Zusammenleben der Kulturen verlief nicht immer friedlich

Merzig · Kein Thema bewegt in diesen Tagen die Gemüter im Land so sehr wie die durch die Flüchtlingskrise bedingte Masseneinwanderung nach Deutschland. In diesem Beitrag soll die Zuwanderung in die Merziger Region während der vergangenen 200 Jahre auch als eine Geschichte der auf vielfache Weise stattgefundenen Begegnung mit dem Fremden dargestellt werden.

Der Angeklagte schilderte in temperamentvoller Weise die Vorgänge im Tunnel . Er bestreitet eine drohende Haltung dem Schachtmeister gegenüber eingenommen zu haben. Rieger sei erst seit fünf Tagen im Dienst gewesen und hätte die Leute unmöglich schikaniert. Das habe ihn geärgert und deshalb hätte er seine Mitarbeiter in Schutz genommen." Karl Pozzi, dessen Vorname wohl nicht Karl, sondern eher Carlo lautete, wurde schließlich von einem Schwurgericht in Trier zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt.
Immer wieder Schlägereien

Die Bevölkerung wurde durch Vorfälle der beschriebenen Art mehr und mehr verunsichert, wie einer Notiz der Merziger Zeitung vom 5. Januar 1912 zu entnehmen ist: "Zu einer Messerstecherei kam es hier wieder am Samstagnachmittag und zwar vergriff sich ein bei den Bahnbauten beschäftigter Italiener an seinem Schachtmeister, der ihm die Entlassung aus der Arbeit angekündigt hatte. Der Italiener griff zum Messer und verletzte den Schachtmeister ziemlich schwer. Die Gendarmerie wurde zu Hilfe gerufen. Unter den auswärtigen Bahnarbeitern ereignen sich wiederholt solche blutigen Ausschreitungen, die die hiesige Bevölkerung in Schrecken versetzen."

Was die beschriebenen Schlägereien und Auseinandersetzungen angeht, bei denen auch das Messer eine Rolle spielte, muss ich darauf hinweisen, dass dies zur damaligen Zeit keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal der hier tätigen ausländischen Arbeiter aus Italien, Kroatien oder Montenegro war. Vielmehr stößt man bei der Durchsicht der Zeitungen aus der damaligen Zeit immer wieder auf Auseinandersetzungen und Streitigkeiten, die sich innerhalb der einheimischen Bevölkerung in den verschiedensten Dörfern zutrugen, und dabei auf Vorfälle, bei denen das Messer ebenfalls oft eine Rolle spielte.

Als Beispiel kann hier nicht zuletzt auch der Heimatort des Verfassers dienen. In Düppenweiler war es aufgrund einer mehrjährigen Vakanz der Pfarrstelle des Ortes gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer regelrechten Verrohung der Sitten gekommen. Gerade hier kamen bei tätlichen Auseinandersetzungen häufig Messer zum Einsatz. Selbst heute kann man immer noch von Zeit zu Zeit den Ausdruck von den "Düppenweilerer Messerstechern" hören, obwohl diese beschriebene Phase schon über 100 Jahre zurückliegt.

Im Mai 1912 beschloss schließlich einer der beim Bahnbau beauftragten Unternehmer namens Weigold, keine Kroaten mehr zu beschäftigen, da es durch diese immer wieder zu schweren Auseinandersetzungen kam. Im April hatte ein montenegrinischer Arbeiter sogar den 30-jährigen Nikolaus Clemens Peter, den Sohn des Silwinger Ortsvorstehers, durch Messerstiche tödlich verletzt.

Die Merziger Zeitung vom 13. April 1912 schrieb in diesem Zusammenhang: "Um solchen Vorkommnissen vorzubeugen, muss noch ein Mittel gefunden werden. Das Beste wäre wohl ein gänzliches Verbot des Tragens von Schusswaffen und sogenannten Stiletts; dann hinwiederum wäre ein früherer Wirtschaftsschluss angebracht, trotzdem dieser Fall hier außerhalb der Wirtschaft passierte. Letzteres Verbot müsste sich dann natürlich auch auf die Privatverkaufsstellen geistiger Getränke erstrecken."
Harmonisches Barbarafest

Dass es durchaus auch friedlicher zugehen konnte, belegt der nachfolgende Artikel der Merziger Zeitung vom 6. Dezember 1912. Da heißt es: "Sämtliche Mineure am Waldwieser Tunnel , 360 an der Zahl und sämtlich Italiener, feierten gestern das Barbarafest. Übrigens fand in Biringen katholischer Festgottesdienst statt, dann erfolgten Umzüge, die in den Kantinen bei Speisen und Getränken endeten. Auch die Beamten, Meister und dergleichen waren gezwungen zu feiern, denn es wurde nicht gearbeitet. Die Hl. Barbara gilt als Schutzpatronin der Artillerie, der Bergleute sowie als Patronin des Feuers und genießt als Schützerin in Gewitternot große Verehrung." Tote und Verletzte gab es nicht nur bei Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Fremdarbeitern beziehungsweise bei Streitigkeiten der ausländischen Arbeiter untereinander. Vielmehr fiel mit der 30-jährigen Maria Kaas aus Silwingen auch eine Frau, einem Gewaltverbrechen, das damals großes Aufsehen erregte, zum Opfer. Die Merziger Volkszeitung berichtete in diesem Zusammenhang am 6. August 1913: "Zum zweiten Male ist der Bahnbau indirekt zum Unglück für eine hiesige achtbare Familie geworden. Die dreißigjährige Tochter Maria des Landwirts Kaas, welche am Abend des Donnerstags voriger Woche auf dem Heimweg zwischen Hilbringen und Mondorf von einem Wüstling überfallen und in nicht zu beschreibender Weise misshandelt worden ist, ist gestern früh gegen 4 Uhr im Kreiskrankenhaus in Merzig ihren schrecklichen Verletzungen erlegen, nachdem sie vorher noch eine schwere Operation durchgemacht hatte." < wird fortgesetzt

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort