, denn sie wussten, was nun kam. Ich stand mit hochrotem Kopf vor der Bank und sang tapfer mein Liedchen, wobei man die Melodie nur raten konnte. Meist ließ der Lehrer mich nicht zu Ende singen; wahrscheinlich hatte er Mitleid mit mir.

 Erinnert sich an seine Kindheit: Josef Ollinger

Erinnert sich an seine Kindheit: Josef Ollinger

Foto: Ruppenthal

In meiner Jugend waren die Winter noch sehr kalt und schneereich; das richtige Wetter zu Schlittenfahrten und für Schneeballschlachten. In fast jedem Haus wurde mindestens ein Schwein im Jahr geschlachtet, denn die Leute waren damals überwiegend Selbstversorger. Sobald es kalt und richtig frostig wurde, ging im Dorf das große Schweinesterben los; schließlich wollte man zu Weihnachten einen saftigen Braten auf dem Tisch haben. Da kreischten und quiekten die Schweine aus allen Ecken, wenn man sie aus dem warmen Stall holte. Dieses Schweinegeschrei war für uns Kinder das Signal: Beim Schlachten mussten wir dabei sein. Ab und zu fiel etwas für uns ab; der Schweineschwanz oder, worauf wir ganz versessen waren, die Schweinsblase. Diese wurde mit einem Strohhalm aufgeblasen und hinter dem Ofen getrocknet. War sie trocken, kamen einige Erbsen hinein, sie wurde zugebunden und hatte man eine herrliche Rassel. Leider behielten die Männer meist die Blase für sich, um einen Tabaksbeutel daraus zu machen.

Der Heilige Abend wurde bei uns auf dem Dorfe früher nicht gefeiert, dies kam erst nach dem Kriege in Mode. An Heiligabend wurden wir Kinder früh ins Bett ge­steckt, nachdem uns die Mutter vorher in der Waschbütt geschrubbt hatte. Dazu wurde die Küche besonders gut geheizt, damit man nicht fror. Nachdem die Kinder im Bett lagen, werkelte die Mutter noch in der Küche, um die letzten Vorbereitungen für das große Weihnachtsfest zu treffen. Bevor die Mutter endlich zu Bett ging, wur­de der Holzfußboden in Küche und Wohnzimmer noch mit Magermilch eingerieben; war die Milch getrocknet, glänzte der Holzfußboden.

Am Weihnachtsmorgen wurde man schon sehr früh aus den Federn geholt, denn die erste Weihnachtsmesse begann bereits um acht Uhr. Kam man die Treppe herunter, so duftete das ganze Haus nach Tannen und Kerzen. Die Wohnzimmertür stand weit offen, und in der Ecke stand der Weihnachtsbaum, hell erleuchtet. Das Wohnzimmer be­nutzte man früher nur an hohen Festtagen; man musste da­mals an Brand sparen. Der Weihnachtsbaum war wunder­schön; die Kerzenflammen flackerten im Zugwind, die Ku­geln glänzten silbern. Für heutige Begriffe war der Weihnachtsbaum ärmlich: Einige silberne Kugeln, weiße Watte auf den Zweigen, Lametta und Kerzen; dies war der ganze Baumschmuck. Doch uns Kindern kam er herrlich und himmlisch vor! Der Christbaum war auch nicht so groß wie heute, der oft vom Boden bis zur Decke reicht; er stand damals meist auf einem kleinen Tischchen oder Nachttisch. Unter dem Baum lagen die Geschenke: Strümp­fe, Pullover, Schal, Fäustlinge; alles von Mutter und Oma selber gestrickt. Oft war auch ein kleines Spiel­zeug oder ein Spiel dabei, Mühle oder Mensch-ärgere- dich-nicht. Später gab es für mich schon einmal ein Buch; dies war für mich als Bücherfreund immer das schönste Geschenk. Frühstück gab es an Weihnachten keines, da alles zur Kommunion ging; damals musste man noch nüchtern sein.

Während und nach dem Kriege rief in unserem Dorf keine Glocke zur Messe, da diese für Kanonen eingeschmolzen wurde; deshalb ging man eine Viertelstunde vor Beginn der Messe zur Kirche. Alle Leute und Kinder waren dick vermummt, da es meist bitter kalt und die Kirche zu der Zeit nicht geheizt war. Der Innenraum der Kirche war zu Beginn der Messe dunkel; er wurde nur von den Kerzen am Altar und den Kerzen an den beiden hohen Weihnachtstannen beleuchtet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort