Tanz um den Süßigkeitenbaum

Mit dem wiederkehrenden Sommer in Moyobamba beginnen hier auch die Monate der Straßen- und Volksfeste. Ende Juni feiert man in Moyobamba die "Semana Turística", zehn Tage buntes Treiben auf den Straßen mit typischen Tänzen, Traditionen und kulinarischen Köstlichkeiten, unseren Dorffesten im Saarland gar nicht so unähnlich

Mit dem wiederkehrenden Sommer in Moyobamba beginnen hier auch die Monate der Straßen- und Volksfeste. Ende Juni feiert man in Moyobamba die "Semana Turística", zehn Tage buntes Treiben auf den Straßen mit typischen Tänzen, Traditionen und kulinarischen Köstlichkeiten, unseren Dorffesten im Saarland gar nicht so unähnlich. Eröffnet wird die Semana Turística mit der "Feria", einer Art Messe oder Kirmes auf dem Messegelände von Moyobamba. Dort gibt es verschiedene Stände, die die Organisationen und Firmen vor Ort repräsentieren. Dazu Karussells und Hüpfburgen für die Kinder und viele kleine Imbissbuden mit den typischen Gerichten aus der Region. Da findet man zum Beispiel Tacacho con Cecina, Anticucho-Spiesse vom Grill und natürlich Cuy, Meerschweinchen vom Grill oder frittiert. An den folgenden Tagen der Festlichkeiten werden dann die Kandidatinnen zur Señorita Moyobamba, der Miss Moyobamba, ausgewählt. Auch das erfolgt nach einer alten Tradition. Die Mädchen, die sich als Kandidatin für ihr Viertel zur Wahl aufstellen wollen, finden sich zum Wetttanzen am Hauptplatz ihres Viertels ein. Dort wird eine "Húmisha" aufgestellt, das Symbol aller traditionellen Feste in den Regionen San Martín und Amazonía. Sie besteht aus einem Palmenstamm, der in den Boden eingegraben wird und an dessen oberen Ende ein Geflecht aus Ästen und Palmblättern angebracht wird. In diesem Geflecht, das meist tropfenförmig ausfällt, sind kleine Geschenke befestigt. Die Tradition schreibt nun vor, dass die Tänzer paarweise, in diesem Fall die Kandidatinnen zur Schönheitskönigin in Begleitung ihres Vaters, Bruders oder Freundes, um die Húmisha herumtanzen. Begleitet werden sie von einer Schar Kinder, ebenfalls paarweise, aus der Grundschule des jeweiligen Viertels. Der Tanz heißt "Pandilla" und wird auf eine typische Musik aus der Selva, der Regenwaldregion, getanzt. In einer langen Reihe tanzt man im Kreis um die Húmisha herum, wobei die Frauen lange Röcke anhaben und ein weißes Tuch schwenken und die Männer Leinenhemden und knielange schwarze Pumphosen. Die Hosen werden auf Höhe der Nieren von einer "Pretina" gehalten, ein traditioneller gewebter Stoffgürtel. Während die anderen tanzen, tritt ein Paar nach dem anderen vor, und der Mann gibt mit einer Axt einen Schlag auf den Stamm der Húmisha ab. Es wird solange weitergetanzt und abwechselnd auf den Palmenstamm eingeschlagen, bis die Húmisha schließlich umfällt. Nun stürzen sich die Kinder auf den "Kopf" der Húmisha und plündern die Geschenke. Während des ganzen Ereignisses hat das Publikum genügend Zeit sich die tanzenden Kandidatinnen genau anzuschauen und anschließend zu wählen, welche das Viertel bei der Wahl zur Miss Moyobamba vertreten soll. Die Endauswahl wird dann zu Ende der Semana Turística in einem Wettbewerb entschieden, der vom Ablauf den Schönheitswettbewerben in den USA ähnelt: Modenschau auf dem Laufsteg in Streetwear, Bademode und Abendkleid und Fragen zu aktuellen sozialpolitischen Themen aus der Region. Selva JuanesZwei besondere Tage während der Semana Turística sind die Feiertage San Juan und San Pedro. San Juan wird am 24. Juni gefeiert und ist Namensgeber für das wohl bekannteste Gericht aus der Selva: die Juanes. In Palmblätter eingewickelte Portionen eines Gemisches aus gekochtem Reis und Ei mit einem Stück Hühnerfleisch in der Mitte und speziellen Gewürzen werden in großen Kesseln über dem Feuer ein bis zwei Stunden gekocht. Der Reis nimmt durch die Gewürze und die Palmblätter eine tiefgrüne Farbe an. Früher haben die Leute der Selva Juanes als Proviant mitgenommen, wenn sie mehrere Tage im Regenwald unterwegs waren. Die faustgroßen Päckchen sind gut zu transportieren, und man kann sie ungekühlt mehrere Tage aufbewahren, was bei den tropischen Temperaturen sehr praktisch ist. San Juan beginnt mit einer großen Versammlung auf dem Plaza de Armas in Moyobamba um fünf Uhr morgens. Von dort geht es los zu den Baños Termales, den Thermalquellen außerhalb der Stadt. Die ganzen sechs Kilometer legen die Leute, begleitet von Musikkapellen, tanzend zurück, um dann nach drei Stunden in den Baños anzukommen und sich im heißen Wasser auszuruhen. Um die Mittagszeit herum trifft man sich dann traditionellerweise mit Familie und Freunden irgendwo auf dem Land oder im Wald zum Picknick mit Juanes. An San Pedro, dem 29. Juni, geht es ähnlich sportlich zu: Überall auf den Straßen werden Húmishas aufgestellt, so dass die Motocars nur noch im Slalom vorankommen. Meistens gibt es eine Húmisha pro Häuserblock, bei der sich die Nachbarn dann zusammenfinden und gemeinsam, die Pandilla tanzend, das Symbol des Volksfestes zu Fall bringen. Der krönende Abschluss der Festlichkeiten ist der Umzug am letzten Tag. Daran beteiligen sich alle Organisationen und Schulen Moyobambas. Der Festumzug besteht aus geschmückten Wagen und verkleideten Fußgruppen, die in einer langen Schlange durch die Stadt ziehen. Teilweise werden auch Süßigkeiten in die Menge geworfen. Passend zu dem diesjährigen Motto des Umzugs, Natur und Ureinwohner Perus, fielen die Kostüme sehr bunt und fantasievoll aus. Mit der Semana Turística fangen die Festlichkeiten in Moyobamba jedoch gerade erst an. Ende Juli wird die Gründung Moyobambas gefeiert, was ein weiteres großes und mehrere Tage andauerndes Spektakel verspricht. Für mich ist das ein schöner Abschied von dieser Stadt, denn meine Zeit in Peru ist nun fast vorbei. Ich habe ein tolles Jahr hier in Peru verbracht und werde mit vielen schönen Erinnerungen nach Deutschland zurückkehren. Vielleicht haben die Berichte über meinen Aufenthalt hier ja bei dem ein oder anderen das Interesse an Peru geweckt und ein wenig neugierig gemacht. Ich kann dieses schöne und vielseitige Land als Reiseziel nur wärmstens empfehlen, jeder Tag ist ein Abenteuer!

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