Premiere in Dreisbach Wo Jakobiner auf Mireille Mathieu treffen

Dreisbach · Die Glashaus-Theater-AG entführte in Dreisbach mit dem Stück „Der letzte Schrei von Paris“ in die Zeit der Französischen Revolution.

 Der Duc de Sierck bittet beim Publikum um Unterstützung und um Gnade.

Der Duc de Sierck bittet beim Publikum um Unterstützung und um Gnade.

Foto: leis/Tina Leistenschneider

Stich für Stich setzt die Wirtin in den Stoff der französischen Flagge, die auf ihrem Schoß liegt, Faden für Faden führt sie ein, um die Fahne zu flicken. „Weißt du, dass die Reihenfolge der Farben eine Bedeutung hat?“, fragt Jacques, der Verlobte ihrer Tochter Marianne, die sich der Wirtin nähert. „Blau steht für die Freiheit, Weiß für die Gleichheit und Rot für die Brüderlichkeit“, rezitiert Jacques das Motto der Revolutionäre, er ist erst seit ein paar Tagen wieder aus Paris zurück, wo er die Wirren der Schreckensherrschaft unter Maximilien de Robespierre hautnah erlebte und von ihm Reisepapiere erhielt.

„Und was ist mit Schwesterlichkeit?“, fragt Marianne ihren Verlobten, „und was ist mit Gleichheit der Frauen, oder gilt die Gleichheit nur für Männer? Wann dürfen Frauen wählen?, ergänzt sie. „Erst 1944“, antwortet ihre Mutter, die zum Zeichen der Schwesterlichkeit die Flagge um die Farbe Lila ergänzen will. Ein Unding findet Jacques, „da könnt ihr gleich eine Regenbogenflagge draus machen“, meint er abfällig. „Das wär’ die Idee“, ruft Marianne begeistert.

Historisch und politisch ist das Stück „Der letzte Schrei von Paris“, das Anfang des Monats im Glashaus Saarschleife in Dreisbach Premiere feierte. Doch es steigt akuell ein. Die Theater-AG entführt die Zuschauer in die Zeit der Französischen Revolution, genauer: 28. Juli 1794. Der König ist tot, die Ständegesellschaft abgeschafft und in der Schreckensherrschaft unter Robespierre wird jeder zum Opfer, der sich gegen die Revolution stellt. Kein Wunder, dass der Adlige Duc de Sierck flüchten will und nahe der deutschen Grenze in einer Gaststätte, dem heutigen Glashaus, haltmacht.

In der Gaststätte, gleichzeitig Zentrale der örtlichen Revolutionszelle, wird der Duc mit dem scheinbar ungebildeten Bürgertum konfrontiert. Er moniert sich über den Dreisbacher Dialekt („Wir sind hier doch nicht an der Mosel“), auch zu Essen gibt es für den hohen Herrn nur Rummeln und statt Wein Viez. Es entbrennt zwischen dem Adligen und den Bürgern ein Streit über Recht und Ordnung. Als das neue Edikt – eins von vielen, das aus Paris zugefaxt wird – ankommt und dem Duc offenbart, dass er all seine Titel verliert und fortan alle mit „Bürger“ anzusprechen sind, spült er das Edikt kurzerhand runter. Für ihn ist klar: Er muss verschwinden.

Doch wie? Die Idee liefern ihm die Vertreterinnen von Valleroy und Bloch, die um die Gunst des Duc – ihres Kunden – buhlen. Und schnell noch ein Selfie mit ihm machen. Mit der Badewanne will er die Saar überqueren, doch er wird erwischt und soll als Volksfeind guillotiniert werden. „Jeder Volksfeind weniger ist ein Gewinn für die Republik“, findet Jacques und ruft ein Volkstribunal ein, um dem verhassten Adligen den Prozess zu machen, der für ihn nur unter der Guillotine enden kann: Ein Geschenk, direkt aus Paris, „aus nachwachsenden Rohstoffen aus der Region, CO2-reduziert produziert und Teil von Ebbes von Hei“, stellt Marianne das als human geltende Fallbeil vor.

Als Jacques den Duc wegen Hochverrats verurteilen will, erhebt die Wirtin Einspruch und setzt sich dafür ein, dass er verschont wird. „Wollt ihr, dass man auch mit euch so umgeht?“ Jacques lenkt ein und fragt das Publikum: „Soll Paris entscheiden, was mit ihm passiert?“ Mehrfach heben sich die Hände im Publikum, es ist nicht das erste Mal, dass es zum Mitmachen animiert wird – zuvor wurde die Deutsche Nationalhymne auf die Melodie der Marseillaise gesungen und die Französische Hymne auf die Melodie der Deutschen.

Den Willen des Volks ausführend, ruft man von Dreisbach nach Paris an, leider teilt eine Telefonhotline den dörflichen Revolutionären mit: „Der Club der Jakobiner ist geschlossen.“ Na gut, sei‘s drum, man wird weitergeleitet und erreicht schließlich Mireille Mathieu. Merkwürdig? Durchaus, aber diese Sprünge in die Gegenwart verleihen dem Stück Humor und lockern auf. So informiert die Sängerin die Dorfbewohner darüber, das Robespierre soeben guillotiniert wurde: „Habt ihr denn kein Fernsehen?“, fragt sie.

Doch – oh Wunder – Robespierre spricht ein letztes Mal und verschont den Duc, den er für seinen Freund Marat hält. Jacques fällt in Ohnmacht, der Duc kommt mit dem Kopf davon und Mutter und Tochter feiern das Ende der Schreckensherrschaft.  Das Publikum belohnt das Stück mit Standing Ovations.

Vier weitere Aufführungen sind für Ende des Jahres bereits geplant, zwei davon in der Villa Fuchs und zwei im Glashaus. Die Termine werden noch bekannt gegeben.

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