Wellingen Sie schaffen aus Obst hochprozentigen Genuss

Wellingen · In vierter Generation betreibt die Familie Streit auf dem Oberwiesenhof in Wellingen eine Schnaps-Brennerei – mit Sachverstand und ganz viel Leidenschaft.

 Thomas (links) und Carsten Streit vom Oberwiesenhof in Wellingen präsentieren ihre Obstbrände.

Thomas (links) und Carsten Streit vom Oberwiesenhof in Wellingen präsentieren ihre Obstbrände.

Foto: leis/Tina Leistenschneider

Wenn die Sonne die Kirschen dunkelrot färbt, dann beginnt für Kirschenliebhaber die Zeit, sie vom Baum zu naschen oder Marmeladen aus ihnen zu kochen. Thomas Streit dagegen fällt noch eine andere Art ein, um das Steinobst zu verwerten: Er macht aus ihm einen Kirsch-Obstbrand. Dafür nimmt er ausschließlich „vollreife, edle Früchte bester Qualität“, wie Streit erzählt. Ihm gehört die Oberwiesenhof-Brennerei in Wellingen, wo das Obst verflüssigt wird. „Mit der Ernte werden die Früchte aufgelesen, handverlesen und gereinigt, ehe sie im großen Muser zerkleinert werden“, erläutert Streit. Danach werden die Früchte mit Gärhefe und Säureschutz angereichert und über mehrere Wochen luftdicht gelagert. In dieser Zeit beginnt die Gärung der Maische, die drei bis acht Wochen in Anspruch nimmt. Wie lange es tatsächlich dauert, hänge von der Außentemperatur ab, verrät Streit. Ideal seien 18 bis 23 Grad, damit sich der Zucker in Alkohol umwandle. Ist der Gärprozess beendet, kommt die Maische in die Brennblase und wird bei 85 Grad im Wasserbad erhitzt. „Dabei entsteigen die ersten Alkoholdämpfe“, erklärt er. Der gasförmige Alkohol steigt nach oben und durchläuft dabei mehrere weitere Schritte, bevor er in den Kühler gelangt und wieder in den flüssigen Zustand wechselt.

Bevor Streit jedoch den ersten Alkohol probieren kann, muss er den Vorlauf abwarten, denn dieser ist ebenso wie der Nachlauf giftig. Wann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist, merkt der geübte Schnapsbrenner am Geruch. Riecht das Destillat nicht mehr wie Nagellackentferner, fließt der trinkbare Mittellauf. Diesen fängt Streit auf und verwertet ihn weiter. Wenn der Brennvorgang abgeschlossen ist, hat der Mittellauf rund 82 Prozent Alkoholgehalt. Damit der genießbar wird, verdünnt Streit den hochprozentigen Mittellauf mit enthärtetem Wasser, bis der Alkoholwert bei 42 Prozent liegt. Genau da will Streit hin, denn: „Bei 40 bis 42 Prozent entfaltet sich das Aroma am stärksten“, sagt Streit. Für die Nebenprodukte hat Streit keine Verwendung: „Der Vor- und Nachlauf wird in unserer Brennerei vernichtet“, sagt er.

Doch das war nicht immer so, wie sich Streit erinnert. Als sein Großvater Michael Streit 1920 die Brennerei in Wellingen gründete, wurde noch nichts weggeworfen, sondern nahezu alles weiterverarbeitet. Wie sein Vater Alfons war Streits Großvater Landwirt mit einem gemischten Betrieb. „Wir hatten Ackerbau und Schweine und Rinder und eben die Brennerei“, erzählt Streit, der selbst mit 15 seine Lehre bei seinem Vater begann. Schon als Kind habe er immer bei der Ernte mitgeholfen und Früchte aufgelesen. Mit 20 übernahm er die Brennerei und führt diese mit seinen Kindern Carsten und Jasmin in der vierten Generation weiter. Ob er je einen anderen Berufswunsch hatte? „Nein“, antwortet Streit lächelnd, er brennt im wahrsten Sinn des Wortes für seinen Beruf: „Es steckt viel Leidenschaft drin und ich habe Spaß daran, Neues auszuprobieren und neue Produkte zu entwickeln.“

Am Beruf des Schnapsbrenners habe sich im Laufe der Jahre wenig geändert. „Früher gab es die Obstmühle, heute den Muser. Früher musste man noch viel schleppen, heute funktioniert das maschinell über Pumpen“, sagt Streit. Das Brennverfahren wurde durch die Geräte technisiert. Auf dem technischen Fortschritt ruht sich der Landwirtschaftsmeister aber nicht aus. „Für den Geschmack ist der Brenner immer noch selbst verantwortlich“, sagt Streit. „Man muss immer noch wissen, was man tut.“ Die moderne Technik bringt auch Vorteile: Seit 1924 erzeugt die Brennerei Streit Edelbrände auf einer Obstabfindungsanlage und seit November 2007 auf einer Obstverschlussanlage mit modernster Destillier-Technik. „Mit der kann man so viel brennen, wie man möchte“, erklärt Streit den Vorzug. Hatte seine Familie anfangs hauptsächlich Apfel-, Birnen-, Zwetschgen- und Kirsch-Brände, wuchs über die Jahre seine Produktpalette – „inzwischen habe ich über 30 verschiedene Produkte und Fruchtarten“. So hat Streit Obstbrände in den Geschmacksrichtungen Sauerkirsch, Williams und Mirabell, aber auch Boscalva, Papaya, Pflaume und Nuss-Anis-Schnaps im Angebot. Neben den Schnäpsen und Bränden führt Streit Liköre wie Williams, Kirsch, Maracuja und Pfefferminz.

Er erhält bei der traditionellen Obstbrand-Prämierung des Verbands der Obst- und Gartenbauvereine regelmäßig Auszeichnungen in Gold und Silber. So wie 2019, als er zwölf Goldmedaillen gewann – „die meisten im Saarland“, sagt Streit.

Er ist immer auf der Suche nach dem Ungewöhnlichen: „Die Leute fragen mich, ob ich etwas Neues habe“, erzählt Streit, der gerne mal Erdbeeren oder Ananas brennen würde. Ob er eine Lieblingssorte hat? „Weißdorn. Der schmeckt herb-süß bis nussig und ist hier kaum bekannt.“ Worauf es beim Schnapsbrennen ankommt? „Man muss für die Technik und den Reifegrad Feingefühl haben und vollreife Früchte in Essqualität verwenden“, erzählt Streit. „Nur daraus können gute Brände hergestellt werden.“

Die Brennerei befindet sich im Oberwiesenhof 1 in Wellingen. Kontakt: Tel. (0 68 69) 4 01 oder per Mail an info@oberwiesenhof-brennerei.de. Auf Anfrage bietet Streit Besichtigungen mit Probe an. Weitere Infos im Internet unter:

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