Opernprobe Wirkungsvolle Fußtritte wollen geübt sein

Merzig · Gut eine Woche noch, dann hebt sich der Vorhang für Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“ im Merziger Zeltpalast. Die Texte sind einstudiert, jetzt geht es an die Detailproben, damit bei der Premiere am Freitag, 17. August, jede Geste und jede Bewegung sitzt.

 Die Proben im Merziger Zeltpalast  für Mozarts „Entführung aus dem Serail“ laufen, mit voller Konzentration am Werk sind (von links) Andreas Gergen,  Boris Jacoby, Per Bach Nissen und Stanislas Vysotski.

Die Proben im Merziger Zeltpalast  für Mozarts „Entführung aus dem Serail“ laufen, mit voller Konzentration am Werk sind (von links) Andreas Gergen,  Boris Jacoby, Per Bach Nissen und Stanislas Vysotski.

Foto: Ruppenthal

Wie oft Regieassistent Stanislas einen Tritt in den Allerwertesten kriegt, vermag er bis zur Mittagspause nicht mehr zu zählen. Nach dem Libretto für die Oper „Die Entführung aus dem Serail“  gilt die unsanfte Behandlung Belmonte, dem Mann, der auf der Suche nach seiner entführten Geliebten ist. Dessen Darsteller Gyula Rab hat sich an diesem Mittwochmorgen ausgeklinkt: „Andere Verpflichtungen“, wie Regisseur Andreas Gergen verrät. Da er unbedingt mit Per Bach Nissen, der den Diener Osmins spielt, dessen Part einstudieren will, muss Stanislas herhalten – am Tag fünf der Proben für die Aufführung. Premiere feiert das bekannte Singspiel von Mozart am Freitag, 17. August, im Merziger Zeltpalast.

Das dezent karierte Hemd über den schwarzen Bermudas, schwarze Turnschuhe, in der Hand einen schwarzen Plastikeimer mit einem Holzklotz: Gemächlich stiefelt Gemütsmensch Per Bach Nissen die Treppen der Zuschauerbühne hinab: „Wer ein Liebchen hat gefunden, die es treu und redlich meint“: Sein sonorer Bass übertönt das Rauschen des Regens, der auf die Zeltstadt niederprasselt. Der Däne, der in vielen Opernhäusern gastiert hat, betritt die Bühne, lässt sich auf einem Stuhl nieder, beendet die dritte Strophe mit einem stimmgewaltigen „Trallalera, trallalera“.

Scheinbar ahnt  der treue Diener nicht, dass er beobachtet wird – in dem Fall von Belmontes Ersatzdarsteller Stanislas. Erst als der seinen Kopf ein bisschen zu weit über die schwarzen Fässer herausstreckt, kommt es zum Aufeinandertreffen. Ob Fußtritt oder wütender Blick auf den ungebetenen Gast: Die Szene wird wieder und wieder einstudiert. „Stefan, ich hätte gerne ein kleines Dirigat von Dir“, bittet Gergen den musikalischen Leiter der Oper. „Wir setzen beim dritten „Trallalera, trallalera“ wieder an“, sagt er, springt auf die Bühne, um mit den beiden besser an den Gesten feilen können.

Stefan Bone hebt den Taktstock, Pianistin Olga Wien greift in die Tasten des Klaviers.  „Trallalera, trallalera“: Stanislas, der hinter den beiden Fässern kauert, wird entdeckt, der Fußtritt streckt ihn nieder. Es gelingt ihm gerade noch, sich aufzusetzen. Schon neigt sich Osmin  drohend über ihn und wirft ihm einen bitterbösen Blick zu – ohne seine Arie zu unterbrechen. Doch das kann den Lückenbüßer nicht schocken: Wie Belmonte verfolgt Stanislas den Domestiken vor das riesige Gitter, das das Anwesen des Herrn Bassa Selim darstellt. Osmin packt ihn unsanft am Schlafittchen und bringt ihm bei, wer hier das Sagen hat: Selim.

Voller Interesse verfolgt der Hausherr alias Boris Jacoby die Szene, ohne auch nur einen Ton zu sagen. „In allerletzter Minute haben wir ihn engagieren können“, sagt Regisseur Gergen – „ein Glücksfall“, wie er das Engagement des Schauspielers bezeichnet. Die Aufgabe des 50-Jährigen, der seine Stimme auch Features und Hörspielen verliehen hat: Rückwirkend die Geschichte der Entführung aus seiner Sicht berichten, ganz so, wie es die Erzähler aus 1001 Nacht tun. Katharina Borsch, die in die Rolle von Blonde schlüpft, und Edward Lee alias Pedrillo haben erst einmal Pause – Zeit, um mal einen Blick auf ihre Handys zu  werfen oder ein paar Worte zu wechseln.

Die zehn Minuten Ruhe, die Gergen seinem Ensemble um die Mittagszeit gönnt, tun ihm ebenso gut wie die Abkühlung, die der Regen  mit sich bringt. „Das ist erfrischend“, kommentiert Gergen die kurze Unterbrechung, die der Sommer einlegt. „Wir proben von 10 bis 17 Uhr. Morgens geht es noch bei der Hitze, aber nachmittags wird es im Zelt doch sehr heiß“, gesteht der Mann, der seit Jahren die Fäden im Zeltpalast zieht. Ob die Gag-Parade von „Spamalot“ im vergangenen Jahr, die einschlug wie eine Bombe, die Geschichte der Grusel-Mischpoke „The Addams-Family“ und, und, und: Die Ideen gehen dem gebürtigen Saarlouiser nie aus. „Ein Musical ist durchgetaktet. Da gibt es nur selten die Möglichkeit, eigene Interpretationen einzubringen.“ Bei einer Oper sei das anders. „Da gibt es eine Palette an Möglichkeiten – auch für die Schauspieler. Ich bin offen für die Ideen der Darsteller, die ihre Persönlichkeit in das Stück einbringen können.“

Dass der 44-Jährige trotz vieler Engagements an Opernhäusern in ganz Europa immer wieder gerne in die Kreisstadt zurückkehrt, liegt laut Gergen an der Freundschaft mit Joachim Arnold, Chef  von Musik und Theater Saar – und vor allem an seinen Eltern. „Sie wohnen in Saarlouis. Ich bin glücklich, abends Zeit mit ihnen verbringen zu können. Schließlich ist das Saarland meine Heimat. Ein Stückchen Patriotismus schwingt da auch mit“, lacht er. „Ich trage gerne den saarländischen Gedanken in die Welt“, sagt der Weltenbummler in Sachen Regie.

 Warten auf ihren Einsatz: (von links) Pianistin Olga Wien, Dirigent Stefan Bone und die Darsteller Edward Lee (Pedrillo) und Katharina Borsch (Blonde).

Warten auf ihren Einsatz: (von links) Pianistin Olga Wien, Dirigent Stefan Bone und die Darsteller Edward Lee (Pedrillo) und Katharina Borsch (Blonde).

Foto: Ruppenthal
 Taktvoll gibt Dirigent Stefan Bone den Ton an.

Taktvoll gibt Dirigent Stefan Bone den Ton an.

Foto: Ruppenthal

Und noch einer hat ein Heimspiel: Stefan Bone, musikalischer Leiter der Oper. „Ich bin gerne für dieses Gastspiel in meine Heimat zurückgekehrt. Es ist ein schönes Gefühl, wieder im Saarland zu sein“, sagt der gebürtige Merziger, der ausgezogen ist, die Musikwelt zu erobern. Zurzeit hat es ihn in den hohen Norden verschlagen – nach Kiel. Er arbeitet am Opernhaus der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein. Als Dirigent ist es der erste Auftritt in der Heimat – nicht so als Musiker. 2013 hat er seiner ehemaligen Schule  zum 125. Jubiläum nach Noten gratuliert und im Gymnasium am Stefansberg einen Klavierabend gegeben. „Ich hoffe, dass ich in Zukunft öfter hier bin“, gesteht er. Was ihn bei der Inszenierung in den Saarwiesen fasziniert: Er wird bei den Aufführungen in Bassa Selims Anwesen Platz nehmen – auf roten Samtstühlen, umrankt von blühenden Mandelbäumen. „So dicht war ich dem Publikum noch nie“, verrät Bone, einer der jüngsten Dirigenten Deuschlands.

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