Naturerbe für künftige Generationen bewahren

Saarhölzbach · Einige Meinungsunterschiede wurden auf der Versammlung am Mittwochabend deutlich, nicht nur was die Historie des Natura 2000-Schutzgebietes in Saarhölzbach betrifft.

 Das Zunkelsbruch-Gebiet: eine naturnahe Bewirtschaftung soll weiterhin möglich sein. Fotos: Rolf Ruppenthal

Das Zunkelsbruch-Gebiet: eine naturnahe Bewirtschaftung soll weiterhin möglich sein. Fotos: Rolf Ruppenthal

Der saarländische Umweltminister Reinhold Jost ist am Mittwochabend in Saarhölzbach Befürchtungen entgegengetreten, dass durch die dort geplante Ausweisung eines Natura 2000-Schutzgebietes die Eigentümer von Weiden- oder Waldgrundstücken übermäßig in der Nutzung ihrer Ländereien beeinträchtigt und faktisch enteignet werden (wir berichteten). Diesen Vorwurf haben zahlreiche Betroffene aus dem Ort erhoben, die sich zwischenzeitlich in einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen haben (siehe separaten Text). Seit Anfang August liegt der Entwurf des Ministeriums zur Verordnung, mit der das Gebiet ausgewiesen werden soll, zur Einsicht im Mettlacher Rathaus offen. Rund zwei Dutzend Stellungnahmen aus den Reihen von Betroffenen sind seither beim Ministerium eingegangen.

Der Minister sagte zu, dass weiterhin die Möglichkeit bestünde, seine Einwendungen einzureichen. Die Frist hierfür sei vom Ministerium noch einmal bis 14. Oktober verlängert worden. Üblich und rechtlich vorgesehen seien in solchen Offenlegungsverfahren lediglich vier Wochen, unterstrich Jost. Er betonte, dass der Ausweisungsprozess erst am Anfang stehe: "Wir machen heute Abend den Sack nicht zu, sondern wir öffnen ihn, um Ihre Einwendungen und Hinweise mit aufzunehmen", sagte Jost. Es werde eine weitere Veranstaltung geben, auf der das Ministerium dann den überarbeiteten und fertigen Entwurfstext noch einmal vorstellen werde - "damit Sie sehen können, ob wir Ihre Einwände berücksichtigt haben", sagte Jost.

Der Minister unterstrich, die geplante Ausweisung des rund 153 Hektar großen Schutzgebietes gemäß den Natura 2000-Richtlinien der Europäischen Union (EU), diene nicht dazu, "Erhaltungsreservate" zu schaffen. Es gehe vielmehr darum, dass die betroffenen Flächen entsprechend den Erhaltungszielen naturnah bewirtschaftet werden können. "Wir wollen das Naturerbe, auf das Sie zu Recht stolz sind, für künftige Generationen bewahren", betonte Jost. Das Ministerium wolle dabei niemandem etwas wegnehmen, "sondern das, was wir als erhaltenswert erachten, so bewahren". Rund um Saarhölzbach befänden sich zahlreiche wertvolle Landschaftsformationen und natürliche Lebensräume, die sonst im Lande selten geworden seien.

Jost unterstrich nochmals, dass das Ministerium mit allen betroffenen Landeigentümern Nutzergespräche führen werde, "wenn dies gewünscht ist", um für jede einzelne Parzelle einen so genannten Managementplan zu erstellen. In diesem werde festgehalten, welche Nutzungen auf dieser Fläche zulässig sind und ob es bestimmte Ausnahmeregelungen von den Bewirtschaftungsvorschriften geben kann. Es bestehe auch die Möglichkeit, dass Kompensationszahlungen geleistet würden, wenn Eigentümer ihre Nutzungsmöglichkeiten zu stark beeinträchtigt sehen. Diese Ausgleichszahlungen liegen für Landwirte je nach Fall zwischen 148 und bis zu knapp 300 Euro pro Hektar, sagte Jost - eine Lösung, die selbst von der Landwirtschaftskammer und dem Bauernverband als "ordentlich" erachtet worden sei.

Der Minister erteilte zugleich Forderungen eine Absage, das Ministerium solle auf zu weitreichende Ge- und Verbote in der Verordnung verzichten oder die Fläche des Schutzgebietes zu verkleinern oder es gar komplett zurückziehen: "Diese für Natura 2000 gemeldeten Gebiete können nicht mehr bei der EU ‚abgemeldet' werden." Auch verlange die Europäische Union eine rechtssichere Verordnung, mit der die gemeldeten Areale als Naturschutzgebiet oder Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen würden. In diesen Verordnungen sei aber ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, Ausnahme-Tatbestände zuzulassen. Jost appellierte an alle Betroffenen in Saarhölzbach , den Dialog mit dem Ministerium zu suchen, um möglichst einvernehmliche Lösungen zu finden. Gleich zu Beginn der Bürgerversammlung in Saarhölzbach stellte Umweltminister Reinhold Jost klar, dass auch nach der Ausweisung des Naturschutzgebietes bei einigen besonders strittigen Themen keine Einschränkungen zu erwarten seien. So sei das traditionelle Kotelettenbraten am "Kalten Mittwoch" (Buß- und Bettag) bereits als zulässige Veranstaltung in die Ausweisungs-Verordnung aufgenommen worden - dadurch könne jetzt zu diesem Zwecke auch ausnahmsweise Feuer im Wald entfacht werden.

Auch der örtliche Jugendzeltplatz könne weiter uneingeschränkt genutzt werden, da er außerhalb des geplanten Schutzgebietes liege. "Bauliche Anlagen und Veränderungen auf dem Zeltplatz unterliegen nicht der Verordnung", stellte Jost klar. Parken entlang der Wege sei weiter zulässig, ebenso das Entzünden eines Lagerfeuers im Bereich des Zeltplatzes. Wanderungen durch den umliegenden Wald seien ebenfalls weiterhin möglich, und zwar auch nachts, und auch Holz dürfe dabei von den Teilnehmern gesammelt werden.

Auch das Gelände des Obst- und Gartenbauvereins genieße Bestandsschutz hinsichtlich der dortigen Gebäude, Zäune und Anlagen. Das Befahren der Straße zwischen Saarhölzbach und Britten werde durch die Verordnung nicht eingeschränkt, auch Gefahrgut-, Schwerlast- und Brennholztransporte seien zulässig, sofern es nicht verkehrsrechtliche Einschränkungen gebe. "Wir haben nicht den Schutz der Straße im Blick, sondern den der Natur", unterstrich Jost. Lediglich für eventuell notwendige Instandsetzungsmaßnahmen an der Straße gebe es zeitliche Beschränkungen durch die Schutzgebiets-Verordnung.

Gewisse Einschränkungen kann es nach den Worten des Ministers für die Feuerwehr geben: Die sollte nach Ausweisung des Schutzgebietes nach Möglichkeit nicht während der Brut- und Setzzeit Übungen absolvieren, bei denen das Löschwasser aus Weihern und Bächern entnommen und in die geschützten Steilhänge gespritzt wird. Nach Auskunft von Umweltminister Reinhold Jost seien die betreffenden Flächen in den Gemarkungen Saarhölzbachtal und Zunkelsbruch im Jahr 2006 zusammen mit 125 weiteren Gebieten im Saarland vom damaligen Umweltminister Stefan Mörsdorf an die Europäische Union gemeldet worden zur Aufnahme in den Katalog jener Areale, die das europaweite Netz der Natura 2000-Schutzgebiete bilden sollen. Schon vor einigen Jahren, um das Jahr 2000 herum, habe das Umweltministerium bei der Gemeinde angefragt, ob diese Bedenken habe, dass die Flächen rund um Saarhölzbach als Natura 2000-Gebiete gemeldet würden. Seinerzeit habe die Gemeinde keine Einwände dagegen geltend gemacht. Jost sagte, gegenüber den 2006 gemeldeten Flächen habe sich die Größe des Schutzgebietes, das jetzt ausgewiesen werden soll, um einen einzigen Hektar vergrößert. Bei der zusätzlichen Fläche handele es sich um ein Waldgebiet in Gemeindebesitz. Allerdings genüge es der EU nicht, dass Natura 2000-Schutzgebiete gemeldet würden. Sie verlange auch eine formelle Ausweisung mittels rechtssicherer Verordnungen innerhalb einer Frist von sechs Jahren. Da dies in Deutschland über lange Jahre versäumt worden sei, laufe seit 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepbulik. Sollten die gemeldeten Flächen nicht zeitnah formell als Schutzgebiete ausgewiesen werden, drohten hohe Strafzahlungen, hielt Jost fest.

Widerspruch erntete der Minister aber aus den Reihen der Bürgerinitiative. Deren Sprecher Achim Krewer machte darauf aufmerksam, dass in einer ersten Gebietsliste der EU aus dem Jahr 2004 das Gebiet Zunkelsbruch/Saarhölzbachtal mit einer Fläche von nur 39 Hektar aufgeführt sei. In einer späteren Aktualisierung dieser Liste war die Größe des Schutzgebietes jedoch auf 152 Hektar in die Höhe geschnellt.

Günter Weber, Landwirt aus Faha, kritisierte, dass die Bürger bei der Meldung der Schutzgebiete im Jahr 2006 nicht beteiligt worden seien. "Ich kann mir vorstellen, dass da rechtlich einiges im Argen liegt", sagte Weber. Der Minister entgegnete, dass es jedem, der an der Rechtmäßigkeit des Ausweisungsprozesses Zweifel habe, freistehe, dies juristisch prüfen zu lassen: "Dann kommt von irgendwoher ein Anwalt angerauscht und man kann den Rechtsweg beschreiten."

BI-Sprecher Krewer unterstrich gegenüber unserer Zeitung, dass die Verordnungen so, wie das Ministerium sie geplant habe, nicht umzusetzen seien. So sei es unrealistisch, für das Mähen einer Wiesenfläche einen konkreten Stichtag vorzugeben, vor dem diese nicht gemäht werden dürfe. Schon in diesem Jahr wäre dies angesichts des sehr verregneten Frühsommers nicht einzuhalten gewesen. Minister Jost hielt dagegen: "Die Natur hält sich nicht an Kalenderdaten in Verordnungen , aber wir müssen einen festen Termin in der Verordnung vorgeben, weil auch die Interessen der Natur zu berücksichtigen sind." In besonderen Situation sei das Ministerium jedoch stets bereit, Ausnahmen zu gestatten. So habe er in diesem Frühjahr explizit wegen der extremen Witterungsverhältnisse eine vorgezogene Mahd auf geschützten Flächen gestattet.

Aus den Reihen der BI wurde auch kritisiert, dass die geplante Ausweisungs-Verordnung mit ihren Ge- und Verboten viel zu sehr ins Detail gehe. In anderen EU-Mitgliedsstaaten würden auch Natura 2000-Gebiete ausgewiesen, ohne dass dort die Vorschriften so haarklein formuliert würden. Das werde von der EU im Übrigen auch gar nicht verlangt: Für Brüssel sei lediglich zentral, dass die Europäische Richtlinie zum Vogelschutz aus dem Jahr 1979 sowie die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie von 1992 beachtet werde. Durch die Bewirtschaftunsgeinschränkungen sehen die BI-Vertreter eine Gefahr: "Wenn das Gebiet nicht mehr so zu bewirtschaften ist, wie es war, dann wird es irgendwann brachliegen" - und das sei das Schlimmste, was es für die Natur gebe.

 Viele Bürger kamen zur Infoveranstaltung in Saarhölzbach.

Viele Bürger kamen zur Infoveranstaltung in Saarhölzbach.

 Wann darf die Wiese gemäht werden? Die geplante Verordnung des Ministeriums sieht dafür feste Stichtage vor.

Wann darf die Wiese gemäht werden? Die geplante Verordnung des Ministeriums sieht dafür feste Stichtage vor.

Es gab aber auch lobende Worte für den Minister : Wolfgang Pester, Leiter der von Boch'schen Forstverwaltung, sagte, Minister Reinhold Jost stehe auf der Nutzerseite. Das Ministerium habe sich angesichts der laut gewordenen Widerstände und Proteste aus Saarhölzbach sehr weit bewegt, um den Interessen der Eigner gerecht zu werden. Der aus Faha stammende CDU-Landtagsabgeordnete Stefan Thielen erklärte, das Ministerium versuche mit seiner Verordnung "genau das festzuhalten, was heute gegeben ist".

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