Wie die Merziger als Flüchtlinge nach Osten zogen

Merzig · Kein Thema bewegt seit längerer Zeit die Gemüter im Land so sehr wie die durch die Flüchtlingskrise bedingte Masseneinwanderung nach Deutschland. In unserer Serie wird die Zuwanderung in die Merziger Region während der vergangenen 200 Jahre dargestellt. Diesmal geht es um die Besatzungszeit.

Am 8. Mai 1945 war mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht der Zweite Weltkrieg offiziell zu Ende gegangen. Doch hatte dies für viele deutsche Soldaten noch lange nicht das gleichzeitige Ende ihrer persönlichen Leidens- und Schreckenszeit zur Folge. Zirka sechs bis sieben Millionen deutsche Soldaten waren in Kriegsgefangenschaft geraten und in die Sowjetunion, nach England oder in die USA verbracht worden.

Aber auch in Frankreich, in Kanada, in Jugoslawien und in anderen am Krieg beteiligten Ländern waren deutsche Kriegsgefangene zu finden, die dort in riesigen Lagern untergebracht waren. Unter häufig menschenunwürdigen Bedingungen und vollkommen unzureichenden hygienischen und sanitären Verhältnissen mussten sie hier Zwangsarbeit verrichten. Eine Vielzahl von ihnen fiel deshalb unter diesen Bedingungen Krankheiten wie Typhus oder Durchfallerkrankungen zum Opfer und überlebte die Gefangenschaft nicht.

In den Jahren 1946 bis 1949 kehrte der weitaus größte Teil der deutschen Kriegsgefangenen in die Heimat zurück. Nicht freigelassen wurden allerdings diejenigen, die von Militärtribunalen als Kriegsverbrecher verurteilt worden waren. Dabei zeichnete sich vor allem die sowjetische Militärjustiz durch überharte und vor allem in den meisten Fällen auch ungerechte Urteile aus. So wurden Männer zu Kriegsverbrechern gestempelt, die sich überhaupt keines Verbrechens schuldig gemacht hatten. Allein die Tatsache, einer bestimmten Einheit angehört zu haben, konnte schon genügen, um zu 10, 15 und in manchen Fällen sogar 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt zu werden.

Zwar wurden in den Jahren nach 1949 von Zeit zu Zeit immer wieder Gefangene freigelassen und durften nach Deutschland zurückkehren. Die Letzten mussten jedoch bis nach Adenauers Moskaureise im September 1955 warten, bis auch sie im Herbst und Winter 1955 die Heimreise antreten konnten.

Für Millionen Deutsche in den Ostgebieten folgten auf den Krieg Flucht und Vertreibung. Im Westen wurden die Heimatvertriebenen allerdings keineswegs begeistert empfangen. Ein Ziehwägelchen, ein Koffer mit Kleidung, ein Federbett, manchmal auch nur das nackte Leben - für zwölf bis 14 Millionen Deutsche war das nach dem Ende des Krieges alles, was ihnen aus ihrer alten Heimat geblieben war. Viele waren schon in den letzten Kriegsmonaten aus Schlesien, Ostpreußen, Pommern oder dem Sudetenland vor der Roten Armee geflohen. Im Potsdamer Abkommen vom Sommer 1945 einigten sich die Alliierten dann auf die Zwangsaussiedlung von Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn.

Nach Flucht oder Vertreibung mussten die entwurzelten Menschen im neuen Leben mit widrigen Bedingungen fertig werden. Für die eigenen Landsleute waren die Flüchtlinge oft unwillkommene Eindringlinge mit fremdem Dialekt, Konkurrenten um das Wenige im zerbombten Land, "Polacken" oder "Rucksackdeutsche".

Fluchterfahrungen dieser Art hatten auch viele Menschen aus unserer Region gleich zweimal, bei den Evakuierungen zu Beginn des Krieges und dann wieder in den letzten Kriegsmonaten, machen müssen. Bei Kriegsbeginn zählten die Teile des Merziger Kreisgebietes, die westlich der Saar oder direkt auf der östlichen Seite im Bereich des Westwalls lagen, zur "Roten Zone", die evakuiert werden mussten.

In den letzten Kriegsmonaten sahen sich beim Herannahen der alliierten Kampfverbände dann wiederum viele gezwungen, unter direktem feindlichem Beschuss ihre Heimat Hals über Kopf zu verlassen und Zuflucht in weiter östlich gelegenen Teilen Deutschlands zu suchen.

Der Empfang und die Aufnahme der Flüchtlinge aus unserer Region in den Aufnahmegebieten waren keineswegs immer herzlich. Viele der Geflüchteten machten die Erfahrung, dass die damals propagierte "Volksgemeinschaft" zum Teil nichts als eine hohle Floskel darstellte und man keineswegs der willkommene Volksgenosse war. Manche mussten sich Beschimpfungen wie "Saarfranzosen" anhören und fühlten sich als Fremde im eigenen Land. < Wird fortgesetzt.

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