V&B Hände (er)fassen keramische Schätze und Co.

Mettlach · Beim Rundgang durch das V&B- Erlebniszentrum erlebten die Blinden und Sehbehinderten das Traditionsunternehmen und seine Historie.

 Eine besondere Museumsführung für Blinde und Sehbehinderte: Die Teilnehmerin ertastet die Büste von Nicolas Villeroy im Keramikmuseum von V&B in Mettlach.

Eine besondere Museumsführung für Blinde und Sehbehinderte: Die Teilnehmerin ertastet die Büste von Nicolas Villeroy im Keramikmuseum von V&B in Mettlach.

Foto: Ruppenthal

„Tasten, erfühlen und so die Geschichte von Villeroy und Boch erleben“, begrüßt Ester Schneider, Museums-Leiterin, die Besucher des Keramikmuseums in Mettlach. In der Regel bleiben die Jahrhunderte alten Exponate in großen Glasvitrinen verschlossen. Doch für die sechs sehbehinderten Gäste und deren Begleiter macht Schneider während einer speziellen Führung am Tag der Sehbehinderten gerne eine Ausnahme. Anfassen ist dieses Mal ausdrücklich erlaubt. Während Schneiders Kollegin Iris Lippach durch die Ausstellung führt, von den Anfängen des Unternehmens erzählt und erklärt, wie die Produkte damals und heute hergestellt werden, gehen Andrea Würth und Dr. Christa Grund mit den Ausstellungsstücken reihum. Ganz behutsam fassen die Besucher zum Beispiel ein 270 Jahre altes Milchkännchen an. Sie fühlen die Form und Struktur des Porzellans und können so mit ihren Händen sehen, was ihnen mit ihren Augen verborgen bleibt. „Ja, den erkennt man“, ruft ein Besucher, als er ein Gipsmodell eines Kruges, auf dem sich das Relief des Kölner Doms befindet, mit den Fingern abtastet. „Der hatte ja Locken“, sagt und berührt die Büste von Nicolas Villeroy, einer der Unternehmensgründer. „Naja, die Haare sind hinten ein bisschen wellig“, entgegnet ihre Freundin und fährt mit der Hand über den Kopf. „Aber guck mal, der trägt eine Fliege.“ Nicht ganz, erklärt Grund. Denn es handelt sich um ein kunstvoll geknotetes Halstuch, wie es Anfang des 19. Jahrhunderts in Mode war.

Obwohl die Besucher blind sind, können sie fühlen, welches Dekor ein Teller haben wird. Einfach, indem sie zum Beispiel mit den Fingern entlang des Motivs auf einer Kupfer-Druckplatte streichen. Ob eine Blume oder ein Gebäude – die Besucher erkennen sofort, um was es sich handelt. Sie merken sogar, wenn etwas fehlt. „War da ursprünglich mal ein Deckel drauf?“, fragt eine Besucherin. Sie hält einen schweren Krug in der Hand und fährt mit der Fingerspitze über den Rand. „Ja, in der Tat“, sagt Grund verblüfft. „Ah, hier kommt die Seife hin“, stellt einer der Besucher bei der Berührung eines Waschtisches fest.

Man merkt den Besuchern ihre Einschränkung nicht an, so viel Neugierde und Begeisterung zeigen sie bei ihrer Weise der Betrachtung. Schnell stellen sie auch Vergleiche zu anderen Gegenständen her. So fühlt sich die mit Porzellan-Spitzen besetzte Käsereibe „wie die Stachel eines Igels“ an. Was ebenfalls auffällt: Statt „Das fühlt sich schön an“, betonen die Sehbehinderten immer wieder „Das sieht gut aus!“, oder „Schau mal hier, das ist toll!“. Das sagen sie ganz bewusst, wie Christa Maria Rupp, Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Saarland und Landesbehindertenbeauftragte, erklärt. Sie ist selbst von Geburt an blind. Aber, „das ist unsere Sprache. Wir leben in der Welt der Sehenden. Wir sprechen genau dieselbe Sprache. Wir gucken auch Fernsehen, lesen Bücher, sagen ‚Auf Wiedersehen‘ statt ‚Auf Wiederhören‘“.

Über zwei Stunden dauert die Führung durch das Museum. Lippach, Grund und Würth lotsen die Besucher durch die Räume, geben die Richtung an und weisen auf mögliche Gefahrenstellen, wie ein Podest an einer Badewanne oder einen Stützpfeiler, hin. Sie lassen den Besuchern genug Zeit, alles ausreichend zu ertasten und somit zu betrachten. Anfangs noch etwas vorsichtiger, merken die Gäste schnell, welche Gegenstände auch ein festeres Zupacken vertragen. „Kann ich wieder loslassen?“ - Sie fragen aber auch immer nach, ob sie die Exponate wieder sicher den Mitarbeiterinnen übergeben haben. Denn einige der Ausstellungsstücke sind unbezahlbar. „Das ist auch für uns etwas ganz Besonderes“, sagt Janna Knörck von V&B und nutzt die Gelegenheit, selbst einmal eine über 200 Jahre alte Porzellan-Schale zu berühren.

 Ein Teller wandert von Hand zum Hand.

Ein Teller wandert von Hand zum Hand.

Foto: Ruppenthal

Am Ende der Führung erhalten alle Teilnehmer noch einmal eine Zusammenfassung in Braille-Schrift, welche von der Blindenschule in Lebach angefertigt wurde. Die Kultur so zu erleben, „war ganz toll“, sagt Rupp. Auch wenn, „wie bei vielen Führungen, der Input recht umfangreich war, ist es schön, dass wir so die Möglichkeit haben, zuhause nochmal alles nachlesen zu können“.

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